Axel Röckle von den Freien Wählern Leonberg über Hochwasserschutz, die Stadthalle als Bürgertreff, die Förderung von Kunst und eine „sachgerechte“ Verkehrspolitik.

Leonberg - Hochwasserschutz ist eine interkommunale Gemeinschaftsaufgabe, sagt Axel Röckle. Und deshalb verlegt der Fraktionschef der Freien Wähler im Leonberger Gemeinderat das Sommergespräch auf Stuttgarter Markung.

 

Herr Röckle, im nunmehr 14. Jahr der Sommergespräche ist das ein echtes Novum: Es findet nicht auf Leonberger Territorium statt.

Die Stadtgrenze ist zwar nur wenige 100 Meter entfernt, aber es ist richtig. Wir befinden uns offiziell auf Stuttgarter Markung. Aber der Steinbachsee, auf den wir gerade blicken, hat viel mit Leonberg zu tun.

Was denn?

Die Hochwasserkatastrophe in Rheinland-Pfalz und Nordrhein-Westfalen hat mich an ein schlimmes Ereignis im August 1966 erinnert. Damals brach ein Damm des Steinbachsees, die Wassermassen ergossen sich durch das Mahdental, überfluteten die Autobahnen am Leonberger Dreieck und setzten halb Eltingen und weitere Gebiete an der Glems unter Wasser. Und es ist noch nicht so lange her, beim Hochwasser im Jahr 2010, waren wir nahe dran. Die dramatische Situation an der Ahr sollte uns daran erinnern, dass auch bei uns ein Damm durchweichen und dann brechen kann. Deshalb müssen die Dämme regelmäßig gewartet werden.

Wer ist hier gefordert?

Das ist nicht die Sache einer Kommune. Hier muss interkommunal und kreisübergreifend zusammengearbeitet werden. Wir haben ja auch ein Beispiel auf unserem eigenen Gebiet: Der Warmbronner See ist immer bis zur Oberkante voll, bei Starkregen fließt das Wasser in den Maisgraben. Wenn sich Treibgut vor den Ablaufschacht setzt, haben wir ein Problem, in diesem Fall ein Leonberger Problem.

Wird zu wenig für diesen Bereich getan?

Hochwasserschutz ist ja auch aktiver Umweltschutz. Bei uns wird leider sehr oft Symbolpolitik gemacht. Nehmen wir die Grünen, die sich bei Ihnen im Sommergespräch stolz im Landschaftspark Autobahntrasse präsentiert haben. Die wirklichen Probleme in der Natur werden dabei oft außer Acht gelassen. Beispielsweise den Stadtparksee. Bei großer Hitze könnte der umkippen. Der Gänsekot im Untergrund trägt zur Verschlammung des Sees bei. Das kann echte Probleme geben, aber dafür ist kein Geld da. Wir hübschen lieber Dinge auf.

Zum Beispiel die Stadthalle?

Da geht es ja nicht ums Aufhübschen, sondern um konkreten Sanierungsbedarf.

Und um den Abbau des Defizits von jährlich bis zu einer Million Euro. Wäre da nicht ein Neubau mittelfristig tatsächlich die bessere Lösung?

Wichtig ist, dass die Stadthalle ein Treffpunkt für alle Menschen in Leonberg bleibt.

Wäre dieses Ziel gefährdet, wenn ein Investor einen Neubau realisiert?

Dann wäre die Stadt nicht mehr Herr der Fläche. Ein Privater will zuallererst Geld verdienen und hat weniger die kommunalen Interessen im Auge.

Genau mit dieser Begründung haben die Grünen einen Investor für die alte Schuhfabrik abgelehnt. Messen Sie da nicht mit zweierlei Maß?

In der Tat sind die Stadthalle und die alte Schuhfabrik nicht miteinander zu vergleichen. Die Schuhfabrik dient nur einem äußerst begrenzten Personenkreis. Es ist immer von mehreren Leonberger Künstlern die Rede, in Wirklichkeit gibt es nur eine Künstlerin aus Leonberg. Bei den anderen ist der einzige Lokalbezug die Schuhfabrik selbst.

Ist es nicht trotzdem ein gutes Anliegen, Künstlern Raum zu geben?

Wir sind ja nicht gegen Künstler und Kunst. Aber man kann doch vor den Realitäten nicht die Augen verschließen: Eine Sanierung ist unkalkulierbar, weil immer neue böse Überraschungen auftreten können. Deshalb waren wir für die radikalste (Abriss und Neubau, Anm. der Red.), aber ehrlichste Lösung. Eine Sanierung wird teurer werden, auch für die Künstler selbst.

Jetzt wird erst einmal nach einem kulturaffinen Investor gesucht. Wenn sich keiner findet: doch Abriss und Neubau?

Vielleicht kommen ja nach der Bundestagswahl auch im Leonberger Gemeinderat Mehrheiten zustande, die nicht nur ihre Klientel bedienen.

Ganz sind Sie dem Erhalt alter Gemäuer nicht abgeneigt. Sie sind dafür, das Alte Rathaus am Marktplatz zu sanieren.

Das ist ein wirklich altes Haus von historischer Bedeutung. Da müssen wir Geld in die Hand nehmen, um es zu erhalten. Allein schon, um die Publikumsfrequenz am Marktplatz hochzuhalten, brauchen wir das Alte Rathaus auch künftig als Standort für das Bürgeramt. Das ist wichtiger als die Schuhfabrik aufzupeppen.

Leonberg auf Wachstumskurs

Bleiben wir in dem Gebiet: Das Postareal ist endlich beschlossen.

Dem Investor Strabag wurden Änderungen auferlegt, die hat er abgearbeitet. Insgesamt wird das neue Quartier eine Verbesserung bringen. Wenn Leonberg jetzt gesagt hätte, wir lassen alles platzen, hätte das einen massiven Vertrauensverlust bedeutet. Schließlich waren beim städtebaulichen Wettbewerb fast alle für den Strabag-Entwurf.

Die Grünen befürchten, dass das neue Quartier der Altstadt eher schadet.

Überall, wo neue Handelsflächen entstehen, gibt es Konkurrenz. Aber eben auch mehr Publikumsverkehr. Eine attraktive Altstadt wird davon profitieren. Auch das ist übrigens ein Grund, warum das Alte Rathaus als Verwaltungsstandort wichtig ist. Letztlich schließt der geplante Lebensmittelmarkt eine Versorgungslücke in der Nordstadt.

Im direkten Zusammenhang mit dem Postareal steht die Umgestaltung der Eltinger Straße.

Es ist gut, dass hier noch keine Beschlüsse getroffen wurden. Die Straße ist in einem sehr guten baulichen Zustand. Der zusätzliche Verkehr, den das Postareal mit sich bringen wird, muss sachgerecht bewältigt werden. Anders wird es nicht funktionieren.

Also nicht die Reduzierung auf eine Fahrspur, für die sich der Oberbürgermeister ausspricht.

Herr Cohn ist doch selbst sehr gerne mit dem Auto unterwegs. Leonberg ist schon jetzt eine Stadt der kurzen Wege. Man kann sehr viel zu Fuß erledigen. Aber grundsätzlich leben Handel und Gewerbe von der Kundenfrequenz. Und größere Einkäufe kann man nicht mit dem Bus bewältigen.

Auch nicht mit einem autonomen Shuttle-Bus im Zentrum?

Das muss man ausprobieren. Momentan ist es noch Zukunftsmusik, auch weil dafür die rechtlichen Rahmenbedingungen fehlen. Und teuer wird es auch werden.

Leonberg scheint weiter auf Wachstumskurs zu sein.

Mehr Einwohner bedeuten mehr versiegelte Fläche. Wenn große Arbeitgeber wie Bosch noch erweitern, muss es auch mehr Wohnungen geben, sonst passt das nicht zusammen. Auch der Bedarf an öffentlichen Flächen, etwa Schulen, erhöht sich so. Ich habe schon in den vergangenen Sommergesprächen angemahnt, dass sich Rat und Verwaltung darüber im Klaren werden müssen, wie weit wir noch wachsen wollen.

Das Wohl der Stadt als Leitlinie

Wie ist denn das Verhältnis zwischen Gemeinderat und Verwaltung?

Das Klima im Rathaus muss derart „gut“ sein, dass viele qualifizierte Mitarbeiter lieber gehen. Nicht alle haben das gemacht, um näher am Wohnort arbeiten zu können, dafür gibt es genügend Beispiele.

Und das Klima im Gemeinderat selbst?

Es gibt immer mal wieder Kritik am OB, die mir teilweise berechtigt erscheint. Einige Themen packt er auch gut an. Aber es steht mir nicht zu, das Handeln des gewählten Oberbürgermeisters öffentlich zu kommentieren. Wir gehen nicht in Fundamentalopposition. Das Wohl der Stadt ist die Leitlinie.

In den vergangenen Wochen gibt es sehr viele Solidaritätsadressen für den Rettungshubschrauber Christoph 41, der am Krankenhaus stationiert ist. Ein vom Innenministerium in Auftrag gegebenes Gutachten schlägt vor, den Standort von Leonberg weg weiter nach Süden zu verlegen.

Das Gutachten ist zwei Jahre alt. Und nicht ohne Grund haben wir im vergangenen Jahr unser Sommergespräch an die Helikopterstation des Krankenhauses verlegt, um auch optisch zu dokumentieren, wie wichtig dieser Standort für eine schnelle Versorgung von Unfallopfern in der Autobahnregion rund um Stuttgart ist. Es freut mich, dass dies die anderen jetzt auch bemerken.

Auch der Klinikverbund selbst plädiert dafür, den Hubschrauber da zu belassen.

Der Helikopter macht unser Krankenhaus für Ärzte attraktiv und stärkt den Medizinstandort. Dass in Leonberg eine sehr gute Arbeit geleistet wird, haben gerade die vergangenen zwei Jahre gezeigt. Während der Pandemie ist deutlich geworden, dass kleinere Krankenhäuser große Vorteile haben.