Früher gab es überall umherfahrende Kleinst-Müller. Rolf Bentel aus Flacht ist übrig geblieben.

Weissach - Die Sauberkeit steckt ihm im Blut. Eilig wischt Rolf Bentel beim Termin mit dem Fotografen über die dunkelglänzenden Oberflächen der Walzenstühle. Nur hauchdünn liegt der Mehlstaub über den historischen Apparaturen, es riecht verlockend frisch. Unten knarren die alten Holzboden-Dielen. „Und wir arbeiten ja schließlich mit Lebensmitteln“, sagt Rolf Bentel, während er den Mehlstaub wegwischt.

 

Gemahlen wird in der Flachter Bentel-Mühle zwar schon lange nicht mehr. Seit 2001 stehen die großen Mahlwerke still. Für Rolf Bentel ist das aber noch lange kein Grund, rumzusitzen – ganz im Gegenteil. Jahrhunderte alt ist das Müller-Handwerk, und dabei wandelt es sich ständig. Bentel kann das am eigenen Betrieb beobachten, ist dabei quasi Zeitzeuge und Relikt der Branche mit großer Tradition – vor allem im Strudelbachtal.

Müller kümmerten sich einst um 50 bis 60 Bauern

Noch zu seinen Jugendzeiten war es so: Es gab große Müller und Kleinst-Müller. Die Großen haben die Bäcker und größeren Abnehmer beliefert. Die Kleinen kümmerten sich um etwa 50 bis 60 Bauern, holten morgens das Getreide ab, mahlten und brachten das Mehl abends wieder. 1959, vor genau 60 Jahren, kauften Rolf Bentels Eltern Helmut und Ilse den kleinen Betrieb, am nördlichen Ende von Flacht.

„Ja“, erinnert er sich noch an diese Zeit, „auch wir Kinder mussten regelmäßig ran.“ Mehl richten, beim Ausfahren helfen. Und schon damals war klar: „Ein Samstag war erst geschafft, wenn wir die Mühle geputzt hatten“, erzählt er.

In Heilbronn geht Rolf Bentel anschließend zur Lehre, arbeitet dann in Weingarten. Seit genau 40 Jahren aber ist sein Arbeitsplatz in Flacht, in der elterlichen Bentel-Mühle. Bis nach Eltingen bedient er die Landwirte. Der Müller, der auf der Straße unterwegs ist, gehörte damals zum alltäglichen Straßenbild. „Wir sind das fahrende Volk“, erzählt Bentel.

Heute ist das anders. Den Kleinst-Müller, der umherfährt und Privathaushalte und kleine Bauern bedient, gibt es nicht mehr. Bis auf Rolf Bentel. Feste Tage und feste Touren hat er, von Pforzheim bis Ditzingen reicht sein Revier, in dem er unterwegs ist und seine Kunden bedient. „Ich bin einer der Letzten in Baden-Württemberg, die das machen“, sagt der 61-Jährige. Seit er dafür einen kleinen Kastenwagen hat, ist es etwas bequemer. Nudeln, Eier, Brot, Mehl und vieles mehr türmen sich darin. Von jedem Produkt weiß er, wo es herkommt und wie es gemacht wurde. Zum Discounter muss er sich abgrenzen, klar.

Seit 2001 mahlt Rolf Bentel nicht mehr selbst. „Die notwendigen Investitionen in die technischen Anlagen wären zu groß geworden“, erinnert er sich. Das Bedauern ist ihm anzusehen. Viel zu tun hat er dennoch in der gemütlichen Stube, zwischen den alten Geräten.

Seit 2001 mahlt Rolf Bentel nicht mehr selbst

Die verschiedenen Brotbackmehle mischt er selbst, und kann seinen Kunden daher genau sagen, was drin ist. Auch der ganz alte, wirklich historische Mühlstein steht noch in der Bentel-Mühle. Aber dessen Wirken hat auch der heutige Chef nicht mehr miterlebt. Die Grundmauern der heutigen Mühle stammen wohl aus dem 15. Jahrhundert, damals noch vom Mühlteich und einem Wasserrad betrieben. In den Fünfzigern übernimmt dann aber das motorbetriebene Mahlwerk.

Zehn Stunden ist Rolf Bentel jeden Tag unterwegs, hält in den Straßen an, klingelt, trägt den älteren Kunden die Tasche auch in die Wohnung. „Da gibt es eine Kundin, die mich noch als fünfjährigen Burschen kennt“, berichtet er. Und gleichzeitig stellt er fest: „Immer mehr jüngere Familien schätzen die Regionalität.“ Das stellen auch seine Kolleginnen im kleinen, gemütlichen Mühlenlädle fest. Auf Tradition kann sich Rolf Bentel im Übrigen nicht ausruhen. „Klar, auch auf Facebook, Instagram und WhatsApp geben Kunden bei mir Bestellungen auf“, berichtet er.

Das will er tun, solange er kann. Aber dann stirbt auch die Tradition der umherfahrenden Kleinst-Müller aus, seine Töchter machen längst etwas anderes. Rolf Bentel aber bleibt dabei, solange es geht. „Ich schaffe gern“, sagt er. Sein Lohn ist es, wenn die Leute sich freuen und sagen: Den Bentel gibt’s ja noch!