Seit 25 Jahren ist Roland Gäfgen Kantor der Petrusgemeinde. Dass er einmal diesen Beruf ergreift, war nicht von Anfang an abzusehen.

Renningen - Über den Menschen Roland Gäfgen kann man viele spannende Geschichten erzählen: die vom Maler und Zeichner, der im Urlaub immer sein Skizzenbuch dabeihat und darin mit Bleistift oder Aquarellfarben wunderschöne Ansichten festhält. Der jedes Jahr mit Manfred Moser einige Tage in die freie Natur geht und dort mit Ölfarben Landschaften auf seine Leinwand bannt. Und der für Museen Aquarelle malt, auf denen er anhand von Grabungsstätten und dort freigelegter Fundstücke Menschen und Situationen ganz anschaulich werden lässt. „Ich habe mir schon als Kind Stadtszenen ausgedacht und dazu Stadtpläne und verschiedene Stadtszenen gezeichnet. Das macht mir Spaß“, erzählt er.

 

Es gibt auch die Geschichte von Roland Gäfgen, der mit großer Passion eine raumfüllende Eisenbahnlandschaft schafft und jene andere, in der er sein Wohnhaus aus dem Jahre 1680 über viele Jahre renoviert hat. Die aktuell wichtigste Geschichte zurzeit ist jedoch zweifelsohne die von Roland Gäfgen, dem Musiker, der seit 25 Jahren als Kantor das musikalische Leben in Renningen prägt. Ein Glücksfall ist das für die evangelische Kirchengemeinde, denn Gäfgen liebt diesen Beruf, der zunächst gar nicht ganz oben auf seiner Wunschliste stand. Architekt wollte er eigentlich werden. Als das nicht klappte, arbeitete er eineinhalb Jahre als technischer Zeichner. Die dazu notwendigen Fertigkeiten hatte er sich während eines Ferienjobs dort angeeignet.

Musik dringt über die Ohren ins Herz

Schließlich aber gewann dann doch jenes Samenkörnchen, das wohl als Kind bei einem Gottesdienst über die Ohren in sein Herz geraten war, mehr und mehr an Kraft: Er bewarb sich für einen Studienplatz an der Hochschule für Kirchenmusik, die damals noch in Esslingen war, und wurde angenommen. Das Orgelspiel hatte es ihm angetan, obwohl er eigentlich als Junge mit dem Klavierspiel begonnen hatte – bei einer älteren Dame, die in sein Elternhaus kam und dort auch seine Mutter und seine Geschwister unterrichtete. „Das Orgelspiel muss mich wohl schon als Kind im Innersten erreicht haben – vielleicht an Weihnachten“, vermutet er. Seinen ersten richtigen Instrumentalunterricht hat er auf jeden Fall als 17-Jähriger bei Johannes Decker bekommen, der Kantor an der Christuskirche in Korntal war. Um diese Zeit schrieb er auch schon erste eigene Musikstücke. „Ich habe einfach drauflos komponiert und von Tonsatz keine Ahnung gehabt“, sagt er und lacht. Während seines Musikstudiums in Esslingen habe er in dieser Hinsicht eine ganze Menge dazugelernt. Inzwischen gehe er zwar rationeller vor, sagt er, räumt aber ein, dass er noch immer gerne die Einfälle sprudeln lässt. „Ich muss ja nicht in die Musikgeschichte eingehen“, sagt er und schmunzelt. Wichtig sei ihm nur immer, dass das Ganze am Ende in irgendeiner Form ausbalanciert ist. „Gesetzmäßigkeiten sind wichtig, egal, ob es nun geordnet oder chaotisch ist, ob es eher mit Konstruktivismus oder Action-Painting vergleichbar ist.“

Das Samenkörnchen entwickelt sich weiter

Als 17-Jähriger fuhr er aber nicht nur mit dem Strohgäubähnle von Hemmingen zu seinem Lehrer Johannes Decker nach Korntal, er sang auch im Kirchenchor in Hemmingen, wo der gebürtige Stuttgarter damals mit seinen Eltern wohnte. Auch dieses Samenkörnchen entwickelte sich weiter und trägt inzwischen wunderbare Früchte: Als Kantor leitet Roland Gäfgen aktuell fünf Chöre mit Mitgliedern aller Altersgruppen. Insgesamt 120 Singende musizieren regelmäßig mit ihm in der Kantorei, dem Chor „Kreuz und Quer“, der Jugendkantorei, dem Kinder- und dem Minichor.

Weder das vielerorts beklagte Chorsterben noch die Überalterung sind in Renningen ein Thema. Das hat auch viel damit zu tun, dass Gäfgen die Chorarbeit sehr am Herzen liegt. Aus vielen Gründen: „So kommen die Menschen niederschwellig mit Kirchenmusik in Kontakt und werden zugleich mit einem breiten Musikspektrum konfrontiert. Viele von ihnen werden dann auch anderswo in andere Konzerte gehen“, ist er überzeugt. „Wir Chorleiter sind Multiplikatoren und haben eine Ausstrahlung, die auf den ersten Blick vielleicht gar nicht so sichtbar ist.“ Deswegen steht es für ihn außer Frage, dass die Chorarbeit keinesfalls irgendwelchen Sparmaßnahmen zum Opfer fallen sollte.

Kantor mit Leib und Seele

Kantor ist Roland Gäfgen, trotz seiner vielen anderen Talente, mit Leib und Seele. „Das ist nicht ein Job, das sind ganz viele Jobs“, erklärt er und zählt auf: „Man ist Chorleiter und Dirigent, Interpret am Instrument, freischaffender Künstler, Komponist, Moderator und natürlich auch Organisator.“ Dass sich all dies nicht im Rahmen der 55-Prozent-Stelle machen lässt, die er offiziell innehat, ist nicht wirklich überraschend. Es ist eher ein hundertprozentiger Einsatz, mit dem er seine Aufgaben als Kantor erfüllt. Das ist auch der Gemeinde nicht verborgen geblieben, die sein Engagement immerhin projektabhängig mit bis zu zehn Prozent zusätzlich honoriert. Auch, wenn Roland Gäfgen das nicht an die große Glocke hängt, ist bei all der Vielfalt seiner Begabungen und Aufgaben nicht zu vergessen, dass er sich auch als Familienvater immer eingebracht hat. Nächstes Jahr ist er mit seiner Frau Katharina 25 Jahre verheiratet, zwei der drei Söhne sind inzwischen aus dem Haus. Aber langweilig, so viel steht fest, wird es Roland Gäfgen deswegen ganz sicher nicht.