Die Faustballer der Spvgg Weil der Stadt etablieren sich in den 90er Jahren in der nationalen Spitze.

Weil der Stadt - Ein Parkplatz an der Gymnasiumssporthalle in Weil der Stadt? Entweder mindestens eine Stunde vor Spielbeginn kommen oder den Weg möglichst zu Fuß in Angriff nehmen. Ansonsten – keine Chance. 450 bis 500 Zuschauer auf der Tribüne in der Halle waren keine Seltenheit Anfang der Neunzigerjahre. Der Bundesliga-Faustball bei der Sportvereinigung Weil der Stadt hatte in dieser Zeit Hochkonjunktur, in der Halle und auf dem Feld.

 

Der Ursprung des Booms ist 1967 zu finden, als die Abteilung auf Initiative von Otto Ziegler gegründet wurde. Dann waren es 1970 maßgeblich Eberhard Helber und Roland Buhl, die mit dem Aufbau einer Jugendmannschaft begannen – der Grundstein für die spätere Erfolgsgeschichte. Beide wurden für ihr Engagement mit der goldenen Ehrennadel des Deutschen Turnerbundes ausgezeichnet.

Aufstieg in die 1. Bundesliga

1986 war es soweit. Unter Spielertrainer Klaus Walter gelang mit Axel Schäffer, Michael Schöneck, Rolf Schlotter, Harald Volg und Rüdiger Leopold der Aufstieg in die 1. Bundesliga. Die erste deutschlandweite Duftmarke setzte der Verein 1989 dann mit dem dritten Platz bei der nationalen Meisterschaft in Limburg. Großen Anteil an einer bislang nicht gekannten Stimmung in der Halle hatte der Weiler Fanclub „Hahneluja“.

Trumpf-As: der Weiler Fanclub Hahneluja. Foto: ast
In der Leonberger Kreiszeitung hieß es damals: „Die Fans wuchsen über sich selbst hinaus. Rhythmisches Klatschen und Trommeln heizte den Spielern und den restlichen Zuschauern kräftig ein. Allen voran Trompeter Hans Kalnick, der die musikalische Leitung des Fanblocks übernommen hatte. Mit bewundernswerter Ausdauer schmetterte er die Melodien von der Tribüne herunter und riss wirklich jeden mit.“

Gastgeber auf Platz vier

Nur zwei Jahre später fand sich die nationale Elite zu den Titelkämpfen in der Weil der Städter Gymnasiumsporthalle ein. Zum ganz großen Coup reichte es nicht. Die Gastgeber und ihr Trainer Michael Schmid mussten sich hinter Hagen, Duisburg und Koblenz mit ihren charismatischen Schlagmännern Dirk Schachtsiek, Martin Becker und Stefan Lebert auf dem vierten Platz einreihen. Die Clubs aus dem Norden Deutschlands hatten einmal mehr die Nase vorne.

Die Spvgg Weil der Stadt machte sich daran, die These zu widerlegen, dass die Nord-Vereine generell die stärkeren sind. Und das mit möglichst professionellen Strukturen. Mit dem Manager Dietmar Lauser stiegen die Weiler in Sachen Marketing und Außendarstellung zur Nummer eins auf. Die Heim-DM hatte der umtriebige und nie um einen Spruch verlegene Macher noch als Zuschauer erlebt. Der Hilferuf von Roland Buhl verhallte nicht ungehört. Lauser stieg als Manager ein unter der Prämisse: „Das Geld, das ich einsammele, das gebe ich auch aus.“

Heimspiele mit Event-Charakter

Die Heimspiele in der Gymnasiumssporthalle hatten Event-Charakter. Unter anderem präsentierte der Verein ein Rahmenprogramm, in dem sich andere Sportarten in Szene setzen konnten. Dazu gab es eine Tombola. Selbst ein großes Talent am Klavier durfte in der Halle vorspielen.

Uli Nist: eine Bank in der Abwehr. Foto: Gorr
Im Rahmen des Zürich-Cups holte Dietmar Lauser die besten Teams aus Deutschland, Österreich und der Schweiz nach Weil der Stadt. Die Mannschaft reiste mit einigen Fans zur Vorbereitung inklusive mehrerer Freundschaftsspiele sogar einmal nach Brasilien, dem damaligen Weltmeister, und Argentinien. Auswärtigen Spielern wie Armin Held, Kai Baumann oder Sven Boppre konnte ein Auto für die Fahrten zu Spiel und Training zur Verfügung gestellt werden.

Zu den vielen Höhepunkten zählte unter anderem auch die Teilnahme an der Hallen-DM 1994 in Berlin. Und das nicht nur, weil sich das Team vor dem Abflug aus Stuttgart am Flughafen gut gelaunt und optimistisch zum Mannschaftsbild in den neuen Ausgeh-Anzügen – auch ein Novum in der Weiler Faustball-Geschichte – präsentierte.

1800 Zuschauer in der Sporthalle

Axel Schäffer, Michael Schöneck, Uli Nist, Ralf Schlotter und Achim Felger lösten mit einem ungefährdeten Sieg gegen Hagsfeld und der Niederlage gegen Osberghausen das Ticket für das Halbfinale. Vor 1800 Zuschauern in der Charlottenburger Sporthalle zog Trainerlegende Karl Renz für die Partie gegen den TSV Hagen mit Achim Kleiß und dem gerade erst von einer Bänderverletzung genesenen Ralf Schöck – am Stuttgarter Flughafen stand er noch mit Krücken – zwei Trümpfe aus dem Ärmel. Sie stachen – fast. Gegen den späteren Titelträger TSV Hagen unterlagen die Schwaben nur knapp mit 1:2, holten sich dann aber mit dem 2:0 im erneuten Aufeinandertreffen mit Osberghausen zumindest noch die Bronzemedaille.

Karl Renz (l.), Axel Schäffer: der Trainer und sein Schlagmann. Foto: ast
Der damalige Weil der Städter Bürgermeister Hans Josef Straub, der als Faustballfan die Reise nach Berlin mitgemacht hatte: „Wir haben uns hier toll verabschiedet. Das Spiel um Platz drei war schon allein das Geschaukel im Flugzeug wert. Unsere Fans haben die Halle voll im Griff gehabt.“ Und der Trainer Karl Renz, der insgeheim mit dem Einzug ins Finale und der Meisterschaft geliebäugelt hatte, fiel mit in die Lobeshymne ein: „Mit der Leistung hat Axel Schäffer den Durchbruch in die nationale Spitze geschafft. Mit einem gesunden Ralf Schöck hätten wir wahrscheinlich das Endspiel erreicht. Und ich wehre mich dagegen, wenn behauptet wird, dass die Nordgruppe stärker ist als der Süden.“ Dietmar Lauser, der 1999 sein Engagement aus privaten Gründen beendete, sagt rückblickend: „In meiner Zeit werte ich diesen dritten Platz als den größten Erfolg.“

Lange Rückreise im Bus

Bronze wird in einer Berliner Kneipe standesgemäß gefeiert. Foto: kli
Natürlich wurde die Bronzemedaille entsprechend gefeiert. Die Sangeslust von Fans und Akteuren in einer urigen Berliner Kneipe wollte kein Ende nehmen. Der Ausbruch schwäbischer Freude wurde selbst dem sicher einiges gewohnten Wirt zuviel. Er mahnte zur Ruhe. Bereits etwas angeschlagen machten sich Spieler und Fans – diesmal im Bus – auf die Rückreise. Es war noch dunkel draußen, als der Tross nach über neunstündiger Fahrt um kurz vor sechs Uhr den Weil der Städter Marktplatz erreichte. Der Abteilungsleiter Hubert Gassl blickte voraus: „Ich hoff’, dass wir noch ein Stückchen weiterkommen und dann im nächsten Jahr in Bretten ganz oben auf dem Treppchen stehen.“

Dieser Wunsch sollte allerdings nicht in Erfüllung gehen. In den Folgejahren zählte die Spvgg Weil der Stadt zwar zu den Stammgästen bei den DM-Endrunden, für den Platz ganz oben auf dem Treppchen hat es für die Aktiven jedoch nie gereicht.

Das holte dann später das Team in der Altersklasse M 45 nach. In eigener Halle triumphierte die Mannschaft (Michael Schöneck, Klaus Walter, Rolf Schlotter, Rüdiger Leopold, Oliver Wöhl, Thomas Helber, Michael Kühfuß und Markus Weber/Abteilungsleiter Roland Buhl) 2011 mit einem 2:1 gegen den ETV Hamburg. Zwei Jahre später wurde dieser Titel noch einmal bestätigt – in Berlin.