Will man ein Neubaugebiet erschließen, ist Ausgleich fällig. Auch dafür gehen Flächen verloren.

Weil der Stadt - Irgendwann platzt David Götz der Kragen. „Es kann nicht sein, dass Wiesen, die ordentlich wachsen, künstlich zu Trockenland umgewandelt werden“, wettert der CDU-Stadtrat am Dienstagabend im Rathaus. „Es wird doch schon genügend landwirtschaftliche Fläche entnommen – das ist keine Ökologie, das ist Zerstörung der Natur!“

 

Es geht in der Gemeinderatssitzung um das Neubaugebiet „Schwarzwaldstraße“ vor Merklingen. Und es geht um einen Grundsatzkonflikt, der bei der Erschließung solcher Projekte immer auftritt. Denn wenn dort die Bagger anrücken, verliert die Natur und die Landwirtschaft 2,8 Hektar an Fläche. Gleichzeitig schreiben die Naturschutzgesetze vor, dass die verloren gegangene Natur an anderer Stelle ausgeglichen werden muss – und auch dadurch verliert die Landwirtschaft Flächen, wie am Dienstag bekannt geworden ist. Nördlich von Schafhausen will die Stadt nun mehrere landwirtschaftlich genutzte Wiesen in magere Flachland-Mähwiesen umwandeln.

Ohne Ausgleich kein Neubaugebiet

David Götz, selbst Landwirt in Schafhausen, ist empört. „Ich bitte Sie, dem nicht zuzustimmen“, ruft er seine Mit-Gemeinderäte auf. Wo derzeit noch saftiges Vieh-Futter wächst, entstünde dann „unbrauchbares Zeug“. Thomas Hauptmann vom Büro „Plan Landschaft“ aus Nürtingen, der den Umweltbericht zur „Schwarzwaldstraße“ erstellt hatte, weist allerdings auf das Dilemma hin. „Wenn Sie den Ausgleich nicht schaffen, dann wird es dieses Neubaugebiet nicht geben“, sagt er. Man habe bereits Rücksicht auf die Belange der Landwirtschaft genommen und keine Ackerflächen als Ausgleich vorgesehen.

Seit April 2016 plant die Stadt an dem Neubaugebiet Schwarzwaldstraße. Am Dienstag nun hatte der Gemeinderat einen Knopf unter die Sache machen und den Bebauungsplan beschließen wollen. Der Streit um die Landwirtschaft und der Einwurf von David Götz machte dem allerdings einen Strich durch die Rechnung. Warum, so fragten sich einige, hat man das Thema nicht schon viel früher besprochen?

Schreiber: Auf vier Wochen kommt es nicht an

Das liegt am Stuttgarter Regierungspräsidium und der dortigen „Oberen Naturschutzbehörde“. Eigentlich war als Ausgleich nämlich der Hang neben dem Neubaugebiet vorgesehen. Dort wollte die Stadt Bäume pflanzen und ebenfalls Wiesen naturschutzgemäß aufwerten. „Kurz vor knapp hat uns das Regierungspräsidium vergangene Woche mitgeteilt, dass man damit nicht einverstanden sei“, berichtet der Beigeordnete Jürgen Katz. Hektisch habe man andere Flächen gesucht und sei auf Schafhausen gestoßen.

Noch während der Gemeinderatssitzung zog der Bürgermeister die Konsequenzen. „Jetzt kommt es auf vier Wochen nicht an“, sagte Thilo Schreiber und beauftragte seinen Beigeordneten, sich mit den Landwirten zusammenzusetzen. Gemeinsam wollen sie andere Flächen finden. 1,7 Hektar bewirtschaftete Wiesen sind es, die man braucht, um sie in magere Flachland-Mähwiesen umzuwandeln.

Was sind magere Flachland-Mähwiesen?

Geschützt
Die Fläche, auf dem das Neubaugebiet „Schwarzwaldstraße“ entstehen soll, besteht aus sogenannten „magere Flachland-Mähwiesen“. Das sind artenreiche und wenig gedüngte Wiesen, die nur ein- bis zweimal im Jahr gemäht werden. Der Laie erkennt sie daran, dass viele, bunte Blüten aus den Wiesen wachsen. Sie hätten eine „europaweit herausragende Bedeutung“, sagt die „Landesanstalt für Umwelt Baden-Württemberg“. Vor allem in Südwestdeutschland kämen sie vor.

Tiere Der Nabu weist darauf hin, dass Fläche und Zahl der Mähwiesen abnimmt: „Sie bieten besonders für Schmetterlinge ein blumiges Paradies.“ Bläulinge wie der Große Feuerfalter und der Helle Wiesenknopf-Ameisen-Bläuling finden hier Lebensraum und Nahrung. Die Feldlerche fühlt sich zwischen Glockenblume und Glatthafer ebenso wohl wie Wachtelkönig und Grauammer.