Rutesheim ist das 100. Mitglied in der „Initiative Motorradlärm“. Auch den Bundesrat beschäftigt das Thema.

Rutesheim - Was bringt die Biker so auf, dass sie sich landauf landab zu Tausenden zu Protestfahrten treffen? Es sind die Forderungen der „Initiative Motorradlärm“, deren 100. Mitglied jetzt auf mehrheitlichen Beschluss des Gemeinderats hin die Stadt Rutesheim geworden ist.

 

Den Ausschlag für dieses Votum hat seinerzeit die Darstellung des Ersten Beigeordneten Martin Killinger gegeben, dass nach einer Polizeikontrolle in Rutesheim im vergangenen Sommer der vorsätzliche Ausbau eines sogenannten „Dezibel-Killers“ im Auspuff eines Motorrads nur mit einem Bußgeld, jedoch nicht mit Punkten in Flensburg geahndet wurde. „Weil das keine Gefährdung darstellen würde“, erläuterte Killinger damals.

Wenige Unvernünftige

Wer in Rutesheim an der schnurgeraden Ortsdurchfahrt wohnt, oder in Leonberg an der sich bergauf schlängelnden Stuttgarter Straße, kann ein Lied davon singen: Häufig sind in den Abendstunden und an den Wochenenden „Zweirad-Poser“ mit ihren aufgemotzten Maschinen unterwegs, die in Sachen Lärm jeden Airbus in den Schatten stellen.

Durch diese Unvernünftigen haben Hunderttausende Motorradfahrer, die ihre Maschinen dazu nutzen, schnell von A nach B zu gelangen und auf engem Raum auch weniger Probleme mit den Parkmöglichkeiten haben, den Zorn vieler Bürger auf sich gezogen.

Vor diesem Hintergrund hat die Stadt ihrem Beitritt zur Initiative einiges vorangestellt. Zum einen stellte sie klar, dass es nicht darum gehe, „alle Motorradfahrer“ zu stigmatisieren. Aber angesichts des teilweilweise extrem unvernünftigen und vorsätzlichen Verhaltens Einzelner oder einzelner Gruppen mit großen negativen Auswirkungen auf viele Menschen, müsse etwas unternommen werden.

Zum anderen wurde festgehalten, dass sich die Stadt Rutesheim ebenso gegen ähnlichen Lärm wende, den andere Kraftfahrzeuge erzeugen. „Vermeidbares Verhalten“, etwa durch Auto-Posing, stärkeren Lärm durch Ausbau oder Deaktivierung von Schallschutzklappen im Auspuff und sonstige Umbauten werden vom Gemeinderat abgelehnt.

Es gab einige Diskussionen

Der Beitritt zur Initiative ist in Rutesheim nicht unumstritten gewesen. So gab Ulrich Schenk von den Unabhängigen Bürgern Rutesheim zu bedenken, dass die Forderungen der Initiative zu allgemein gehalten werden. Auch stehe es einer demokratischen Gesellschaft gut zu Gesicht, nicht noch mehr Verbote zu erlassen.

Stadträtin Claudia Berner (Gabl) hatte eine interessante Idee. „Wenn die Motorradfahrer den Sound ihrer Maschinen unbedingt laut genießen wollen: Warum bringen Akustikdesigner ihnen diesen dann nicht in den Helm?“, fragt sie sich. In der Automobilindustrie sei Akustikdesign doch inzwischen gang und gäbe.

Wenige Tage, nachdem Rutesheim der Initiative als 100. Mitglied beigetreten war, hat sich der Bundesrat mit großer Mehrheit für die wirksame Minderung und Kontrolle von Motorradlärm ausgesprochen und die Forderungen der baden-württembergischen „Initiative Motorradlärm“ aufgenommen. Doch der Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer (CSU) hat inzwischen deutlich gemacht, dass er keine zusätzliche Verbote möchte.

Der baden-württembergische Verkehrsminister Winfried Hermann (Grüne) begrüßt die Aktion des Bundesrates. Nordrhein-Westfalen hatte einen Teil des Forderungskatalogs der „Initiative Motorradlärm“ in den Bundesrat eingebracht. Das Stuttgarter Verkehrsministerium hatte in den Beratungen im Bundesrat den Forderungskatalog sogar um weitere Punkte ergänzt.

Initiative hat zehn Forderungen

Konkret macht sich die Initiative für zehn Punkte stark. So sollen die Genehmigungs- und Zulassungsregeln der EU überarbeitet werden. Die Hersteller und Händler werden aufgefordert, leisere Motorräder herzustellen und anzubieten, gepaart mit dem Verbot des sogenannten Sound-Designs. Auch bei Motorrädern sei der Umstieg auf nachhaltige und lärmarme Mobilität ein Muss.

Die Motorradfahrer werden aufgefordert, rücksichtsvoll und leise zu fahren. Das soll mit einer stärkeren Verkehrsüberwachung und Ausweitung von Kontrollen einhergehen. Dazu fordert die Initiative, dass Beschränkungen und Verbote in besonderen Fällen möglich sind.

Eine vorsätzlich lärmerzeugende Fahrweise sollte stärker geahndet werden und der Bund müsse dafür sorgen, dass insbesondere „Raser“ einer Strafe nicht entgehen können. Alternativ wird zumindest die Einführung einer Halterhaftung gefordert. Zudem sollen die Biker verpflichtet werden, ein Fahrtenbuch zu führen.

Die Initiative überzeugt mit ihren Forderungen den Bundesrat

Gründer
Initiiert durch den Lärmschutzbeauftragten der Landesregierung Baden-Württemberg, Thomas Marwein, Landtagsabgeordneter der Grünen und Sonja Schuchter, der Bürgermeisterin der Gemeinde Sasbachwalden im Ortenaukreis, hatte sich im Juli 2019 die „Initiative Motorradlärm“ gegründet. Gestartet ist die Initiative mit 29 Mitgliedern. Mittlerweile ist die Zahl auf mehr als 100 angestiegen.

Bundesrat
Die Mitglieder – das sind Städte, Gemeinden und Landkreise – repräsentieren mehr als ein Viertel der elf Millionen Bürger des Landes. Die Mitglieder haben es geschafft, dass der Bundesrat sich das Thema zu eigen macht und die Bundesregierung in einer Entschließung auffordert, sich des Problems anzunehmen.

Entschließung
In einer Entschließung kann der Bundesrat die Regierung zu einem bestimmten Handeln auffordern, auf Probleme aufmerksam machen, seine Auffassung zu einem bestimmten Thema darlegen oder auch Gesetze durch die Bundesregierung anstoßen.