Die Dozenten der Cello-Akademie Rutesheim haben eine beeindruckende Kostprobe ihres Könnens gegeben – mit Orchester. Außerdem durften die Gäste erneut eine Uraufführung eines Werks von Enjott Schneider genießen.

Rutesheim – Es kommt nicht oft vor, dass an einem Abend gleich fünf Hochschulprofessoren zu hören sind – außer eben bei der Cello Akademie Rutesheim. Auch in diesem Jahr haben die Dozenten der Meisterkurse gemeinsam eines der Akademie-Konzerte bestritten. Am Dienstagabend haben sie in der Halle Bühl II eine Kostprobe ihres Könnens gegeben und zugleich eine Reihe von Kompositionen vorgestellt, die nur selten zu hören sind. Zum dritten Mal gab es eine Uraufführung eines Werkes von Enjott Schneider.

 

Der bekannteste Komponistenname des Abends war der von Luigi Boccherini, dessen Cellokonzert D-Dur Nr. 6 (G.479) von Wen-Sinn Yang (Professor an der Hochschule für Musik in München) und dem Südwestdeutschen Kammerorchester Pforzheim unter Leitung von Johannes Klumpp mit viel filigraner Grazie gespielt wurde. Dennoch war die Halle gut besetzt, und im Publikum waren auch viele junge Gesichter zu sehen. Alle konnten sich mit eigenen Ohren davon überzeugen, dass die Musik zeitgenössischer Komponisten nicht nur aufregend sondern auch sehr klangschön sein kann. Beispielsweise das 2008 geschriebene Konzert für Violoncello und Streicher der 1980 geborenen Komponistin Dobrinka Tabakova, das zur Rokoko-Heiterkeit Boccherinis einen spannenden Kontrast bildete. Aus dem dunkel grundierten, eingängig pulsierenden Klanggeflecht leuchtete immer wieder die Solostimme von Jens Peter Maintz (Professor an der Universität der Künste in Berlin) heraus. Feine, durchscheinende Klanggespinste wob das Orchester im zweiten Satz. Gefühlvoll erzählte hier das Cello vor der flächig wirkenden Struktur in langsam voranschreitenden Melodieschritten. Silbrig fiepten die Violinen zu Beginn des dritten Satzes, der flammend und voller Feuer endete.

Eine ordentliche Portion Humor steuerte Wolfgang Emanuel Schmidt, Professor an der Hochschule für Musik „Franz Liszt“ in Weimar, bei. Sein Konzertbeitrag waren „Die nächtlichen Tänze des Don Juan Quixote“ des 1935 geborenen finnischen Komponisten Aulis Sallinen. Schwebende, irisierende Klangstrukturen zerriss das Solo-Cello durch jähe Einwürfe: Diesem Vorspiel folgte ein rhythmischer Dialog zwischen dem Orchester und dem Solisten.

Aus den freier gestalteten Abschnitten schälten sich immer wieder zitatartig eingefügte Passagen, die so viel Groove besaßen, dass man am liebsten mit geschnippst hätte. Doch nichts war beständig in dieser Komposition, außer der Ironie und dem Schalk, die immer wieder an den unterschiedlichsten Stellen hervorbrachen und gerade etablierte Charaktere der Musik umgehend unterliefen. Mal meinte man ein Salonorchester spielen zu hören, dann wieder schob sich ein rassiger Tango in den Vordergrund. Dazwischen ertönten Pizzicati, als schleiche der Protagonist auf Zehenspitzen durchs Geschehen.

Enjott Schneider war am Konzertabend selbst dabei und stellte mit wenigen Worten seine Komposition vor, die am Dienstag uraufgeführt wurde; „Sulamith. Danses sacrées für Violoncello und Streicher“. Solist für dieses Stück, das sich auf eine Stelle aus dem Hohelied in der Bibel bezieht, war László Fenyö (Professor an der Hochschule für Musik in Karlsruhe). Dies waren die vielleicht sinnlichsten Momente des Abends. Fenyö kostete zusammen mit dem Orchester die warmen, samtigen Klangnuancen des Cellos bis zur Neige aus. Während das Tutti Pizzicati wisperte, spann der Solist große, schwelgerische Linien.

Temperamentvoll brach sich die Leidenschaft im zweiten Satz Bahn, geradezu bedrohlich gebärdete sich der dritte Satz, immer wieder durchbrochen von lockender Verführung. Claudio Bohórquez (Professor an der Musikhochschule Stuttgart) steuerte das zweite, „etablierte“ Stück des Abends bei: „Kol Nidrei“ von Max Bruch. Ein „Adagio nach hebräischen Melodien (op. 47)“. Bohorquez erwies sich zusammen mit seinem Cello als exzellenter Geschichtenerzähler ohne Worte, während das Orchester einmal mehr den Beweis erbrachte, wie wunderbar es Harmonien so hauchzart zu intonieren weiß, dass diese kaum noch wahrnehmbar sind - und dafür umso schöner und intensiver wirken. Sensibel und behutsam gaben sie der dem Stück innewohnenden Melancholie Gestalt.

Zum Abschluss musizierten László Fenyö und Claudio Bohórquez gemeinsam mit den „Violoncelles. Vibréz!“ des 1962 geborenen Komponisten Giovanni Sollima. Das waren die von Dramatik geprägten Momente dieses Konzertabends. Solo-Glissandi schlingerten über Tutti-Ostinati, lyrisch-wiegend entspannen sich Momente von Sehnsucht und Romantik. Virtuos war die vergnügliche Verfolgungsjagd der Solistenstimmen, die Fenyö beim Spielen auch öfters einmal schmunzeln ließen. Das Publikum applaudierte sehr herzlich, wenngleich es nach dem langen Programm doch ein wenig ermattet war.