Der Alltag für Gewalt- und Sexualstraftäter ist geprägt von intensiven Therapien. Im Bereich mit den gefährlichen Gefangenen gelten die höchsten Sicherheitsvorkehrungen.

Heimsheim - In unserer Serie „Stadt hinter Mauern“ werfen wir einen Blick hinter die Mauern der Justizvollzugsanstalt Heimsheim und stellen die unterschiedlichen Arbeitsbereiche und Abteilungen einmal genauer vor. Mitarbeiter berichten von ihren Aufgaben und ihren Erfahrungen und von den Herausforderungen des Gefängnisalltags. Heute: Die unterschiedlichen Facetten des Vollzugs.

 

Die Türen zu den Zellen sind weit geöffnet. Gefangene sind auf den Gängen unterwegs, einer besucht gerade seinen Zellennachbarn. Ein paar sitzen im Gemeinschaftszimmer, das wie ein ganz normales Wohnzimmer eingerichtet ist, mit Sofas und Fernseher. Auf den ersten Blick wirkt die Behandlungsabteilung wie eine Art Sonderabteilung für Vorzeige-Insassen, die sich nur wenig haben zuschulden kommen lassen. Doch das genaue Gegenteil ist der Fall. Die Behandlungsabteilung, der Name sagt es schon, ist für Gefangene, die eine intensive therapeutische Behandlung bekommen – viele sind Sexualstraftäter.

Wenig Verständnis bei Unbeteiligten

Bei Außenstehenden oder anderen Gefangenen stößt das oft auf wenig Verständnis, wissen die Mitarbeiter. Dann taucht die Frage auf: Warum bekommt ausgerechnet ein schwerer Gewaltverbrecher eine solche „Sonderbehandlung“? Denn auch soziale Aktivitäten wie gemeinsames Kochen, Spielen oder Turnen gehören in der Behandlungsabteilung dazu. „Doch das dient alles der Therapie“, erklärt der Abteilungsdienstleiter Bertram Hof. „Wir müssen ein Behandlungsklima schaffen, in dem wir an die Gefangenen herankommen. Diejenigen, die bereit sind, etwas an sich zu ändern, die sollen sich uns auch öffnen. Das ist nötig für die Resozialisierung.“

Dass die Gefangenen hier ein lockeres Leben führen, ist allerdings ein Trugschluss, betont der Psychotherapeut Bert Mäckelburg, der mit für die Abteilung zuständig ist. „Die müssen hier sehr viel mehr machen als die anderen und sich die ganze Woche über intensiv mit ihren Straftaten auseinandersetzen.“

Der Alltag in der Behandlungsabteilung ist geprägt von zahlreichen Therapiesitzungen, in der Gruppe oder alleine, von Besprechungen und der Aufarbeitung der Taten. Zusätzlich zur täglichen Arbeit der Männer beispielsweise in den Betrieben. Niemand kommt außerdem automatisch in die Abteilung oder wird schon irgendwie „durchgeschleift“. „Wenn wir merken, dass einer nicht mitmacht oder das Behandlungsklima stört, muss er uns verlassen“, sagt Bertram Hof.

Motivation ist der Opferschutz

Die Arbeit in dieser Abteilung ist nicht immer leicht. „Das kann auch nicht jeder“, weiß Hof. „Gerade, wenn man Frau und Kinder zu Hause hat und mit Sexualstraftätern arbeitet, ist das immer schwer miteinander in Einklang zu bringen. Aber das muss man ausblenden. Es ist wichtig, den Gefangenen auf Augenhöhe zu begegnen, sonst kommt man gar nicht weiter.“ Die Motivation für die Mitarbeiter ist vor allem der Opferschutz. Denn früher oder später wird jeder Gefangene entlassen, sobald seine Strafe abgesessen ist. Wenn er in Freiheit dann keine Verbrechen mehr begeht, dann habe sich die Behandlung auf jeden Fall gelohnt.

Der Erfolg der Arbeit in der Abteilung sei auch statistisch belegbar, sagt Mäckelburg. „In Freiheit folgt immer auch noch ein Nachsorgeprogramm, damit die Männer lernen, daheim das umzusetzen, was sie hier gelernt haben.“

Wer aggressiv ist, muss sich erst bewähren

Ein bisschen irreführend ist der Titel schon: Bewährungsabteilung. Wer eine Gerichtsverhandlung mit einer Bewährungsstrafe verlässt, bleibt erst einmal auf freiem Fuß. So schlimm kann es also nicht gewesen sein. Bei der Bewährungsabteilung in der JVA Heimsheim sieht das anders aus: Sie ist die Abteilung mit den höchsten Sicherheitsvorkehrungen im Gebäude. Hier sitzen Gefangene, die sich gefährlich oder aggressiv verhalten haben, etwa andere Gefangene oder Mitarbeiter angegriffen haben.

„Die sind wirklich den ganzen Tag hier eingesperrt“, erklärt der Abteilungsdienstleiter Sven Häffelein. Ausnahme sind die eineinhalb Stunden täglich Freizeit plus eine Stunde Hofgang. Aber zur Arbeit geht hier tagsüber niemand. Bei der Ankunft jedes Gefangenen werden die individuellen Sicherheitsvorkehrungen festgesetzt. „Zum Beispiel in Bezug auf den Sozialdienst“, erklärt die Sozialarbeiterin Laura Lienhard. „Mit manchen darf ich alleine sprechen, mit anderen nicht. Wieder andere dürfen gar nicht mit Frauen in Kontakt treten oder dürfen ihr Zimmer nur gefesselt verlassen.“

Drehtüreffekt beobachtet

Als Dauerlösung ist die Abteilung nicht gedacht. Daher auch der Name „Bewährungsabteilung“: Wer hierherkommt, kann sich auch bewähren, dann darf er wieder in eine andere Abteilung zurück. Spätestens vierteljährlich wird bei jedem überprüft, ob er noch weiter hierbleiben muss. Manchmal kann die Lösung auch darin liegen, einen Gefangenen in eine andere Anstalt zu verlegen, falls er sich mit den Mitarbeitern vor Ort überworfen hat. „Wir haben schon Gefangene bekommen, die wurden uns als hoch aggressiv angekündigt und waren nachher ganz ruhig“, erinnert sich Häffelein.

Gerade bei psychisch auffälligen Gefangenen beobachtet die Sozialarbeiterin Laura Lienhard aber immer wieder einen Drehtüreffekt. „Wenn jemand für verhandlungsfähig erklärt und verurteilt wurde, ist es im Nachhinein schwer festzustellen, dass derjenige so krank ist, dass er eigentlich in die Psychiatrie gehört.“ Bei wem im Vollzug festgestellt wird, dass er in einer Form psychisch krank ist, der kommt zunächst in das Justizvollzugskrankenhaus auf dem Hohenasperg, wo er auf Medikamente eingestellt wird. „Bei manchen funktioniert das dann gut, und sie finden wieder in den Alltag zurück.“ Einige aber kommen bald wieder in die Bewährungsabteilung, zum Hohenasperg und zurück. „Grade am Hohenasperg würden wir uns daher mehr Plätze für Gefangene wünschen, damit sie richtig behandelt werden können“, sagt Sven Häffelein.

Bedrohte müssen isoliert werden

Ähnlich isoliert wie die Gefangenen in der Bewährungsabteilung leben übrigens auch die auf diesem Stockwerk untergebrachten Bedrohten. Wer von Mitgefangenen bedroht wird, kann ebenfalls nicht mit den anderen zusammen zur Arbeit oder in die Freizeit gehen – zumal die Betroffenen nur selten einen Namen preisgeben. Die Männer haben einmal die Woche separaten Sport und Arbeit in einem gesonderten Betrieb. „Wenn einer erst mal hier drin ist, ist es schwer, wieder in den Regelvollzug zurückzukehren, weil die Männer den Ruf eines Verräters tragen, wenn sie mit ihrem Problem zu uns kommen“, erklärt Häffelein. In solchen Fällen könne eine Verlegung in einen anderen Vollzug eine Lösung sein. „Es gibt aber auch welche, die das gar nicht wollen und dauerhaft hierbleiben“, sagt Laura Lienhard. Dafür kann es unterschiedliche Gründe geben, zum Beispiel private Kontakte in der näheren Umgebung.