Wie viel Therapie braucht ein Insasse? Ist eine frühe Entlassung sinnvoll? All das steht im Vollzugsplan. Den Hut bei der Erstellung hat der soziale Dienst auf.

Heimsheim - In unserer Serie „Stadt hinter Mauern“ werfen wir einen Blick hinter die Mauern der Justizvollzugsanstalt Heimsheim und stellen die unterschiedlichen Arbeitsbereiche und Abteilungen einmal genauer vor. Mitarbeiter berichten von ihren Aufgaben und ihren Erfahrungen und von den Herausforderungen des Gefängnisalltags. Heute: Sozialer Dienst.

 

„Sozialarbeit im Vollzug ist eigentlich das Gegenteil von dem, was die Gefangenen sich draußen darunter vorstellen“, sagt Axel Veit. Der 58-Jährige ist einer von acht Mitarbeitern beim sozialen Dienst in der Justizvollzugsanstalt Heimsheim. Den Gefangenen nur gut zureden und immer ein gutes Wort für sie einlegen, das hat mit den Aufgaben der Sozialarbeiter im Gefängnisalltag wenig zu tun. Auch wenn die Beratung und Betreuung der Insassen natürlich dazugehört. Eine Hauptaufgabe aber liegt in der Erstellung des sogenannten Vollzugsplans.

Dabei handelt es sich um eine Art „Fahrplan“, der für jeden Gefangenen angelegt wird. „Darin stehen die Behandlungsmaßnahmen, die wir für nötig halten, dass der Gefangene nicht wieder straffällig wird.“ Nicht zu verwechseln mit einem Stundenplan, in dem der Tagesablauf eines Insassen genau festgelegt wäre. Im Vollzugsplan geht es eher um Verhalten, Prognosen und darum, wie sie verbessert werden können. Einerseits im Vollzug direkt: „Wenn zum Beispiel ein Gefangener gute Arbeit in den Betrieben leistet und sich gut benimmt, können wir überlegen, ob man seine Therapie reduziert oder ob er eine weniger intensive Beaufsichtigung braucht“, erklärt Axel Veit.

Jeder Sozialarbeiter ist zuständig für 80 Gefangene

Andererseits geht es um die Frage, wie es draußen für den Mann weitergeht: Hat er eine Kontaktperson oder ist er allein? Hätte er nach seiner Entlassung eine Wohnung oder muss man ihm eine vermitteln? „In der Hinsicht ist das schon klassische Sozialarbeit, wenn es zum Beispiel um so Themen wie Schuldenregulierung geht oder wenn wir uns darum kümmern, dass der Kontakt zu seinen Bezugspersonen aufrechterhalten wird“, erklärt Veits Kollege Fabian Sperr.

Jeder Sozialarbeiter ist zuständig für rund 80 Gefangene und leitet das Team, das für die Erstellung des Vollzugsplans zuständig ist. Zu diesem Team gehören alle, die mit dem jeweiligen Gefangenen zusammenarbeiten, vom Vollzugsdienst bis hin zu den Psychologen. „Wir treffen uns regelmäßig, um über die Gefangenen zu sprechen, der Vollzugsplan ist also nicht statisch“, betont Veit. „Er wird stetig fortgeschrieben.“ Auch mit anderen Behörden ist der soziale Dienst rege in Kontakt – wenn es zum Beispiel darum geht, eine Empfehlung weiterzugeben, ob ein Gefangener früher entlassen werden kann. Das wissen auch die Gefangenen und sind deshalb oft ausgesprochen freundlich, weiß Veit. „Ich bin aber auch schon massiv bedroht worden“, erinnert er sich. „Das ist schon lange her. Aber man braucht hier schon Fingerspitzengefühl.“

Das ausführliche Gespräch kommt zu kurz

Was bei der Arbeit etwas kurz kommt, ist das ausführliche Gespräch mit den Gefangenen direkt, beklagt Ute Dittler, die schon seit 25 Jahren im Vollzug arbeitet. Was umso bedauerlicher sei, da es bei der Erstellung des Vollzugsplans um genau diese Gefangenen geht. „Früher gab es häufiger auch mal einen Begleit-Ausgang für Gefangene, bei denen wir sie mal mitgenommen haben, um Klamotten oder so etwas zu kaufen. Das ist seltener geworden“, sagt Axel Veit. Der Grund dafür liege aber nicht nur in der Zeit, sondern auch im veränderten Klientel. Während Gefangene aus dem Ausland zum Teil nur auf ihre Abschiebung warten, hat die Zahl der Süchtigen und der psychisch Auffälligen merklich zugenommen. Beide sind für Lockerungen im Vollzug ungeeignet. Immerhin sei aus genau diesem Grund in Zukunft aber eine weitere Stelle im sozialen Dienst eingeplant.

Wie überall gehören für die Mitarbeiter positive Erlebnisse genauso mit dazu. „Für mich sind das aber oft die kleinen Dinge im Alltag“, sagt die Sozialarbeiterin Fränze Lindner. „Wenn ein Gefangener nach dem Gespräch mit uns seine Mutter am Telefon nicht mehr anschreit, sondern höflich ist. Oder wenn sich einer dazu durchringt, seinen Hauptschulabschluss zu machen.“ Es sei nur schade, dass man nur selten mitbekomme, wie sich die Person in Freiheit dann weiterentwickele. „Wenn der Gefangene hierherkommt und wieder geht, ist das jedes Mal ein großer Cut.“