Die solidarische Landwirtschaft Heckengäu pflanzt in Perouse ihr Gemüse an – und ist dadurch unabhängig von internationalen Märkten und Lieferketten.

Das Wintergemüse und letzte Sommergemüse, angestrahlt durch die bereits tief stehende Novembersonne, wächst und gedeiht. Lauch, Chinakohl, Rosenkohl, Mangold, Fenchel, Spinat oder Feldsalat warten darauf, geerntet zu werden. Ein Blumenstreifen bietet Lebensraum für Wildbienen, Grashüpfer, Schmetterlinge und zahlreiche andere kleine Lebewesen. Eine Augenweide sind die magentafarbenen Malve-Blüten. Auch sie locken Bienen und Insekten an. Die hoch gewachsenen Pflanzen haben zudem die Funktion der Gründüngung. Im Gewächshaus müssen die letzten Tomaten noch etwas reifen, daneben wachsen Auberginen. Auf der insgesamt 0,4 Hektar großen Ackerfläche südlich von Perouse beim „Förstle“ sind Beete in Parzellen eingeteilt. Sie sind so groß, dass sie noch in reiner Handarbeit bewirtschaftet werden können. Große Maschinen werden hier nicht genutzt.

 

Gemeinsame Verantwortung für den Anbau

In der solidarischen Landwirtschaft (Solawi) Heckengäu trägt eine Gruppe von Menschen gemeinsam Verantwortung für den Anbau des Gemüses. Sie haben in Perouse einen ehemaligen Hof reaktiviert und 2021 eine Genossenschaft gegründet. Initiatoren für diese Form der Landwirtschaft sind Anna Eisenhardt aus Rutesheim und Heinrich Langer aus Leonberg. Das Paar hatte von 2016 an vier Jahre lang die Welt bereist und kehrte mit dem Vorsatz zurück, etwas Sinnvolles auf die Beine zu stellen. Die Idee der Solawi ist während der Reise gewachsen, die sie etwas früher als geplant 2020 wegen Corona abbrechen mussten. „Wir hatten ohnehin vor, wieder zurückzukommen, aber etwas später“, sagt Anna Eisenhardt, die in der Ludwigsburger Klinik als Kinderärztin arbeitet und in der Solawi ein Teil des Organisationsteams ist. Heinrich Langer hingegen hat seinen vor der Weltreise ausgeübten Beruf als Unternehmensberater aufgegeben und ist nun in Vollzeit bei der Solawi als Projektmanager angestellt.

Janica Muth ist die neue Gärtnerin, die ihre Ausbildung auf einem Demeterhof abgeschlossen hat und eine neue Herausforderung suchte. Ihr Vorgänger Mathias John hat einen anderen Hof übernommen. Johanna Fuoß arbeitet seit April dieses Jahres bei der Solawi in Teilzeit als Gärtnerin. Beide nutzen das schöne Wetter, um die erste Ernte in dieser Woche einzubringen – die letzten Blumenkohl-Köpfe in dieser Saison. Was biologisch angebaut wird, liegt jeden Freitag zwischen 15 Uhr und 18 Uhr frisch für die mittlerweile 90 Ernteteilenden an den Verteilpunkten in Perouse, Leonberg, Renningen und Gerlingen bereit. Dort werden die entsprechenden Anteile von den Solawi-Mitgliedern abgeholt. Für ihre Anteile zahlen die Ernteteilenden aktuell 84 Euro im Monat und können damit einen Haushalt mit zwei bis vier Personen mit frischem Gemüse versorgen. „Die Menge hängt natürlich von der aktuellen Ernte ab“, sagt Eisenhardt. „Manche waren auch schon mal skeptisch, als sie in die Kisten schauten und regionales Gemüse wie schwarzen Rettich oder Mairübchen drin fanden. Da muss man in der Küche schon mal offen für neue Rezepte sein.“ Kartoffeln werden regelmäßig vom Heimerdinger Biohof Grieshaber&Schmid zugekauft.

Neue Mitglieder sind willkommen

Das Ziel der Solawi Perouse ist es , irgendwann 300 Haushalte zu versorgen. Neue Mitglieder seien in der Genossenschaft daher willkommen. „Derzeit haben wir 140 Mitglieder, manche wollen die Ernte nicht teilen, finden das Projekt aber so gut, dass sie uns mit dem Jahresbeitrag von 24 Euro unterstützen“, sagt Anna Eisenhardt. Zwar sei die Solawi von Energiequellen wie Gas oder Erdöl nicht abhängig. „Doch die Inflation und die steigenden Lohnkosten betreffen uns auch, daher müssen wir den monatlichen Beitrag demnächst auch erhöhen.“ Doch selbst dann würden sie mit den Bioprodukten in den Supermärkten preislich mithalten können. Eine kleinbäuerliche Solawi sei durch regionalen, ökologisch nachhaltigen Anbau weniger als die industrielle Landwirtschaft von internationalen Märkten, Lieferketten und damit verbundenen Problemen betroffen. „Solawis sind unabhängiger von den am Markt gestiegenen Preisen, da sie lokaler wirtschaften, die Wertschöpfung in der Region erfolgt und in der aktuellen Situation auch unabhängiger von gas-intensiven Zusätzen sind.“, so Eisenhardt. So zeige die Solawi also einen hohen Grad an Resilienz und trage zur Stabilität in der Landwirtschaft sowie zu einer Ernährungssouveränität in der Region bei. „Und unsere Produkte sind weitaus frischer und daher auch haltbarer. Einen Salat kann man schon mal zwei Wochen im Kühlschrank lagern.“

Solawis wünschen sich eine Wasserleitung

Was den Solawis noch fehle, sei eine eigene Wasserleitung. „Im Sommer haben wir Unterstützung vom angrenzenden CVJM-Heim bekommen, sonst wären wir bei diesen hohen Temperaturen nicht über die Runden gekommen. „Derzeit liegt unser Antrag, eine feste Wasserleitung verlegen zu dürfen, im im Rathaus.“ Eisenhardt hofft auf einen positiven Bescheid.

Weitere Informationen im Internet unter www.solawiheckengaeu.de