Notdürftig versucht die Stadtverwaltung, den riesigen Sanierungsstau abzuarbeiten. Betroffen sind vor allem die Schulen.

Weil der Stadt - Mit ernstem Blick schaut der Bürgermeister die Gemeinderätin an. Warum, will Sabine Holmgeirsson (Grüne) am Dienstagabend wissen, habe man nicht schon viel früher gehandelt? „Ich glaube, die Stadtverwaltung hechelt immer nur hinterher“, ist sie empört. „Warum werden die Dinge nicht untersucht, bevor eine solche Dringlichkeit eintritt?“

 

Thilo Schreiber kann da nur um Verständnis bitten. „Sie sind neu im Gemeinderat“, antwortet er Holmgeirsson. Er dagegen ist seit sieben Jahren im Amt, kennt die Zustände in der Stadt. Und er widerspricht nicht dem Eindruck, dass er seitdem dem Flickschustern hinterherhechelt. In dieser Woche gab es dafür neue Beispiele. Der Bürgermeister hatte den Gemeinderäten zum ersten Mal berichtet, dass er in den Sommerferien per Eilentscheidung zwei Bau- und Sanierungsmaßnahmen in Auftrag geben musste, um das Nötigste zu retten.

Die eine betrifft das Dach dreier Technikräume, die andere ist ein Auftrag für einen kompletten Klassenzimmer-Anbau für die Heinrich-Steinhöwel-Schule. Projekte in dieser Größenordnung darf eigentlich nur der Gemeinderat genehmigen – es sei denn, die Not ist groß. Und dringend war es offenbar. „Das Flachdach der Technikräume war komplett marode“, berichtet Rainer Ziegler, der Leiter des Gebäudemanagements der Stadtverwaltung. „Wir mussten sofort tätig werden, damit wir die Feuchtigkeit in den Griff bekommen.“ Ziegler spricht von „extremem Schimmelbefall“, der die Verwaltung unter Zugzwang gesetzt habe.

Bürgermeister muss per Eilentscheid Dach sanieren lassen

Noch in den Sommerferien, und ohne die Gemeinderäte informiert zu haben, beauftragte der Beigeordnete Jürgen Katz daher die Ditzinger Firma Schwab, das Dach für 120 000 Euro zu sanieren. Vom Schuljahr 2019/2020 an sollen die Räume wieder zur Verfügung stehen.

In den Sommerferien hatte ein von der Stadt beauftragter Ingenieur das Dach geöffnet und die ganze Bescherung entdeckt. Bekannt aber war das Problem schon länger. „Ich hatte diese undichten Stellen seit Jahren angemahnt“, berichtet Hans Ulrich Sautter unserer Zeitung. Er ist der Rektor der Weil der Städter Realschule, die diese Technikräume nutzt. „Ob es Schimmel ist und inwiefern gesundheitliche Gefahren gegeben waren, kann ich nicht beurteilen, aber Verfärbungen waren deutlich erkennbar.“

Die zweite Eilentscheidung, die im Sommer im Weiler Rathaus getroffen wurde, betrifft ein ungleich größeres Projekt. Nämlich einen Anbau für die Gemeinschaftsschule, in dem ein Klassenzimmer und ein Raum für naturwissenschaftlichen Unterricht unterkommen. Die Räume würden dringend gebraucht und müssten so schnell wie möglich nutzbar sein, erklärte der Bürgermeister. Deshalb habe er dieses Projekt für insgesamt 630 000 Euro im August ohne Gemeinderatsbeschluss in Auftrag gegeben.

Dass es dringend ist, bestätigt Sascha Annette Sauter, die Schulleiterin der Gemeinschaftsschule, auf Nachfrage. „Uns waren die Räume schon für September 2018 versprochen worden“, sagt sie. „Seitdem müssen wir improvisieren.“ Ab Klassenstufe 7 wird in der Gemeinschaftsschule auch Physik und Biologie unterrichtet, ab Klasse 8 Chemie. Deshalb hat die Schule mehr Bedarf an Fachräumen als die frühere Hauptschule.

„Bislang haben wir nur einen naturwissenschaftlichen Raum, um den alle konkurrieren“, berichtet die Rektorin. Viel findet dann eben im Klassenzimmer statt. „Bei Physik geht das einigermaßen, aber Chemieunterricht muss aus Sicherheitsgründen im Fachraum stattfinden.“

Eigentlich hatte die Stadtverwaltung den wachsenden Bedarf der Gemeinschaftsschule schon lange im Blick. Bereits vor drei Jahren begannen die Planungen für den Fachraum. Damals wollte man Container anschaffen, um die Räume in Modulbauweise zu errichten. „Bei der öffentlichen Ausschreibung im März ist aber nur ein Angebot eingegangen“, berichtet der Rutesheimer Architekt Carl Martin, den die Stadt mit den Planungen beauftragt hat. Die Firma habe aber für den Modulbau 511 000 Euro verlangt – das sei unwirtschaftlich und viel zu teuer.

Gemeinschaftsschule braucht dingend einen Physikraum

Auch weitere Ausschreibungen hätten zu keinem Ergebnis geführt. Deshalb entschloss sich Bürgermeister Thilo Schreiber schließlich Mitte August, im Alleingang die Baufirma Stäbler mit einem massiven Rohbau zu beauftragen.

Einigen Gemeinderäten stößt das in ihrer Sitzung am Dienstagabend sauer auf. Hans Dieter Scheerer (FDP) kritisiert, dass damit vorschnell Fakten geschaffen werden. „Dabei gibt es noch nicht einmal eine endgültige Entscheidung, ob wir das Schulzentrum sanieren oder abreißen und neu bauen“, sagt er. Auch die Grüne Sabine Holmgeirsson findet, dass eine Sondersitzung des Gemeinderats gerechtfertigt gewesen wäre. Der Bürgermeister und sein Beigeordneter verteidigen sich. „Wir versuchen gerade, uns einen Überblick über die Sanierungsfälle zu verschaffen“, berichtet der fürs Bauamt zuständige Jürgen Katz. Zum Jahresende könne er dem Gemeinderat eine Liste vorlegen – nur mit den dringendsten fälligen Baustellen. „Und das wird uns dann die kommenden zehn Jahre beschäftigen“, sagt der Beigeordnete. „Im Moment können wir nur die Feuer löschen, die am höchsten brennen.“

Und Thilo Schreiber kündigt an, dass sich der Gemeinderat am Wochenende bei einer Klausurtagung nun mit der lange erwarteten Frage um die Zukunft des Schulzentrums beschäftigen werde.

„Wir sind in der Stadt hinterher“, sagt Schreiber. „Ich weiß seit sieben Jahren, welche Rückstände es hier gibt.“ Als er in Weil der Stadt begonnen hatte, habe es noch nicht einmal eine Abteilung für Gebäudemanagement in der Verwaltung gegeben. Vieles sei in der Vergangenheit vernachlässigt worden, was auch an der klammen Stadtkasse liegt. „Selbst die Pflichtaufgaben übersteigen die Leistungsfähigkeit dieser Stadt“, sagt der Bürgermeister.