Die Schlammbrüder errichten ein Bienenhotel auf der Blumenwiese beim neuen Rathaus.

Leonberg - Jeder Handgriff ist Routine. Die Schlammbrüder Theobald Fischer, Dietrich Trachte, Wilfried Geier und Kurt Mark haben inzwischen richtig Erfahrung, wenn es darum geht, ein „Wildbienenhotel“ aufzubauen und für die geflügelten Gäste einzurichten. Gegenwärtig werkeln sie auf der Blumenwiese am Südeingang des neuen Rathauses.

 

Mit seiner Anfrage, ob sich die Umweltschützer auch hier eine Nisthilfe für Wildbienen vorstellen könnten, hat Holger Pullwitt vom Tiefbauamt bei den Schlammbrüdern offene Türen eingerannt. Den Wildbienenschutz betreiben sie seit mehr als 20 Jahren, also schon lange bevor das Thema Wildbienen aufkam und das Problem ihrer Abnahme der Bevölkerung bewusst wurde. „Der Schutz begann mit dem Aufhängen von Hölzern in den Biotopen, die mit Bohrungen von zwei bis neun Millimeter Durchmesser versehen wurden. Sie stellen für die Wildbienen die für ihre Brutzellen benötigten Gänge“, sagt Michael Kast von der Umweltgruppe des Eltinger Bürgervereins.

Foto: factum
In regelmäßigen Abständen wurden diese Hölzer durch neue ersetzt, bis man dazu überging, große Wildbienenhäuser, sogenannte „Wildbienenhotels“, zu errichten. Diese wurden jeweils mit etwa 100 Strangfalzziegeln bestückt, deren Acht-Millimeter-Bohrungen ideale Brutröhren für die Gehörnte Rote Mauerbiene darstellen. Die Besonderheit dieser Dachziegel, die heute nicht mehr produziert werden, ist, dass sie von langen Röhren durchzogen sind. Das hat das Gewicht verringert und war gut für die Isolation. Der Bestand der Schlammbrüder stammt vom Dach eines alten Eltinger Hauses, das abgerissen wurde.

Teile des Bienenhotels sind auch Hölzer, die je mit einigen hundert Bohrungen versehen sind. Mit diesen sehr aufwendig, meistens in mehr als 150 Arbeitsstunden hergestellten Wildbienenhäusern, sind im Laufe der Jahre alle Biotope der Schlammbrüder ausgestattet worden. Auch außerhalb der Biotope findet man sie: im Tiefenbachbiotop, der Girshalde, an der Steig am Fußweg zur Feinau, im Feuchtbiotop Unter Laiern, beim ehemaligen Jägerhäusle und am Eltinger Blick. „Sie stellen damit wegen ihrer räumlichen Nähe eine Biotopvernetzung dar, wie sie von den Biologen gefordert wird, damit der gegenseitige Austausch eine Verinselung der Populationen und damit eine genetische Verarmung verhindert“, erläutert Kast. „Für die Schlammbrüder ist das ein alter Hut“, sagt der Naturschützer.

verpuppt in den Zellen den Winter überdauern und auf ihre Flugzeit im Frühjahr warten, freuen sich die Eltinger Umweltschützer.

Neben dem Rathausplatz wurde auch eine arten- und blütenreiche Blumenwiese angelegt. Was lag also näher, als auch dort ein Wildbienenhaus einzurichten. Allerdings entspricht das neue Hotel nicht ganz seinen Vorgängern in den Biotopen. Da die übliche Deckung mit Dachziegeln optisch nicht mit den Materialien am neuen Rathaus harmoniert, wurde das Dach stattdessen mit Schindeln aus Roter Kanadischer Zeder gedeckt. „Die hatte zum Glück der Eltinger Zimmermeister Jürgen Ziegler vorrätig“, sagt Kast. Das sei zwar aufwendige und komplizierte Dachbedeckung, aber eine optisch ansprechende Lösung, finden die Schlammbrüder.

Wildbienen sind die beste Bestäubergruppe unter den Insekten

Es gibt hierzulande etwa 450 Wildbienenarten. Sie leben im Gegensatz zu den Honigbienen solitär, mit Ausnahme der etwa 25 Hummelarten, die auch als Wildbienen gelten. Die Wildbienen legen Zellen in Hohlräumen an, die sie jeweils mit einem Ei- und Futtervorrat aus Pollen und Nektar für die schlüpfende Larve bestücken. Dazu wird ein Gang horizontal oder vertikal in die Erde gegraben. Sie können auch im Mark von Pflanzenstängeln, hohlen Halmen, Holzlöchern von Käfern, selbst gebohrten Holzgängen und Steinritzen liegen. Selbst leere Schneckenhäuser dienen ihnen als Brutzelle.

Wildbienen bilden die beste Bestäubergruppe. Von den etwa 150 Nutzpflanzen in Europa sind 70 auf die Bestäubung von Insekten angewiesen. Der jährliche wirtschaftliche Nutzen wird in Europa auf 500 Milliarden Euro geschätzt.