In Weissach wurde erstmals wieder öffentlich über die verlorenen 16 Millionen Euro informiert. Die Verwaltung habe keine Schuld, bestätigt nun ein Gutachten – die Wunde sitzt aber trotzdem tief.

Nachher ist man immer schlauer – diese Parole wiederholt Anwalt Peter Sennekamp von der Kanzlei Nonnenmacher, die die Gemeinde Weissach mit der Aufarbeitung der Vorgänge im Rathaus im Zuge der Greensill-Pleite beauftragt hat, an diesem Abend in der Strudelbachhalle immer wieder. Die Verwaltung scheint nun, nach der zweiten, öffentlichen Sondersitzung zum Thema, einen Haken zumindest an die Frage nach Verschulden des Rathauspersonals machen zu wollen.

 

Klar wird nach vier Stunden aber auch: Mit der Aufarbeitung des Falles herrscht an der ein oder anderen Stelle nach wie vor große Unzufriedenheit. Wer einen eindeutigen Sündenbock für die verlorenen 16 Millionen Euro sucht, geht enttäuscht nach Hause.

Kein grob fahrlässiges Verhalten in der Verwaltung

Kurz nachdem Anfang März vergangenen Jahres bekannt wurde, dass die Finanzaufsichtsbehörde BaFin ein Moratorium über die Greensill Bank verhängt hatte, musste man sich auch in Weissach eingestehen, dass hier Geldanlagen gefährdet sind. Rund 16 Millionen Euro hatte die Gemeinde in zwölf Tranchen bei der Bremer Bank angelegt. Kurz darauf fand eine erste Sondersitzung zur drohenden Pleite statt. Seitdem wurden Informationen zur Aufarbeitung nur sporadisch preisgegeben.

Als „Abschluss des Aufarbeitungsprozesses“ betitelte die Verwaltung nun die jüngste Sitzung und präsentiert dabei die Ergebnisse der beiden Sonderprüfungen, rund 15 Monate nach der ersten Sitzung, in der man Transparenz versprochen hatte. Die „gutachterliche Stellungnahme zu dienstpflichtwidrigem Verhalten und möglichen Regressansprüchen“ gegen die Mitarbeiter ist recht eindeutig: Grob fahrlässiges Handeln sieht die Kanzlei Nonnenmacher weder bei Bürgermeister Daniel Töpfer, Kämmerin Karin Richter oder anderen Mitarbeitern.

Anlage trotz schlechterem Rating

Knackpunkt bei der Untersuchung waren die letzten beiden Anlagen bei der Greensill Bank, die die Gemeinde nachweislich getätigt hatte, obwohl das entsprechende Rating damals bereits bei „BBB+“ lag. Haben Kämmerin Richter und die Verwaltung also wissentlich Geld trotz schlechterem Rating angelegt? Die kurze Antwort: Nein. Der Geldanlagemakler der Gemeinde, die ICFB GmbH, hatte der Verwaltung nicht nur schriftlich das Rating von „A-“ übermittelt, sondern es auch tagesaktuell per Telefon bestätigt. Ein Verschulden vonseiten der Gemeinde sieht Anwalt Sennekampf nicht. Man habe ausdrücklich nach dem aktuellen Rating gefragt und müsse sich auf die Einschätzung eines Fachmanns, mit dem man seit Jahren zusammenarbeitet, verlassen können: „Dafür hat man Geldanlagemakler.“

Dass man sich bei den Greensill-Anlagen auf ein Rating der Agentur Scope und nicht auf das der drei in den Anlagerichtlinien genannten Agenturen gestützt hatte, ist laut Nonnenmacher Auslegungssache, weil die Formulierung der Anlagerichtlinien andere Interpretationen zulassen. Inzwischen hat die Gemeinde die entsprechende Ziffer in den Richtlinien angepasst. Schadensersatzansprüche gegenüber Bürgermeister Töpfer will auch das Landratsamt mit Schreiben vom 8. April nicht geltend machen.

Schadensersatzansprüche gegenüber Finanzmakler

Laut den Anwälten kann man die Verwaltung also nicht in die Verantwortung nehmen, dafür aber den Finanzmakler ICFB, erklärt Anwalt Andreas Lang von der Frankfurter Kanzlei Nieding + Barth. Auch bei entsprechenden Ansprüchen gegenüber des Vorstands und des Aufsichtsrats der Greensill Bank sieht Lang gute Chancen. Dass man die von der Kanzlei Nieding + Barth vorgeschlagenen Ansprüche geltend machen will, beschließt der Gemeinderat einstimmig.

Bis man in Weissach einen finalen Haken an die Causa Greensill machen kann, wird es noch dauern: Fünf bis zehn Jahre wird das Insolvenzverfahren dauern, Andreas Lang rechnet gar mit bis zu 15 Jahren. Einen Abschluss, mit dem alle einig sind, findet das Verfahren rund um den Greensill-Verlust an diesem Abend nicht. Aus dem Publikum und aus den Fraktionen muss sich Töpfer harscher Kritik stellen.

Herbe Vorwürfe von UL und Grünen

So erhebt die Grünen-Chefin Petra Herter in ihrer Rede herbe Vorwürfe, moniert, dass die laut Richtlinie verpflichtenden, quartalsweise anzufertigenden Berichte über die Anlagen der Gemeinde alle nachträglich im April 2021 erstellt wurden – ein Vorwurf, den Daniel Töpfer vehement von sich weist.

Auch Vorwürfe von Susanne Herrmann (Unabhängige Liste) laut der es nie einen Ratsbeschluss zur Beauftragung der Kanzlei Nonnenmacher gegeben habe, weißt Töpfer zurück, spricht von „plumper Polemik“ und „haltlosen Unterstellungen“. An Grüne und UL gewandt fordert er zudem: „Haben Sie den Mumm und stellen Sie Strafanzeige. Das wäre wenigstens konsequent.“ Für ein eventuelles Fehlverhalten will er sich nicht entschuldigen. „Das werden sie nicht hören“, sagt er. „Es hat kein Fehler stattgefunden.“

Versöhnlichere Töne schlagen die beiden anderen Fraktionen an. Der Verlust der Greensill-Millionen müsse unter dem Aspekt „einem Betrüger mit kriminellen Absichten aufgesessen zu sein“ eingeordnet werden, kommentiert Ullrich Shih (Freie Wähler). Auch Bürgerlisten-Chef Andreas Pröllochs betont: „Die Verantwortung liegt letztendlich bei der Greensill Bank.“