142 Bauern und sieben Bäckereien sind betroffen, denn sie müssen jetzt längere Wege in Kauf nehmen. Das Café und der Laden könnten aber eventuell gerettet werden.

Renningen - Diese Nachricht macht ganz Renningen betroffen. Eine jahrhundertealte Tradition geht zu Ende. Mächtig steht das historische Bauwerk im Südwesten der Stadt, direkt am Rankbach. Seit 300 Jahren wird hier Mehl gemahlen, seit 1938 ist die Renninger Mühle im Familienbesitz der Sesslers.

 

Damit ist bald Schluss, die Sessler-Mühle schließt. „Ja, wir hören zum Ende des Jahres auf“, bestätigt der Chef Martin Sessler eine entsprechende Nachfrage unserer Zeitung. Er ist erkrankt und kann den Betrieb nicht weiterführen. Schon im Herbst der vergangenen Jahres habe ihn dieser persönliche Schicksalsschlag ereilt, seitdem steht die Frage im Raum, wie es mit dem Traditionsbetrieb weitergeht.

Nicht nur Renningen ist betroffen. Auch in Reutlingen-Oferdingen und in Althengstett (Kreis Calw) betreibt die Familie Mühlen. Für alle drei Standorte gibt es aber Lösungen. In Oferdingen haben die Sesslers an die Bioland-Erzeugergemeinschaft „Rebio“ verpachtet, an die auch bislang schon ein Großteil der Produkte gegangen ist. In Althengstett betreibt die Familie den Laden weiter, nimmt dort aber kein Getreide mehr an.

Mühlen-Betrieb nicht mehr möglich

Größere Veränderungen gibt es dagegen am Hauptsitz, der historischen Mühle in Renningen. Das Gelände ist bereits verkauft, das Gebäude soll abgerissen werden. Ein Investor plant dort eine Anlage mit betreutem Wohnen. „Wir haben mit der Stadtverwaltung zusammengesessen und überlegt, wie es weitergehen könnte“, berichtet Martin Sessler. So ist man auf den kirchlichen Träger gekommen, der in der Region solche Wohnprojekte betreibt, die als gelungen gelten.

Die Mühle als Mühle weiterzubetreiben, ist kaum möglich. Natürlich habe er zunächst bei Kollegen nachgefragt. „Aber dafür ist unser Betrieb zu klein“, sagt Sessler. Was in den großen Mühlen im Land gemahlen wird, das schaffen die Renninger im ganzen Jahr nicht.

Auch das Marktumfeld werde immer schwieriger. Als Martin Sessler vor 21 Jahren angefangen hat, belieferte er noch 19 Bäckereien. Heute sind es noch sieben Backbetriebe. Diese sieben werden sich jetzt nach einem neuen Lieferanten umsehen müssen. Denn der Sessler’sche Betrieb ist nicht nur wegen seines beliebten Mühlencafés und dem Laden mit regionalen Produkten bekannt. Auch in die Nahrungsmittel-Produktionskette ist die Renninger Mühle – so wie eh und je – fest integriert. 142 Landwirte von Stuttgart-Möhringen bis Böblingen liefern ihr Getreide an, dann wird es gemahlen und geht weiter an die sieben Bäckereien. Weil Sessler sich um die komplette Produktionskette gekümmert hat, Zwischenhändler also nicht notwendig waren, blieb am Ende auch etwas mehr Geld für die Landwirte, als sie von den großen Industriemühlen bekommen.

„Eine erschreckende Nachricht“

In der Landwirtschaft ist man deswegen beunruhigt. „Das ist für uns eine erschreckende Nachricht, dass die örtliche Mühle schließt“, sagt Andreas Kindler, der Renninger Landwirt und Vorsitzende des Kreisbauernverbands. Seine Kollegen und er liefern nicht nur Getreide, Raps und Ölfrüchte an die Sesslers. Dort wird es auch getrocknet. „Das bedeutet für uns jetzt weitere Wege“, sagt Kindler. Zum Beispiel zu der BayWa-Anlieferungsstelle in Weil der Stadt. Eine Anlieferungsstelle will er aber auch künftig noch in Renningen betreiben, kündigt Martin Sessler an. Allerdings nur für Weizen.

Endgültig will er sich damit nicht von der Stadt verabschieden. Das Getreidelager, das sich auf der anderen Seite des Rankbachs befindet, hat er nämlich nicht verkauft. Und noch eine gute Nachricht hält er bereit: „Dort würde ich auch gern einen kleinen Bauernmarkt und ein Café aufbauen“, sagt er. Dann könnte er dort nämlich seine derzeit im Café tätigen Mitarbeiter weiterbeschäftigen. „Auch unsere Kunden würden uns sehr vermissen“, sagt der Mühlen-Chef. Allerdings steht der 250 Quadratmeter große Schuppen schon im sogenannten Außenbereich, nicht mehr auf städtischem Gelände. Damit gelten dort strengere Bauvorschriften. „Dazu sind wir im Gespräch mit der Stadtverwaltung“, berichtet Sessler.

Auch für seine Mitarbeiter, die in der Mühle beschäftigt sind, hat er eine Lösung gefunden. Die Frießinger Mühle in Bad Wimpfen (Kreis Heilbronn), die größte private Industriemühle in Baden-Württemberg, übernimmt alle Sessler-Angestellten. Dorthin geht auch der Weizen, der in Renningen gesammelt wird.

Kreisbauern wollten andere Lösung

Der Kreisbauern-Chef hätte sich indes auch andere Lösungen für das historische Gebäude vorstellen können. Andreas Kindler berichtet von genossenschaftlichen Modellen, wo sich Landwirte zusammenschließen und gemeinsam eine Annahmestelle für ihr Getreide betreiben. „Auch so etwas wäre denkbar gewesen“, sagt er. „Dafür hätte aber die Renninger Stadtverwaltung früher auf uns Landwirte zugehen müssen.“ Er habe erst vom Sessler-Verkauf erfahren, als die Unterschrift unter den Kaufvertrag mit dem Betreutes-Wohnen-Betreiber gesetzt war.

Martin Sessler indes blieb zum Verkauf keine Alternative. In den vergangenen Jahren hatte er in seinen Betrieb nicht nur Herzblut und Ideen gesteckt, sondern auch viel Geld. Der Laden mit Café war eine dieser vielen Ideen. „Alles, was Sie hier sehen, hab’ ich selbst so geplant“, hatte er einmal gesagt. Opa August hatte die Mühle vor 81 Jahren gekauft, sein Vater Otto das große Silo gebaut. Jetzt hat das Schicksal zugeschlagen, eine Ära in Renningen geht zu Ende.