Im Heckengäu werden 22 Lämmer von der Weide gestohlen. Das hätte vermieden werden können, sagen die Schäfer – wenn es denn einen größeren Stall gegeben hätte. Der Bau eines solchen ist aber leichter gesagt, als getan.

Heimsheim/Friolzheim - Mit großen Schritten geht Dirk Riedl einige Meter nahe seines Stalls auf dem Betzenbuckel im Enzkreis ab. „Bis hierher, das würde schon reichen“, beteuert er und dreht sich wieder in Richtung seiner vielleicht zehn Meter entfernten Scheune. Zwischen ihm und dem Gebäude liegen Schotter, Schlamm und ein bisschen Gras. Die passende Fläche für eine neue, zweite Scheune, findet Riedl.

 

Eine neue Scheune, die hat für Riedl im vergangenen Monat noch mehr an Dringlichkeit gewonnen. Anfang Mai wurden ihm 22 Lämmer von einer Weide gestohlen. Der Schaden: 3500 Euro. In einem potenziellen neuen Stall hätten die Lämmer untergebracht, der Diebstahl vermieden werden können.

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Erste Pläne für den Stall gibt es bereits: 350 Schafe könnte er beherbergen, er könnte heller und damit artgerechter sein. Auch die Finanzierung steht schon. 70 Prozent des Baus können mit EU-Geldern finanziert werden, die restlichen 30 000 Euro möchten sich die Gemeinden Friolzheim und Heimsheim teilen.

Der Plan ist da, der Bau aber leichter gesagt als getan. Denn: Die Fläche liegt mitten in einem FFH-Gebiet, einem Naturschutzgebiet nach Europäischem Recht.

Schafe und Heide sind in Symbiose

Seit mehr als 20 Jahren schlagen Schäfer Dirk Riedl und sein Mann Torsten Steidel, mit dem er seine Schäferei betreibt, ihr Sommerlager auf dem Betzenbuckel in der Nähe von Heimsheim auf. Dass die Schafe in und um das Naturschutzgebiet grasen, ist essenziell für die ökologische Balance der Landschaft. „Die Schafe fressen den Magerrasen ab und halten ihn kurz“, erklärt Torsten Steidel. „Dadurch können sich artengeschützte Pflanzen und Bodenbrüter besser ansiedeln.“ Ohne die Schafe würde das Naturschutzgebiet verwuchern. Schwarzdorn und Schlehen würden dann Pflanzen wie den Wacholder zurückdrängen.

„In den 80er-Jahren gab es hier noch viele kleine Privatflächen und Gelände von Bauern“, erinnert sich Steidel. „Das ist nach und nach alles zum Naturschutzgebiet hinzugekommen.“ Wo der alte Schäfer, der hier vorher aktiv war, noch eine Fläche von 30 Hektar pflegen musste, sind es jetzt 90 Hektar. Mehr Fläche, das bedeutet auch mehr Schafe. Mehr als 700 Tiere zählt die Herde von Steidel und Riedl inzwischen. Ein Großteil davon muss draußen übernachten, weil der alte Stall zu klein geworden ist.

RP verweist auf Naturschutzverordnung

Wegen der Lage im Naturschutzgebiet, ist das Regierungspräsidium (RP) in Karlsruhe zuständig und muss im Falle eines Neubaus eine eventuelle Befreiung von der sogenannten Naturschutzgebietsverordnung prüfen. Bereits 2013 hätten er und sein Mann die Notwendigkeit eines neuen Stalls beim Regierungspräsidium angesprochen, erinnert sich Steidel. „Seitdem geht das hin und her. Da wird nur blockiert.“ Auch Dirk Riedl ist sichtlich unzufrieden mit der Situation: „Es gab Begehungen, Begehungen“, sagt er. „Alles für die Katz.“

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Aus der Sicht des Regierungspräsidiums ist die Fläche direkt neben dem existierenden Stall gänzlich ungeeignet: „Dem Wunsch, den Stall am jetzigen Standort zu vergrößern, konnte aus Sicht der höheren Naturschutzbehörde jedoch nicht entsprochen werden, da sich dort europarechtlich geschützte Lebensräume befinden. Eine Befreiung von der Naturschutzgebietsverordnung ist daher nicht möglich“, heißt es in einer Stellungnahme. Nachvollziehen können die beiden Schäfer das nicht. Denn der Blick auf die Fläche, auf der der neue Stall entstehen soll, offenbart auf den ersten Blick wenig schützenswerte Vegetation. „Das ist Wirtschafts- und Arbeitsfläche“, findet Riedl. „Da läuft höchstens mal ein Käfer drüber.“

Alternativvorschlag für Schäfer ungeeignet

Wie wichtig die Schäferei für die Landschaft ist, das sieht auch das Regierungspräsidium ein. Sie leiste einen wichtigen Beitrag, um die Kulturlandschaft und die besonders schutzwürdigen Magerrasen im Naturschutzgebiet Betzenbuckel zu erhalten, heißt es aus Karlsruhe. Deshalb möchte das Regierungspräsidium die Erweiterung der Schäferei unterstützen – „im Rahmen seiner Möglichkeiten“. Man habe deshalb gemeinsam mit dem Landkreis und den Kommunen Heimsheim und Friolzheim bereits 2018 ein mögliches Ersatzgrundstück ausfindig gemacht. „Da der Eigentümer jedoch verstorben ist, stehen hier noch Klärungen des Nachlassgerichtes aus, die die Projektrealisierung bisher verhindert haben“, so das RP.

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Als Ersatz ist dieses Grundstück aber ungeeignet, findet Torsten Steidel. „Es ist viel zu klein“, betont er. Außerdem sei das Grundstück von den Flächen anderer Bauern umgeben, es gebe deshalb keinen richtigen Zugang. „Wir müssen da ja auch mit dem Schlepper drauf, etwa zum Transport des Futters.“

Politik schaltet sich ein

Rückenwind im Konflikt um den Neubau des Stall haben Riedl und Steidel inzwischen auch aus der Politik: Das Kreistagsmitglied Bernd Kauffmann (Grüne) aus Heimsheims macht sich stark für die Schäfer, hat außerdem die Landtagsabgeordnete Stefanie Seemann und die Bundestagskandidatin Stephanie Aeffner mit ins Boot geholt. Sie möchten das Thema jetzt mitnehmen und selbst einmal beim RP nachhaken. „Ich hoffe, dass das endlich Wind in die Sache bringt“, sagt Steidel über das Interesse vonseiten der Politik. Wenn nichts passiert, das fürchtet er, würde das Geschäft rückläufig werden. „Existenzängste“, so Steidel, „die haben wir schon.“