Dreimal tritt der deutsche Fußball-Rekordmeister aus München in Rutesheim gegen eine Altkreis-Auswahl an. Zweimal hält das außergewöhnliche Ereignis, was es verspricht.

Rutesheim - Wenn Bayern München zum Freundschaftskick in die „Provinz“ kommt, dann ist das wie ein Sechser im Lotto. Wenn der deutsche Rekordmeister noch ein zweites Mal, so wie in Rutesheim geschehen, seine Aufwartung macht, ist auch die Zusatzzahl dabei. Aber: Aller guten Dinge sind nicht immer drei – auch das hat das Beispiel Rutesheim gezeigt.

 

Aber der Reihe nach: „Rekordmeister in stärkster Formation“, lautete die Überschrift des Aufmachers auf der Lokalsport-Seite dieser Zeitung am 26. September 1992. Im Kader des Starensembles von der Isar standen genau die 16 Spieler, die am Abend zuvor im Dortmunder Westfalenstadion mit 2:1 triumphiert hatten. Unter anderem waren dies Keeper Raimond Aumann, Thomas Berthold, Thomas Helmer, Olaf Thon, Jorginho und Bruno Labbadia. Dazu kamen auch noch der in der Liga rotgesperrte Mehmet Scholl und als i-Tüpfelchen nach seiner Rückkehr aus Italien (Inter Mailand) wieder im Bayern-Trikot, Lothar Matthäus.

Rund 4000 Zuschauer bei Traumwetter

Dass Trainer Erich Ribbeck, Manager Uli Hoeneß und Co überhaupt im Stadion Bühl Station gemacht haben, war den Verantwortlichen des Rutesheimer Autohauses Opel-Epple zu verdanken, die zur Erweiterung ihrer Geschäftsräume etwas Besonderes bieten wollten. Und das ist ihnen voll und ganz gelungen. Es wurden keine Kosten (60 000 Mark für die Bayern) und Mühen gescheut. Rund 4000 Zuschauer machten den Tag bei Traumwetter und mit dem Münchener „Dream-Team“ zu einem regelrechten Happening.

Die Erwartungen sind groß. Foto: Baumann/Keppler
Es war genau 12.41 Uhr, als der Bayern-Bus langsam die Renninger Straße zum Autohaus hinunterrollte. Schon lange vorher hatten sich zahlreiche zumeist jugendliche Fans eingefunden, um die Stars hautnah zu erleben und ein paar Autogramme zu ergattern. Der Andrang wurde so groß, dass erst einmal das Garagentor wieder geschlossen werden musste, um der Lage Herr zu werden.

Anpfiff von Lothar Matthäus

Vielleicht lag’s auch daran, dass sich manch einer zu viel Zeit beim Schreiben genommen hat. Der Anpfiff kam prompt. „Olaf, schreib’ doch mal ein bisschen schneller!“, raunte Lothar Matthäus seinen Mitspieler Olaf Thon an, bei dem die Schlange der wartenden Fans besonders lang war.

Auf dem Platz nahmen sich die Gäste gegen die von Oliver Luft (SV Gebersheim) und Günter Reiniger (SKV Rutesheim) betreute Bezirksligaauswahl nicht so viel Zeit. Lediglich 30 Sekunden dauerte es, ehe Marc Auracher den Ball zum ersten Mal aus dem Netz holen musste. Es passte ins Bild, dass Publikumsliebling Mehmet Scholl den Reigen eröffnete. Nach fünf schnellen Treffern ließen es die Münchener etwas langsamer angehen.

Geburtstagsüberraschung von und für Klaus Augenthaler

Und tatsächlich: Auswahlkapitän Hansi Feigl und Joachim Walter dürfen in ihrer Fußballer-Vita festhalten, Torschützen gegen Bayern München zu sein. Das wiederum rief den Bundesligisten auf den Plan. Nach 90 Minuten, in denen der Co-Trainer und Ex-Profi Klaus Augenthaler an seinem 35. Geburtstag zur Überraschung aller in der zweiten Hälfte auch noch einmal den Bayern-Dress überstreifte, hieß es 2:14. Oliver Luft, der in weiser Vorahnung keine Wette gehalten hatte, dass sein Team einstellig davon kommen würde, kratzte das wenig. Für ihn galt: „Für jeden von uns ist es wohl ein einmaliges Erlebnis in seiner Fußballerlaufbahn.“

Für Jürgen Klinsmann (2. von links) ist der Auftritt in Rutesheim so etwas wie ein Heimspiel. Foto: Baumann/Keppler
Da sollte sich der gute Mann gründlich täuschen. Denn als der Bayern-Tross am 18. Januar 1997 zum zweiten Mal von der A 8 Richtung Rutesheim abbog, gehörten dem Kader der Landesligaauswahl auch die schon Bayernerfahrenen Joachim Walter, Robert Schäfer, Steffen Schmidt und Frank Frohnmaier an. Die München-Manie in Rutesheim und Umgebung schaltete im Vergleich zum ersten Gastspiel noch einmal mindestens eine Stufe nach oben. Rund 5000 Zuschauer halfen mit ihren Eintrittsgeldern mit, dass die Veranstalter trotz 100 000 D-Mark Antrittsgebühr für die Profis, wenn überhaupt, nur eine ganz leicht rosafarbene Null schreiben mussten. Sie kamen, obwohl bei einer drei bis vier Zentimeter hohen Schneedecke im Stadion nicht unbedingt mit den allerfeinsten technischen Kabinettstückchen zu rechnen war.

Zwischenstopp auf dem Weg nach Glasgow

Dafür kam Bayern München, auf dem Weg zu zwei weiteren Testspielen nach Glasgow, erneut mit fast voller Kapelle, wie die von Trainer Giovanni Trapattoni aufgebotene Startelf (Kahn, Matthäus, Helmer, Babbel, Strunz, Scholl, Witeczek, Münch, Zickler, Klinsmann, Rizzitelli) zeigte. Nicht zuletzt wegen der Platzverhältnisse blieb es diesmal einstellig – 0:8. Trotz einer guten Chance platzte der Traum von Robert Schäfer. „Ein Tor werd’ ich gegen die doch wohl mal machen“, hatte er im Vorfeld gesagt.

Und Angelo Semeraro trauerte einer Riesengelegenheit aus der zweiten Minute nach. „Ich hab’ in dem Moment einfach zu viel überlegt: Warum steh’ ich hier eigentlich so frei? Und warum kommt der Kahn nicht raus?“

Spieler wirken arrogant

Gleichzeitig schlich sich bei den Altkreiskickern schon so etwas wie Ernüchterung ein. „1992 war die Stimmung einfach besser. Diesmal hatte ich das Gefühl, dass es für sie lästig war. Viele Spieler haben arrogant gewirkt“, sagte Joachim Walter. Trikot-Tausch war auch nicht drin. Thorsten Talmon blitzte erst bei Mehmet Scholl ab. Und auch die Zusage von Markus Babbel war am Ende nichts wert. Die Bayern-Spieler verwiesen allesamt auf das Nein von Manager Uli Hoeneß. Nur einer staubte ein begehrtes Souvenir ab. Keeper Jürgen Kapp bekam schon in der Pause die Handschuhe von Oliver Kahn.

Mehr als ernüchternd fiel der dritte Bayern-Auftritt am 30. Januar 2001 aus. „Selbst mit ‚Anton aus Tirol’ kommt angesichts der Mogelpackung aus München nur wenig Freude auf“, lautete der Titel in dieser Zeitung. Mit großer Erwartung waren diesmal fast 6000 Fans gekommen. Sie wurden beim 1:8 mehrfach enttäuscht. Die angekündigte Autogrammstunde fand nicht statt – angeblich habe es eine Vereinbarung dieser Art nie gegeben, hieß es von Bayern-Seite. Bei den Jüngsten flossen Tränen. Die Malmsheimerin Claudia Schneider mit ihren beiden Söhnen war nicht die einzige, die bereits drei Stunden vor der anvisierten Ankunft der Bayern vergebens vor dem Autohaus wartete.

Beim dritten Auftritt fehlen die Stars

Der Kick fiel unter die Kategorie wenig erwärmendes Trainingsspielchen. Den größten Unmut löste aber die Besetzung des Bayern-Ensembles von Trainer Ottmar Hitzfeld aus. Kein Kahn, kein Effenberg, kein Elber, kein Scholl, kein Lizarazu. Der Bundesligist hatte mit Dreher, Sagnol, Andersson, Wiesinger, Sergio, Wojciechowski, Fink, Tarnat, Hargreaves, Di Salvo und Kling mehr oder weniger sein Reserveteam geschickt. Nach der 6:1-Führung zur Pause – Chris Apel hatte per Heber zum zwischenzeitlichen 1:5 getroffen – mühte sich der Rekordmeister in Durchgang zwei zu zwei weiteren Toren. Die Quittung: Nicht wenige Zuschauer verließen vorzeitig das Stadion.

Im von Frank Schäffer betreuten Altkreis-Landesliga-Auswahlteam wurden Steffen Schmidt und Frank Frohnmaier, weil zum dritten Mal dabei, zu „Rekord-Bayern-Gegnern“. Auch sie mussten schließlich feststellen, dass aller guten Dinge nicht immer drei sind.