Thomas Nuding und Olaf Oehmichen berichten von ihrer Arbeit als Seenotretter.

Weil der Stadt - Es herrscht drangvolle Enge auf dem kleinen Schlauchboot weit draußen auf dem Mittelmeer, und als sich das Rettungsschiff „Iuventa“ nähert, springen einzelne Menschen über Bord oder fallen in Panik ins Wasser. Helfende Hände werden ausgestreckt, erschöpfte Menschen auf das Rettungsschiff gezogen.

 

Solche Szenen sind in der trotz Schneesturms voll besetzten „Kulisse“ in dem Dokumentarfilm „Iuventa“ von Michele Cinque in drastischer Genauigkeit zu sehen. Für die Geflüchteten – „ich wusste nicht, dass das Meer so groß ist“ – ist es das glückliche Ende einer langen gefährlichen Reise. Sie ahnen nicht, dass das erst der Anfang ist, und auch nicht alle an Bord überleben.

Mehr als 14 000 Menschen wurden gerettet

Eingebettet ist der Film in die Erfahrungsberichte von Einsatzleiter Thomas Nuding und Crewmitglied Olaf Oehmichen von der „Sea-Eye“ über den zunehmenden politischen Druck auf die Rettungsmissionen.

Der Film „Iuventa“ erzählt vom Netzwerk junger Europäer „Jugend rettet“, das 2015 gemeinsam ein Schiff gekauft und im zentralen Mittelmeer bis 2017 in fünfzehn Missionen über 14 000 geflüchtete Menschen aus Seenot vor dem Ertrinken gerettet hat.

Im August 2017 wurde das Schiff beschlagnahmt, darf seither nicht mehr auslaufen, und die italienische Staatsanwaltschaft ermittelt gegen einzelne Crewmitglieder.

„Europa hat’s verbockt“

Die Filmvorführung, gemeinsam von der Seebrücke Kreis Böblingen und dem AK Asyl Weil der Stadt organisiert, zeigt schonungslos, dass es hier um Leben oder Tod geht. Aber es gibt auch Szenen über Gespräche an Bord: Lebensträume von einer Ausbildung oder auch einer Begegnung mit dem Papst.

Das Publikum interessiert, was die beiden Seenotretter als mögliche Perspektive sehen. „Die Fluchtursachen bekämpfen. Europa hat’s verbockt: Seit der kolonialen Vergangenheit nutzen wir Afrika zur Ressourcen-Gewinnung und Abfallentsorgung“, erklärt Thomas Nuding. Es müsse zu einer „automatischen Verteilung“ der Geflüchteten in Europa kommen, und die Seenotrettung dürfe nicht kriminalisiert werden.

„Politischen Druck ausüben“

Was der einzelne Bürger tun könne, will ein Zuhörer wissen. „Politischen Druck ausüben“, am 26. Mai seien EU-Wahlen. Rechtzeitig vor diesem Termin werde eine Segelyacht-Flotte von zehn kleineren Booten zur Seenotrettung auslaufen und damit auch in der Öffentlichkeit präsent sein.

Und wie wird man Einsatzleiter auf einem Rettungsschiff? Thomas Nuding, im richtigen Leben selbstständiger Heizungsbauer, räumt im persönlichen Gespräch ein, dass er ursprünglich nur einen Sportbootführerschein hatte und dass wohl auch eine Portion Abenteuerlust mit im Spiel war.

Inzwischen sieht er eine moralische Verpflichtung, angesichts der „unsichtbaren Mauer“ um Europa, die Werte des Grundgesetzes und des UN-Völkerrechts zu verteidigen, womit er inzwischen „immer mit einem Fuß im Gefängnis“ stehe: „Digitalisierung, Diesel und Künstliche Intelligenz sind doch Luxusprobleme – unsere zwei existenziellen Probleme sind die Migration und der Klimawandel!“