Welche Rolle spielt Landwirtschaftsminister Peter Hauk (CDU) im Skandal um den Schlachthof Gärtringen? Das fragen sich viele.

Gärtringen - Warum hat Roland Bernhard nicht schon früher härter durchgegriffen? Diese kritische Frage muss sich der Landrat des Kreises Böblingen in diesen Tagen öfter anhören. Mit Verfügung vom 4. September hat er Schlachtungen in Gärtringen untersagt. Damit zog er die härtest möglichen Konsequenzen aus den Video-Veröffentlichungen des Vereins „Soko Tierschutz“. Bernhard tat dies aber eben erst nach den entsprechenden Medien-Berichten. Und nicht, weil seine eigene, eigentlich zuständige Veterinär-Abteilung die Tierquälereien festgestellt hatte.

 

Jetzt aber will der Landrat offenbar in die Offensive gehen. An diesem Dienstag berät der Verwaltungs- und Finanzausschuss des Kreistags über den Schlachthof, und die Sitzungsvorlage wirft ein etwas anderes Bild auf die Geschehnisse: Und da kommt der zuständige Landesminister Peter Hauk (CDU) ins Spiel.

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Im Januar hatte Bernhards Veterinär-Behörde angeordnet, die Betäubungs-Anlage der Schweineschlachtung auszutauschen. Gegen diese Anordnung legte der Schlachthof-Geschäftsführer Wilhelm Dengler Widerspruch ein, den das Regierungspräsidium aber zurückwies und die Anordnung für rechtmäßig erklärte.

Am 4. März drohte das Landratsamt mit einem Zwangsgeld, am 16. März verschickte es den Gebührenbescheid. Zweimal 2000 Euro sollte der Schlachthof zahlen, wenn sie bei der Betäubung nicht endlich nachbessert. Weitere 12 000 Euro wurden angedroht. Am 25. März ordnete das Landratsamt noch mehr Zwangsgeld an, wegen Mängel im Anlieferungsbereich und fehlenden Standardarbeitsanweisungen. Und dann wird es kurios: „Auf Bitte des Ministeriums für Ländlichen Raum und Verbraucherschutz“, schreibt Landrat Roland Bernhard in der Sitzungsvorlage, setzte das Regierungspräsidium am 6. April das Zwangsgeld „bis auf Weiteres“ aus.

Soll heißen: Der Landrat wollte konsequent sein, aber Landwirtschaftsminister Peter Hauk fuhr ihm in die Parade und verhinderte die Durchsetzung von Recht und Tierschutz. Damit rückt der Minister ein weiteres Mal ins Zentrum des Schlachthof-Skandals.

Nach Besuch wird das Zwangsgeld kassiert

Ob der Minister wirklich ein Aufklärer sei, hinterfragte unsere Zeitung schon am 3. September, in der Woche nach Veröffentlichung der Soko-Videos. In die damals aufgezeigte Chronologie passen auch die jetzt öffentlich gewordenen Vorgänge. Zum Beispiel in Sachen Wilhelm Dengler. Er ist nicht nur Geschäftsführer des Schlachthofs, sondern auch CDU-Politiker und in seinem Heimatort Jettingen Vorsitzender des CDU-Arbeitskreises Landwirtschaft. Als solcher empfängt Dengler seinen CDU-Parteifreund Peter Hauk am 29. Januar in Jettingen zu einem Fachgespräch mit 60 Landwirten. Ob Dengler dabei auch seine Schwierigkeiten mit dem örtlichen Landratsamt anspricht?

Der Minister will sich offenbar selbst ein Bild machen und besucht am 10. Februar die Genossenschaft Gärtringen und deren Schlachthof. Man bleibt in Kontakt. Und nur wenig später kassiert das Regierungspräsidium – eine Behörde, die direkt der Landesregierung untersteht und damit Minister-Vorgaben umzusetzen hat – das Zwangsgeld des örtlichen Landrats.

Ministerium ordnet Aussetzung des Zwangsgeldes an

Auf Nachfrage unserer Zeitung bestätigt Peter Hauks Sprecher Jürgen Wippel, dass das Ministerium angeordnet hat, das Zwangsgeld auszusetzen – nicht aufzuheben. Als Begründung nennt er die Corona-Pandemie. Gerade während des Shutdown habe der Betrieb in der Lebensmittel-Lieferkette eine wichtige Rolle gespielt.

„Im Frühjahr waren den Behörden keine Umstände im Schlachthof Gärtringen bekannt, wie sie das Ende August/Anfang September von der Soko Tierschutz in Teilen veröffentlichte Filmmaterial zeigen“, teilt Wippel mit. Auch wegen der generellen Bedeutung regionaler Schlachtstätten für den Tierschutz, für die Tierhaltung in der Region und für das regionale Metzgerhandwerk habe man das Zwangsgeld ausgesetzt.

Jürgen Wippel bestätigt, dass sich der Minister persönlich um den Gärtringer Schlachthof und das angesetzte Zwangsgeld gekümmert hat. „Dieses Gesamtvorgehen wurde von Herrn Minister Hauk nach interner Beratung vorgeschlagen und durch die zuständigen Behörden verfügt“, sagt sein Sprecher. „Damit verbunden war die dringende Aufforderung an den Betreiber des Schlachthofs, eine Konzeption vorzulegen, wie und wann die angeordneten Maßnahmen umgesetzt werden sollen.“ Hauk lässt ausrichten, dass am 10. Februar, bei seinem Gärtringer Besuch, weder die Tierschutzverstöße noch das Zwangsgeld bekannt gewesen seien, deshalb „war das auch nicht Gegenstand der Gespräche“.

Unterschiedliche Aufklärungs-Philosophien

Bei dem Minister und dem Landrat treffen offenbar zwei Aufklärungs-Philosophien aufeinander. Roland Bernhard wollte den harten Kurs fahren, während Peter Hauk auf Verständnis und Kooperation setzt. So wird klarer und verständlicher, warum Bernhard seinerseits nicht lange zögert und Anfang September, nach den Video-Veröffentlichungen, den Schnitt setzt und die Schließung anordnet – ein Schritt, den niemand erwartet hatte.

„Die Schließung des Schlachthofes fällt in die Zuständigkeit des Landratsamts“, sagt Ministeriumssprecher Jürgen Wippel dazu nur knapp. „Ziel muss es aus unserer Sicht sein, den für die regionale Schlachtung wichtigen Schlachthof Gärtringen bald möglichst wieder zu öffnen.“ Grundlage dafür sei eine konstruktive Zusammenarbeit zwischen dem Schlachthofbetreiber und dem Landratsamt. „Nach unseren Informationen ist dieser Umstand gegeben“, teilt Wippel mit. Natürlich lasse man sich über das Vorgehen regelmäßig informieren.

Wie es mit dem Schlachthof weitergeht, will Landrat Bernhard heute Nachmittag mit den Kreisräten diskutieren.