Dass sie selbst einmal einen so genannten Schockanruf bekommen würde, hätte eine 69-Jährige aus Rutesheim nicht für möglich gehalten.

Rutesheim - Mit Schockanrufen sorgen immer wieder Betrüger – zuletzt auch im Altkreis Leonberg – für Aufregung. Sie geben sich am Telefon für Polizisten oder Ärzte aus, berichten auf dramatische Weise ihren Opfern von einem nahem Verwandten, der angeblich einen Unfall verursacht hat, bei dem ein Mensch ums Leben gekommen sei. Um sich da „frei zu kaufen“, brauche dieser Verwandte dringend Geld. Dabei arbeiten die Betrüger mit fiesen emotionalen Tricks.

 

Schon oft darüber geredet

Schon oft hat sich die Rutesheimerin Monika P. – sie wird nicht mit ihrem richtige Namen genannt, dieser ist der Redaktion aber bekannt – mit Freunden oder Verwandten über solche Betrugsmaschen unterhalten. Und sie hätte nie geglaubt, dass sie das einmal selbst erleben, und sich dann tatsächlich zwei Tage lang von diesem negativen Erlebnis erholen müsste. „Ich bin geistig fit, habe eine Familie, viele Kontakte, war viele Jahre in der Jugendarbeit tätig sowie ehrenamtlich in einem Pflegeheim“, sagt die 69-Jährige, die während ihrer Berufszeit als Sekretärin gearbeitet hat.

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Gleich vorweg: Geld haben die Betrüger von Monika P. nicht bekommen, weil sie rechtzeitig den Hörer aufgelegt hat – bevor es zu finanziellen Forderungen kam. Doch im Nachhinein wurde der Mutter von zwei erwachsenen Kindern klar, wie die Betrüger ihre Opfer emotional in die Enge treiben. „Wenn es dem eigenen Kind scheinbar schlecht geht, da kriegt man als Mutter keine Luft mehr und tut in der Regel alles, um ihm zu helfen.“ Bei der Seniorin spielte ihre eigene familiäre Situation fast den Tätern in die Karten. „Wir hatten zuletzt einige Krankheitsfälle, da denkt man ganz spontan – nicht auch noch die Tochter.“

Herzzerreißendes Schluchzen

Ihre verheiratete Tochter, die ebenfalls in Rutesheim wohnt, macht in der Regel morgens Homeoffice und fährt zur Mittagszeit mit ihrem Auto zu ihrer Arbeitsstelle nach Leonberg. Und genau in dieser Zeitspanne, zehn Minuten vor zwölf, klingelt bei der Mutter das Telefon. Am anderen Ende meldet sich eine scheinbare Polizeihauptkommissarin aus Pforzheim mit Namen und sagt: „Einen Moment bitte!“

Dann folgt ein Einspieler – das herzzerreißende Schluchzen fährt Monika P. durch Mark und Bein: „Mama, ich hab‘ die Radfahrerin nicht gesehen...“ Die Mutter spricht ihre Tochter mit dem Namen an und fragt wo sie sei. „In diesem Schockmoment zweifelt man erst einmal keine Sekunde, ob es die Stimme der Tochter ist, sondern will erfahren, was passiert ist.“, sagt die Rutesheimerin.

Falsche Polizistin fragt Daten ab

Eine Antwort bekommt sie nicht, denn die „Polizeihauptkommissarin“ ist wieder in der Leitung und berichtet von einem tödlichen Unfall, den die Tochter der Rentnerin verursacht habe. Dabei sei die Mutter eines Säuglings ums Leben gekommen. Das Telefon-Opfer hat keine Möglichkeit, Fragen zu stellen. Zuerst müsse man „aus Datenschutzgründen“ Persönliches abfragen: Name, Name des Mannes, Adresse, das Geburtsjahr. Die Seniorin gibt Auskunft, weil sie endlich mehr über ihre Tochter erfahren möchte.

Sie kommt allerdings auch langsam ins Grübeln, weil die Betrügerin etwas vom Polizeipräsidium Pforzheim spricht. „Wir gehören ja bekanntlich zu Ludwigsburg.“ Und davon, dass die Tochter zweimal wöchentlich in Heidelberg vorstellig werden muss. „So langsam schoss es mir wie ein Blitz durch den Kopf, hier wird eine Geldforderung kommen“, sagt Monika P.

Der Tochter geht es gut

Zwischenzeitlich hat die Rutesheimerin das Gespräch auf „Lautsprecher“ gestellt, sodass ihr Mann auch mithören kann. Der gibt ihr sofort das Zeichen, aufzulegen und dann unter der Rufnummer 110 die Polizei zu informieren. Währenddessen kontaktiert er die Tochter, fragt, wo sie sei und ob es ihr gehe. Diese bejaht alles und erfährt am Abend, was passiert war.

Die örtliche Polizei versichert Monika P., alles richtig gemacht zu haben. „Und genieren Sie sich nicht, es öffentlich zu machen, damit viele informiert und gewarnt werden“, raten die Beamten. Auch bekommt Monika P. den Tipp, Angaben des eigenen Telefonbucheintrags auf das Minimum zu reduzieren. „Die suchen einfach dort ihre Opfer aus, manchmal haben sie Glück, manchmal nicht.“ Den Tätern auf die Spur zu kommen, sei allerdings wie die Suche nach einer Nadel im Heuhaufen.

Tipps der Polizei: So verhalten Sie sich richtig

Auflegen
Lassen Sie sich nicht unter Druck setzen. Legen Sie den Hörer

auf, wenn Ihnen etwas merkwürdig erscheint.

Nichts preisgeben
Sprechen Sie am Telefon nicht über Ihre persönlichen und

finanziellen Verhältnisse.

Nachfragen
Wenn ein Anrufer Geld oder andere Wertsachen fordert: Besprechen Sie dies mit Familienangehörigen oder anderen Ihnen nahe stehende Personen. Legen Sie auf und kontaktieren Sie die Person, die angeblich dringend Geld braucht.

Nichts übergeben
Übergeben Sie niemals Geld oder Wertgegenstände an Ihnen unbekannte Personen. Die Polizei oder ein Staatsanwalt wird Sie niemals um Geldbeträge oder andere Wertgegenstände bitten.

Wenn Sie unsicher sind
Rufen Sie die Polizei unter der 110 an.

Weitere Informationen
Im Internet auf www.polizei-beratung.de/themen-und-tipps/betrug/