Der Rat hat den Haushalt genehmigt. Aber erst nach einer langen Diskussion mit kuriosem Ende.

Renningen - Ein recht eigenwilliges Schauspiel hat sich am Montagabend im Renninger Gemeinderat ereignet. Alle Fraktionen möchten ein Zeichen setzen gegen zu schnelles Wachstum. Am Ende bleibt trotzdem alles beim Alten, und es passiert, was eigentlich keiner wollte.

 

Konkret geht es um fünf Millionen Euro, die im Haushaltsentwurf für Grundstücksankäufe an der B 295 im Süden Renningens vorgesehen waren, wo später einmal ein neues Gewerbegebiet entstehen soll. Nach zwei gescheiterten Anträgen verbleibt das Geld nun so wie bisher im Plan. Der Haushalt wird letztlich bei drei Enthaltungen und ohne Gegenstimme beschlossen.

Stand der Dinge in Sachen Gewerbegebiete ist der, dass das neueste, Raite IV, noch nicht komplett vermarktet ist. Eine vollständige Vermarktung 2017 hält die Verwaltung inzwischen für fraglich, Nachfragen seien aber weiterhin da. Und ist Raite IV voll, hat die Stadt keine freien Gewerbeflächen mehr, auf denen sich Betriebe ansiedeln könnten. Daher werden die Fühler bereits Richtung Süden ausgestreckt.

Wunsch nach Zurückhaltung

Im Rat stößt das auf Widerstand. „Der Wunsch der Bürger nach Zurückhaltung beim Anlegen von neuen Baugebieten“ sei deutlich spürbar, sagt Marcus Schautt, der Fraktionsvorsitzende der Freien Wähler. „Wir stehen für moderates Wachstum“, betont er – wie auch schon in seiner Haushaltsrede vor wenigen Wochen (wir berichteten). Im Wahlkampf noch habe sich jeder dieses Ziel auf die Fahnen geschrieben. „Das jetzige Wachstum halten wir aber nicht mehr für moderat, wir möchten das Tempo rausnehmen.“ Nach der Erweiterung des Gewerbegebiets Raite nördlich der Bahnlinie nun direkt die Vorbereitungen für das nächste entsprechende Großprojekt zu treffen, sei das falsche Signal. Damit sollte noch etwas gewartet werden, wenigstens für dieses Haushaltsjahr. „Wir sagen deshalb vorbehaltlos ,Nein’ zum neuen Gewerbegebiet in 2017.“

Volle Unterstützung bekommen die Freien Wähler vonseiten der Grünen: „Den Leuten wird es zu viel“, merkt Erwin Eisenhardt an. Das Gewerbegebiet, findet Jochen Breutner-Menschick, sollte erst kommen, wenn auch der Lückenschluss da sei.

Sperrvermerk als Kompromiss

Die Schwierigkeit bei diesem Antrag liegt allerdings darin, dass bei einem positiven Votum der Haushalt noch einmal komplett umgeschmissen werden müsste, gibt der Erste Beigeordnete Peter Müller zu bedenken. Sein Kompromissvorschlag lautet deshalb, den Haushaltsansatz nicht komplett zu streichen, sondern ihn stattdessen mit einem Sperrvermerk zu versehen.

Das bedeutet, dass das Geld zwar weiter im Haushalt bleibt, aber auf keinen Fall ausgegeben werden darf, bevor der Gemeinderat nicht noch einmal darüber entscheidet. „Damit hätten Sie für die Wähler das gleiche Zeichen gesetzt“, so Müller.

Den Freien Wählern geht dieser Schritt jedoch nicht weit genug. „Ein Sperrvermerk bleibt ein Zeichen dafür, dass es weitergeht, und das wollen wir nicht“, erklärt für die Fraktion Jürgen Lauffer.

Andere Fraktionen im Rat dagegen können sich mit dieser Lösung anfreunden. „Wir stimmen den Freien Wählern uneingeschränkt zu“, sagt Peter Weiß von der CDU. „Aber mit dem Sperrvermerk wird dem zu 100 Prozent Rechnung getragen.“ Das finden auch die Frauen für Renningen und die SPD. „Keiner von uns will schnelles Wachstum“, betont Reinhard Händel (SPD). „Aber wegen eines Sperrvermerks den kompletten Haushalt umzukrempeln, halte ich für falsch“, ergänzt sein Parteikollege Thomas Mauch.

Bei der Abstimmung, wer für einen Sperrvermerk sei, lautet das Ergebnis am Ende elf Ja- zu elf Nein-Stimmen. Und bei Stimmengleichstand gelten Anträge als abgelehnt. Im Folgenden bringen die Freien Wähler einen zweiten Antrag ein, die fünf Millionen ganz aus dem Haushalt zu nehmen. Wieder mit dem Ergebnis elf zu elf. Es bleibt also beim ursprünglichen Entwurf.

Das wiederum bedeutet nicht, dass die Verwaltung nun plötzlich damit anfangen soll oder darf, irgendwelche Grundstücke aufzukaufen, erklärt Peter Müller. Bei so großen Summen müsste sich ohnehin der Rat noch einmal damit befassen und die einzelnen Ausgaben genehmigen. Insofern wäre jede Entscheidung an diesem Abend rein symbolischer Natur gewesen.

Zahlen aus dem Haushalt

Der Haushaltsplan 2017 bleibt nach Entscheidung des Rats in seiner bisherigen Form bestehen. Weitere Anträge, über die während der Sitzung entschieden wurde, nehmen auf das Zahlenwerk keinen Einfluss, könnten sich aber gegebenenfalls im Nachtragshaushalt niederschlagen. Das Haushaltsvolumen beläuft sich auf insgesamt 54,3 Millionen Euro. Das 21. Jahr in Folge kommt Renningen ohne eine Neuverschuldung aus, der aktuelle Schuldenstand liegt bei etwa 400 000 Euro.

Den größten Posten im Haushalt machen nach wie vor Grundstückseinkäufe aus. 6,4 Millionen Euro sind eingestellt, fünf davon sind für das Gebiet an der B 295 gedacht. Für Lärmschutzmaßnahmen möchte die Stadt 2017 um die 700 000 Euro ausgeben, für den Hochwasserschutz 600 000 Euro. Für beide Projekte gibt es allerdings Fördermittel. In den Straßenbau fließen rund 420 000 Euro.

Kommentar: Falsches Signal

Der Schuss ging nach hinten los: Ein Zeichen für moderates Wachstum wollten die Ratsleute setzen. Was bleibt, ist nichts als heiße Luft. Es ist müßig, sich darüber zu streiten, wem man dafür den Schwarzen Peter zuschieben will. Freien Wählern und Grünen, weil sie partout auf ihrem Standpunkt beharren und nicht zu Gunsten ihrer eigenen Sache einen Kompromiss eingehen? Oder den anderen Fraktionen, die einerseits sagen: Wir wollen diesen Haushaltspunkt nicht, aber andererseits nicht die letzte Konsequenz daraus ziehen? Wer sich jetzt als Bürger die Mühe machen sollte, einen Blick in den Haushaltsplan zu werfen, wird darin nichts finden als die fünf Millionen Euro für ein neues Gewerbegebiet. Dass dieses Projekt keiner im Rat dieses Jahr mehr angehen möchte, davon steht dort kein Wort. Und das nur, weil sich Politiker nicht einig werden konnten über etwas, bei dem sie eigentlich einer Meinung waren. Und das ist ein Signal, das sicher niemand setzen wollte.