Wer den anonymen Soundgewittern des Techno oder dem Punk-Lärmangriff nie etwas abgewinnen konnte, wer Pop zu seicht findet und Volksmusik für ein Brechmittel hält, der war am Samstagabend im Uhlenspiegel goldrichtig. Der Deep-Purple-Keyboarder Don Airey hat sich angesagt.

Rutesheim - Wer den anonymen Soundgewittern des Techno oder dem Punk-Lärmangriff nie etwas abgewinnen konnte, wer Pop zu seicht findet und Volksmusik für ein Brechmittel hält, wer Ü 30 und U 70 ist und in den 70er Jahren seine aufregendsten Zeiten erlebt hat, der war am späteren Samstagabend im Uhlenspiegel goldrichtig. Die Don Airey Band hatte sich angesagt – und alle kamen, um Stücke aus Don Aireys viertem Solo-Album „Keyed Up“, aber auch Rainbow- und Deep-Purple-Titel zu hören.

 

Bis „Drei Uhr am Morgen“ – so lautet der erste Song des neuen Soloalbums, der an diesem Abend gespielt wird und mit seiner Lebenskraft direkt ins Ohr springt – muss das Publikum glücklicherweise nicht auf die Meister warten. Indes: Wie könnte man ihnen grollen, angesichts dessen was sie im Uhlenspiegel abliefern? Bis kurz vor Mitternacht gibt die Band rund um Tasten-Tausendsassa Don Airey so ziemlich alles, was die so genannte „ehrliche Rockmusik“ zu geben hat: treibenden Rhythmus, markante Gitarrenriffs und Gitarrenstürme, die immer wieder die sanfteren Sentimente wegfegen, schlichte Lautstärke, magendurchdringende Bass-Kanonaden und, in diesem Fall, den sensationellen Gesang von Carl Sentance, der nichts weniger ist als eine Entdeckung – und über das gesamte Arsenal an Rockstarposen verfügt, das bei einem solchen Konzert nun mal benötigt wird.

Die unglaublich Flinken Finger von Don Airey

Nicht zu vergessen die unglaublich flinken Finger von Don Airey, der in seinen Klangkaskaden gemeinsam mit dem Publikum schwelgt. Don Airey, seit 2001 bei Deep Purple der Nachfolger von Jon Lord, hat in seinem Leben mit so ziemlich allen Größen im Rockgeschäft Musikgeschichte geschrieben, etwa Colosseum II, Rainbow, Gary Moore, Whitesnake, Jethro Tull und Judas Priest. Er hat den aus Wales stammenden charismatischen Sänger Carl Sentance (Persian Risk, Krokus) mit der kraftvollen Stimme mitgebracht, der auch mal so ekstatisch wie klangvoll kreischen kann. Und den Drummer Darrin Mooney (Gary Moore, Primal Scream), den Jazz-Bassisten Laurence Cottle und den Gitarristen Rob Harris (Jamiroquai) dazu.

Die Mini-Suite, in der unter anderem mit Colosseum-Versatzstücken gearbeitet wird und die wundervoll bombastisch-balladesk beginnt, ist eine Ode an den 2011 verstorbenen Musiker-Kollegen Gary Moore (Thin Lizzy), der in diesem Titel auf der CD auch zu hören ist – ebenso wie im Titel „Adagio“, wo ebenfalls Einflüsse der Klassik unüberhörbar sind.

Neben weiteren Titeln von „Keyed Up“ wie „Solomon’s Song“, „Grace“ oder dem Rainbow-Remake „Difficult to Cure“ mit seinem Zitat von Beethovens 9. Sinfonie, lassen die fünf Musiker weitere Rainbow-Hits wiederaufleben wie „Spotlight Kid“, den Kracher „Over the Rainbow“ oder „Lost in Hollywood“. Und, natürlich, darf auch der eine oder andere Deep-Purple-Titel nicht fehlen. Bei „Child in Time“, das sich längst im kollektiven Hörgedächtnis eingenistet hat, recken sich zahllose Arme in die Höhe. Es wird schon mal ansatzweise die Luftgitarre bearbeitet, und manch einer schließt, in die Jugend zurückversetzt, die Augen. Nicht nur bei diesem Mega-Hit fordert die geborene „Rampensau“ Sentance die Uhlenspiegel-Gäste auf, in den Text einzustimmen.

Der Sänger als Rampensau

Wo Sentance dem Publikum, seinen Mitmusikern und sich selbst ordentlich einheizt, ist Don Airey der sanfte, sympathische Zauberer an Hammondorgel und Keyboard, der es sich natürlich dennoch nicht nehmen lässt, sich mit dem Gitarristen musikalische Solo-Duelle zu liefern. Viele Worte werden an diesem Abend nicht verloren. Man freue sich, wieder hier zu sein, sagt Airey.

Zwischendurch stellt er seine Mitmusiker vor, erinnert an Gary Moore und augenzwinkernd auch an den Verkauf der CD: „Give All Your Money to Manni“. Nach den Rausschmeißern „Since You’ve Been Gone“, „Gimme Some Lovin“ und dem Deep-Purple-Hit „Black Night“ formiert sich schnell eine lange Schlange vor den CDs. Danach gehen zwei-, dreihundert Menschen glücklich aus dem Uhlenspiegel, in dem an diesem Abend eine kleine Ladung Nostalgie gesprengt und ein altes Lebensgefühl und der Glaube an die gute, alte, ehrliche Rockmusik wiederbelebt wurden.