Die vom baden-württembergischen Innenministerium geplante Verlegung des Rettungshubschraubers von Leonberg weg stößt vor allem in Ditzingen auf Widerstand. Inzwischen ist dort sogar von einem Gegengutachten zur Analyse im Auftrag des Landes die Rede.

Strohgäu/Leonberg - Es ist nur vordergründig ruhig geworden in der bisher laut und kritisch geführten Diskussion um Christoph 41. Der Standort des Rettungshubschraubers in Leonberg soll auf eine Achse zwischen Tübingen und Reutlingen verlegt werden. Die Kommunen reagieren nun nämlich auf einen gleichlautenden Brief aus dem Innenministerium als Antwort auf ihre Kritik an dem Plan, Christoph 41 zu verlegen.

 

Im Auftrag des Landes hatte ein Münchner Institut im Jahr 2020 eine „Struktur- und Bedarfsanalyse der Luftrettung in Baden-Württemberg“ erstellt. Sie empfiehlt die Verschiebung von mehreren Rettungstransporthubschrauber-Standorten – auch von Christoph 41. Die Maschine soll nach Süden versetzt werden, in den Regierungsbezirk Tübingen, um die Erreichbarkeit der Gebiete im Bereich der südlichen Schwäbischen Alb, in den Kreisen Sigmaringen und Zollernalbkreis, zu optimieren.

Ditzingen geht am weitesten

Die Kommunen versuchen auf verschiedene Weise, Verbesserungen zu erzielen. Die Ditzinger gehen dabei mit ihren Überlegungen am weitesten. Der Gemeinderat hat am Dienstag beschlossen, die inzwischen auch online einsehbare Strukturanalyse anzufordern, um sie allen Räten zur Verfügung zu stellen. „Man muss nicht jedes Gutachten akzeptieren“, begründete der Jurist und Stadtrat der Unabhängigen Bürger (UB), Dieter Schnabel, das Ansinnen, im Zweifel ein Gegengutachten beauftragen zu wollen. Er machte keinen Hehl daraus, was er von einem einzelnen Gutachten hält. „Wer das Gutachten in Auftrag gibt, bestimmt, wie es ausgehen soll.“

Auch Hemmingen hat sich erneut ans Ministerium gewandt. In seinem jüngsten Schreiben erneuerte der Rathauschef seinen Appell, auch die bodengebundenen Hilfsfristen müssten eingehalten werden. Er habe nochmals darauf hingewiesen, dass „auch der bodengebundene Rettungsdienst uns seit vielen Jahren ein Anliegen ist“, sagt Thomas Schäfer (CDU).

Eine ihm zur Verfügung gestellte Auswertung der Leitstelle für 2020 und das erste Halbjahr 2021 zeige, dass die durchschnittliche Anfahrtszeit des Notarzteinsatzfahrzeuges von den Rettungswachen Ditzingen und Enzweihingen bei unter zehn Minuten liege. „Das ist auf jeden Fall eine Verbesserung.“ Deshalb habe er den Staatssekretär Wilfried Klenk darin bestärkt, bei einer Neustrukturierung des Rettungsdienstplanes statt der bisherigen 15 Minuten die angedachte zwölfminütige Hilfsfrist aufzunehmen. „Dies sollte dann für den eingeschlagenen Weg auch eine weitere Manifestierung sein.“

Eine Petition hatte die Diskussion entfacht. Die Petenten warten nach eigenen Angaben auf eine Reaktion aus dem Land. Die Landesregierung muss reagieren, weil das nötige Quorum erreicht wurde. Wann das sein wird, ist laut den Initiatoren offen.

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Unterdessen wird die vom Land beauftragte Strukturanalyse beim Regierungspräsidium Tübingen auf ihre Umsetzbarkeit geprüft – unter Umständen eben mit Folgen für Christoph 41. „Wir sind zuversichtlich, diese Prüfung zeitnah zum Abschluss zu bringen“, sagt eine Sprecherin auf Anfrage unserer Zeitung. Es zeichne sich ab, dass ein Ergebnis für Christoph 41 in der Suchregion Tübingen-Reutlingen zeitnaher vorliegen dürfte als für die etwaigen Standorte des Christoph 45. Dieser soll von Friedrichshafen nach Norden ziehen.

In dem Schreiben an die Kommunen hatte der Staatssekretär dargelegt, wie die bessere Versorgung aller Menschen im Land zu erreichen ist. Er betonte zudem, die Befürchtung sei – „um es klar zu sagen“ – unbegründet, dass die rettungsdienstliche Versorgung der Menschen im Strohgäu nach der Verlegung gefährdet sei.

Die Gutachter hätten dafür das tatsächliche Notfallgeschehen in der Luft und am Boden „in einem Bezugszeitraum akribisch erfasst und ausgewertet“ – landesweit mehr als 290 000 Notarzt- und rund 14 000 Hubschraubereinsätze. Darüber hinaus sei ein sogenannter Luftrettungsindex entwickelt worden, denn in der Großstadtregion Stuttgart gebe es zum Beispiel mehr Einsätze und Kliniken als im ländlichen Raum.

Drei Hubschrauber stehen bereit

Laut Klenk sind Hemmingen und Ditzingen „auch künftig vollständig im Einsatzradius von gleich zwei Luftrettungsmitteln“ – von Christoph 41 und vom in Pattonville stationierten Christoph 51, der bald im 24-Stunden-Betrieb ist. Und: Der westliche Teil des Landkreises Ludwigsburg liege ergänzend im Einsatzradius von Christoph 43, er soll zurück nach Karlsruhe. Versorgungsprobleme, so Klenk, seien in der gesamten Region auszuschließen – im Gegenteil: Er sprach mit Blick auf die Veränderung in Pattonville von einer „deutlichen Verbesserung der Abdeckung“.

Dass im Zweifel mehrere Hubschrauber Ditzingen anfliegen können, darauf verweist auch der Oberbürgermeister der Stadt. Michael Makurath (parteilos) blieb skeptisch ob Schnabels Forderung nach einem Gegengutachten. „Ich glaube nicht, dass das Land bereit ist, mit 1100 Kommunen Gespräche zu führen.“ Er habe die Fakten nicht, die belegten, dass das Gutachten falsch sei.

Andererseits sei allerdings „auch wahr“, dass es die Helfer vor Ort nicht umsonst gebe und die Stadt bei Stau ein Problem habe. Der Abschnitt zwischen dem Leonberger Dreieck und dem Echterdinger Ei gilt als der meistbefahrene Autobahnabschnitt Deutschlands. Die Retter vor Ort seien eine Reaktion auf die Schwierigkeiten straßengebundener Rettungsmittel, zu bestimmten Tageszeiten rechtzeitig zum Einsatz zu gelangen. Aber klar sei auch, sagt Michael Makurath, dass das Ministerium das gesamte Land im Blick haben müsse.