Der CDU-Politiker und frühere Ministerpräsident betont an der Renninger Krippe die Bedeutung von christlichen Werten – auch im Wettbewerb mit China.

Renningen - Er kann nicht mehr zählen, wie oft er schon bei uns an der Krippe war, und ich auch nicht“, sagte Pfarrer Franz Pitzal mit Blick auf seinen Gast am Samstagabend in der katholischen Martinuskirche. Der CDU-Politiker, ehemalige Ministerpräsident und bis 2019 EU-Kommissar Günther Oettinger ist während der 41 Jahre, in denen die Krippe nun besteht, immer wieder als Gastredner nach Malmsheim gekommen. „Wir dürfen gespannt sein, was ein Mensch, der so mitten im Weltgeschehen steht, uns für das kommende Jahr zu sagen hat“, begrüßte der katholische Pfarrer seinen langjährigen Wegbegleiter aus Ditzingen.

 

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Bevor der 68-jährige Politiker und Jurist, der auch nach seiner Zeit in Brüssel vielfach tätig ist, ans Mikrofon treten konnte, legte Franz Pitzal die Stola um, galt es doch zunächst, das Wort Gottes zu verkünden. Denn die letzte Krippe – mit dem Ausscheiden des Pfarrers in den Ruhestand endet diese lange Tradition – kann wegen der Coronapandemie nur bei Gottesdiensten besucht werden.

Die Welt sei in Unordnung

Er sei sehr gerne hier, wandte sich Günther Oettinger an „den lieben Franz“. Pitzal habe eine berufliche Lebensleistung vollbracht, die ihresgleichen suche, und sei zurecht Ehrenbürger von Renningen, sagte Oettinger, der seit 2020 selbst Ehrenbürger von Ditzingen ist. Doch nach seinem Lob für den Gastgeber schlug der langjährige Politiker kritische Töne an. Die Welt sei aus den Fugen geraten, sie sei in Unordnung, sagte er.

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Er sei in Sorge, was wegen des Russland-Ukraine-Konflikts in Europa geschehen könne. „Europa ist, alles zusammengefasst, immer noch der attraktivste Kontinent“, aber es sei umgeben von schwierigen, instabilen Regionen. „Wir haben zwei Möglichkeiten: Wir können Stabilität exportieren oder wir werden Instabilität importieren“, lautete Oettingers Schlussfolgerung. Während in der Vergangenheit vor allem die europäischen Staaten und die USA das Weltgeschehen prägten, geschehe das im 21. Jahrhundert durch China. Das schlage sich auch in der Abhängigkeit von Importen aus China für die hiesige Wirtschaft nieder.

Bildung und Forschung sichern die Zukunft

„Den Weitblick, den die Bilder hier an der Krippe ausstrahlen, sollten wir uns zu eigen machen“, sagte Oettinger mit Blick auf die Sicherung der Zukunft durch Bildung und Forschung, die nötig seien, um im Wettbewerb der Ideen und Produkte mithalten zu können. Dies sei mit der Ansiedlung des Bosch-Forschungszentrums in Malmsheim gelungen, sagte er rückblickend.

Ob Europa künftig mitprägend sein könne, entscheide sich in den nächsten Jahren. „Wir haben Begabungen, aber haben wir auch den Weitblick, uns so aufzustellen?“, fragte der ehemalige Ministerpräsident. Europa habe Werte wie Toleranz, Friedfertigkeit, Meinungs- und Glaubensfreiheit, Demokratie, die ja auch christliche Werte seien – die gelte es zu exportieren.

China habe das meiste davon nicht. „Aber es kann einem angst und bange werden, wie zielstrebig China mit dynamischen Entwicklungen, etwa im Ingenieurwesen, unterwegs ist.“ Dies müsse man erkennen und versuchen mitzuhalten.

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„Wir müssen und sollen wieder missionieren, und das sagt uns kein Kirchenmann, sondern ein Politiker“, schlussfolgerte Franz Pitzal aus Oettingers Worten und spannte noch einmal einen Bogen zur Krippe. Diese schaffe Gemeinschaft, die man immer mehr im Großen und Kleinen brauche, weil es dadurch zu mehr Menschlichkeit komme.