Eine überwältigende Anzahl an Menschen hat am Donnerstag Sachspenden für die Ukraine in der ehemaligen Leonberger Post abgegeben. Aber nicht alle Spenden sind auch wirklich hilfreich.

Leonberg - Der Andrang ist so groß, dass bereits zehn Minuten vor offiziellem Beginn der Spendenaktion in der ehemaligen Leonberger Post eine neue Strategie her muss: Für Donnerstagabend hatte die Stadt die Spendensammlung angekündigt, die in Kooperation mit der Sindelfinger Aktion „Helfen statt Hamstern“ vorgenommen wird. Der Plan war solide – eigentlich, so erläutert es Sebastian Küster, der Pressesprecher der Stadt und Organisator der Spendenaktion, sollten jeweils drei Autos vor den Toren der Posthallen vorfahren und ihre Spenden abliefern. Im Inneren der Halle sollte dann weiter sortiert werden.

 

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Um kurz vor 18 Uhr aber die Erkenntnis: Die Spendenbereitschaft ist riesig. Die Autos stauen sich auf der Eltinger Straße. Bepackt mit Tüten und Kartons stehen Menschen Schlange vor der ehemaligen Post. Die Sortiertische im Inneren der Halle sind schnell überladen, die Helfer kommen nicht mehr hinterher. Die „Strategiefrage“ bespricht Küster mit dem Kommandanten der Freiwilligen Feuerwehr, Wolfgang Zimmermann. „Fangen wir an, auch den Platz vollzustellen?“ Die Entscheidung ist schnell gefallen – und auch draußen stapeln sich die Kisten bald meterhoch. Planänderungen werden den Helfern an diesem Abend noch häufiger begegnen. „Bei diesen Massen hätte der beste Plan nicht geholfen“, ist sich Küster sicher.

Hunderte Menschen wollen helfen

Vor wenigen Tagen erst hatte die Stadtverwaltung den Spendenaufruf gestartet und im gleichen Zuge auch nach Freiwilligen gesucht, die beim Sortieren und Verpacken unterstützen. „Gestern und heute hat mein Telefon nicht mehr stillgestanden“, berichtet Küster. Knapp 300 Anrufe habe er bekommen. Nur ein Bruchteil ist am Donnerstagabend tatsächlich in der früheren Post – nicht, weil sie nicht gebraucht werden, sondern schlicht, weil der Platz an den Sortiertischen sonst nicht reicht. „Wir treten uns jetzt schon fast auf die Füße“, sagt Küster. Unter den Helfenden sind auch einige Mitarbeiter aus der Verwaltung, von der Feuerwehr und vom Technischen Hilfswerk.

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Und auch Oberbürgermeister Martin Georg Cohn (SPD) höchstpersönlich packt an. Ausgestattet mit Warnweste ist er an diesem Abend Ordner in der Autoschlange. „Es ist toll, es ist überwältigend“, sagt er zum großen Andrang. Die Menschen in Leonberg würden mit ihrer Spendenbereitschaft ein großes Zeichen der Solidarität setzen. „Der Krieg in der Ukraine ist nicht weit weg“, sagt er. „Aber Europa steht zusammen.“

Nicht jede Spende ist sinnvoll

Eine besondere Herausforderung für die Helfer vor Ort ist vor allem: das Sortieren. Jeder Karton, jede Tüte will durchgeschaut werden, bevor der Inhalt beschriftet und auf Paletten gepackt wird. „Die Menschen an den Grenzen brauchen die Sachen sortiert“, betont Küster. Und auch die Balance macht’s: Bereits einige Stunden vor Beginn der Spendenaktion in der ehemaligen Post hatte die Stadtverwaltung in den sozialen Medien darum gebeten, auf Kleiderspenden zu verzichten und lieber andere Hilfsgüter zu bringen. Bei ähnlichen Aktionen in anderen Kommunen, etwa in Gerlingen, hatte man ebenfalls von der Annahme von Kleidung abgesehen.

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Weil in vielen Fällen die Kartons und Autos wohl schon längst gepackt waren, wird am Donnerstagabend in der ehemaligen Post trotzdem noch Kleidung angenommen. „80 Prozent der Spenden sind Kleidung“, schätzt der Pressesprecher. Und nicht alles davon ist brauchbar: Während in einigen Kisten dicke Wollmäntel schlummern, ziehen die Helfer aus anderen Säcken haufenweise kurze Hosen, Kleider oder Trägertops. Für die Flucht im kalten März reichlich unpassend.

Einige T-Shirts mit dubiosen, gelblichen Flecken landen ebenso in der Tonne wie gebrauchte Hotel-Slipper. Kinderjacken, an denen noch der Schlamm vom Spielplatz klebt, werden notdürftig abgewischt. Trotz aller Freude über die große Hilfsbereitschaft der Leonberger lösen Spenden wie diese Unverständnis bei den freiwilligen Helfern aus. „Wir sind keine Altkleidersammlung“, schreibt die Stadt Leonberg auf Facebook.

Organisatoren rechnen mit geringerem Ansturm am Samstag

Für den kommenden Spendentermin am Samstag gibt es also einen Strategiewechsel: Man wolle ab sofort keine Kleidung mehr annehmen, erklärt Küster. Das heißt nicht, dass Kleiderspenden an der Grenze überhaupt nicht mehr benötigt werden. „Die Kleidungsstücke, die wir haben, kommen auf jeden Fall an“, verspricht er. Man wolle die Lastwagen, die sich auf den Weg nach Polen, Moldawien, Freiburg und Filderstadt machen, aber möglichst gemischt bepacken.

Mit einem Ansturm wie am Donnerstagabend rechnen die Organisatoren am Samstag nicht mehr – weil der Spendenzeitraum größer ist und der Feierabendverkehr wegfällt, hoffen Stadt und Feuerwehr auf einen etwas ruhigeren Ablauf. Ein voller Erfolg war die Aktion am Donnerstag unterdes sicherlich: Mindestens zwei volle Container wurden schon nach Sindelfingen gebracht.

Die Spendenaktion in Leonberg geht weiter

Helfen statt Hamstern
In Leonberg wurden Spenden für die geflüchteten Ukrainerinnen und Ukrainer gesammelt. Die Stadt Leonberg beteiligt sich dabei an der Aktion „Helfen statt Hamstern“ aus Sindelfingen. Die Güter werden an die polnisch-ukrainische Grenze gebracht und außerdem auch nach Freiburg und Filderstadt weiterverteilt, wo in den kommenden Wochen einige Familien aus der Ukraine ankommen sollen.