Anstatt einer Trainingsstrecke für die Schwalbe-Mountainbiker, will der Gemeinderat lieber einen Singletrail.

Leonberg - Eine Mountainbike-Trainingsstrecke im Kammerforst in der Nähe seines Vereinsheims – das kann sich der Radsportverein Schwalbe Leonberg-Eltingen abschminken. Weil das, was Teile des Gemeinderates als Alternative befürworten könnten, meilenweit – auch im wahrsten Sinne des Wortes – weg von den Vorstellungen der Radsportfreunde liegt, ist es nun an Kultur- und Sportamtsleiter Jonas Pirzer auszuloten, wie der Verein mitmachen würde.

 

„Vielleicht machen wir heute einen Knopf an das Thema“, erklärte Leonberger Oberbürgermeister Martin Georg Cohn (SPD) optimistisch in der jüngsten Sitzung des Sozial- und Kultusausschusses. Auf der Tagesordnung stand zu beschließen, ob die Verwaltung die Planung einer Mountainbike-Trainingsstrecke weiter verfolgt und als öffentliche, für jedermann zugängliche Einrichtung betreibt, oder ob man dem Vorhaben eine Absage erteilt. Dazu sollte der Ausschuss eine Empfehlung an den Gemeinderat treffen.

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Doch der Verein will noch mehr. Die Trainingsstrecke für den Mountainbikesport (MTB) wäre die erste Stufe. Die Sanierung und Erweiterung des Vereinsheims die zweite und die Ausrichtung und Durchführung von Radsportveranstaltungen die dritte. Doch die Position des Gemeinderates und der Verwaltung ist deutlich: „Die Stufen zwei und drei sind aus städtebaulicher und baurechtlicher Sicht nicht umsetzbar und werden perspektivisch auch nicht befürwortet.“

Der Leonberger Baubürgermeister Klaus Brenner erklärte: „Wir wollen den Sport stützen, aber auch den Schutz des Waldes und der Natur nicht außen vor lassen.“ Deshalb waren zwei Fachleute in die Sitzung eingeladen – Matthias Link von der Forstbehörde des Landratsamtes und die Stimme der Eltinger Schlammbrüder, der Naturschützer Michael Kast.

Was sagen die Förster?

„Der Mountainbike-Sport gehört zur Gesellschaft und sollte aus der Illegalität herausgeholt werden“, sagte der Forstingenieur Matthias Link. Fahrer, die auf unerlaubten Wegen und illegal angelegten Strecken durch die Wälder brettern, seien für andere und für sich eine Gefahr und für die Natur eine große Belastung.

Der Fachmann, der wohl hinzugezogen wurde, weil die vehementen Bedenken des eigenen Försters – des Leonberger Revierförsters Ulrich Greß – gegen das Vorhaben dem einen oder anderen als eigennützig erschienen, bestätigte dessen Argumente. Es sei ein großer Unterschied zwischen einer Trainingsstrecke und einem Singletrail, wie Wanderwege bezeichnet werden, die auch für das Mountainbike-Fahren genutzt werden können. „Das, was dem Verein vorschwebt, ist eine Sportstätte und dafür müsste der Stadtwald einer anderen Nutzung zugeführt werden.“ Das beinhalte ganz andere Verkehrssicherungs- und Haftungspflichten für die Stadt.

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Doch so oder so gehe das Vorhaben mit einem aufwendigen und sich über mehrere Jahre hinziehenden Verfahren einher – mit offenem Ausgang. Sollte die Stadt es wünschen, werde die Forstbehörde sie in dem Verfahren praktisch unterstützen, versprach Matthias Link.

Der Forstfachmann brachte noch einen anderen Vorschlag ins Gespräch. Warum nicht ähnlich dem Singletrail im Schönbuch, der mit 100 Kilometer ausgeschilderten MTB-Strecken aufwartet – bei immerhin 22 Prozent Trailanteil – und der eine Zusammenarbeit der Landkreise Böblingen, Calw und Tübingen ist, auf Gerlingen und Stuttgart zugehen und Ähnliches auf die Beine zu stellen? Das wäre dann allerdings nicht in der Nähe des Vereinsheims des Radsportvereins.

Was sagen die Umweltschützer?

„Von mir kann man nicht sagen, dass ich gegen den Sport bin“, sagte Michael Kast, ehemaliger Basketballtrainer des TSV Eltingen. Aber wenn es um die Belange seltener Pflanzen, streng geschützter Lurche, Insekten von der Roten Liste und gefährdeter Vogelarten geht, dann ist der Sprecher der Umweltgruppe des Eltinger Bürgervereins, der sogenannten Schlammbrüder, eisern. „Gleich wichtig wie der Klimaschutz ist auch der Artenschutz. Und den vermisse ich hier“, sagte Kast. Denn im Kammerforst seien viele geschützte und gefährdete Arten zu Hause.

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„Wer Bestände gefährdet, indem er Pflanzen entnimmt, Insekten und Tiere tötet, begeht zudem eine Straftat, ja selbst eine erhebliche Störung brütender Vögel ist strafbar“, erläuterte Michael Kast. Einem Sportgelände stehe deshalb ganz klar der Artenschutz gegenüber.

„Ganz grundsätzlich lehnen wir das nicht ab, der Druck ist groß und wenn uns das Herz auch blutet, können wir uns eine Strecke, die nicht ausufert, vorstellen“, sagte Kast. „Wenn die Radfahrer drauf bleiben und nicht 50 Meter daneben runterbrettern, ist das irgendwie in Ordnung. Doch wer kontrolliert das?“, fragte der der Umweltschützer skeptisch. „Es ist nun mal ein sensibles Gebiet.“

Was sagt der Gemeinderat?

„Wir wollen auf keinen Fall etwas, bei dem die Verkehrssicherung und die Haftung bei der Stadt liegt“, sagte die SPD-Gemeinderätin Elviera Schüller-Tietze. „Da bleiben ja nur noch Bruchstücke von den Vereinsideen übrig“, befand Sebastian Werbke (Grüne). „Der Wald ist krank und voll, wollen wir einen für alle offenen Singletrail, der noch mehr Radfahrer anlockt?“, gab Stadträtin Susanne Kogel (CDU) zu bedenken.

„Illegalität muss vermieden werden“, forderte Jutta Metz (Freie Wähler). Der Verein müsse eingebunden werden und sicher gestellt sein, dass er auch beim Kompromiss eines Singletrails anstatt einer Trainingsstrecke, Verantwortung übernehme. „Es ist mir egal, wie lange das Verfahren dauert, es muss sauber und gut ausgearbeitet sein“, sagte die Stadträtin.

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„Es ist eine Utopie zu denken, dass ein Verein mit rund 50 Mitgliedern, die vorschriftsmäßige Nutzung einer Strecke überwachen kann“, war Frank Albrecht (SALZ) überzeugt. „Nicht die Folgekosten vergessen, das Beispiel der Trimm-dich-Pfade lässt grüßen“, mahnte Gitte Hutter (Linke). „Es ist zwar eine langweilige Lösung, aber mehr gibt es nicht“, sagte Dirk Jeutter (CDU).

Das Fazit

Und so hieß es dann nach anderthalb Stunden Diskussion: Es ergeht keine Empfehlung an den Gemeinderat. „Was wir dem Verein da vorschlagen, steht ja nicht in den Drucksachen, also können wir auch nichts beschließen, sondern vorerst mit den Verantwortlichen klären, ob sie den Kompromiss eines Singletrails anstatt einer Trainingsstrecke mittragen“, sagte OB Cohn. Und so wurde Jonas Pirzer mit den Gesprächen betraut.