Ein 36-Jähriger handelt mit Rauschgift im großen Stil. Jetzt steht er vor Gericht.

Renningen - Der Mann auf der Anklagebank des Leonberger Amtsgerichts wirkt unauffällig, in einer Menschenmenge würde man ihn wohl kaum bemerken. Und vielleicht war das in seinem Leben sein größter Trumpf, denn er konsumierte mindestens 18 Jahre lang Drogen, ohne dass die Behörden auf ihn aufmerksam wurden.

 

Zum Verhängnis wurde ihm, dass er irgendwann in den Handel damit in großem Stil eingestiegen ist. Das Schöffengericht in Leonberg musste darüber entscheiden, ob er ins Gefängnis muss oder sein bürgerliches Leben weiterführen kann.

Die Anklage hatte es in sich: Der Staatsanwalt warf ihm vor, im Februar und März vergangenen Jahres einmal zwei und einmal drei Kilogramm Marihuana von einem Großhändler zum Kilopreis von 5250 Euro in Bad Peterstal-Griesbach gekauft zu haben. Dies habe er zum Kilopreis von 6000 Euro weiterverkauft, um seinen eigenen Konsum zu finanzieren. Zudem fand die Polizei bei der Durchsuchung seiner Wohnung im April vergangenen Jahres 40 Gramm Marihuana und wenige Gramm Amphetamine, Verpackungsmaterial sowie rund 9500 Euro Dealergeld, das zum Teil in Folie verschweißt war. Die Anklage lautete auf gewerbsmäßigen Handel mit und unerlaubten Besitz von Rauschgift.

Mann räumt die Vorwürfe ein

Die Tatvorwürfe räumte der 36-Jährige durch einen seiner beiden Verteidiger in einer kurzen Erklärung in vollem Umfang ein. Und er legte eine Lebensbeichte ab, zunächst stockend, dann immer flüssiger. Er sei im Raum Pforzheim aufgewachsen und mehrmals mit seinen Eltern umgezogen. Auf der Realschule sei er im Alter von 16 Jahren erstmals mit Drogen in Kontakt gekommen, um akzeptiert zu werden und dann „in die örtliche Szene reingerutscht“. Täglich habe er Marihuana geraucht.

Beruflich war er dennoch erfolgreich: Eine Maurerlehre schloss er ab, er arbeitete in der Produktion verschiedener Unternehmen und legte die Meisterprüfung ab. „Marihuana war aber der stetige Begleiter in meinem Leben, und als ich in der Nachtschicht gearbeitet habe, kamen auch noch Amphetamine dazu“, berichtete der 36-Jährige.

Die Drogen hätten ihm auch geholfen, seine Probleme zu verdrängen, die er als Abteilungsleiter in einem Baufachhandel mit nach Hause genommen habe. Außerdem hätten diese mildernd auf seine Krankheit Morbus Crohn gewirkt.

Sein Leben auf den Kopf gestellt habe die Wohnungsdurchsuchung bei ihm im April 2019, nach der er eine Nacht in einer Gefängniszelle verbrachte. „Da ist mir klar geworden, dass ich ein solches Leben nicht mehr führen will und habe von einem Tag auf den anderen die Finger von Marihuana gelassen“, erzählte der Angeklagte. Er habe eine Langzeittherapie über 20 Wochen in einer Klinik gemacht und sei derzeit in Nachsorge in Leonberg. Zwei Drogenscreenings, die einer seiner Anwälte vorlegte, zeigten, dass er derzeit clean sei. Er habe nun wieder einen engeren Kontakt zu seiner Familie, sei seit kurzem Onkel und wünsche sich mit seiner Frau selbst Kinder. Seine Firma unterstütze ihn und würde ihn bei einer Bewährungsstrafe weiterbeschäftigen.

36-Jähriger galt als zuverlässiger Kurier

Um die Rolle des Mannes in dem ganzen Drogenkomplex zu verstehen, ließen sich die Richter die Ermittlungen ausführlich von einem Kommissar des Polizeipräsidiums Karlsruhe schildern. Dieser erklärte, ursprünglich sei gegen zwei andere Dealer ermittelt worden, mit einem habe der Angeklagte öfters Kontakt gehabt. „Dieser hielt sich meist im Hintergrund, der Angeklagte war das Sprachrohr, das Treffen organisierte“, erklärte der Polizist. Durch eine Telefonüberwachung sei man auf die Spur des 36-Jährigen gekommen und habe Videoüberwachungen von zwei Rauschgiftübernahmen machen können.

„Treffpunkt war eine Schutzhütte im Wald bei Bad Peterstal-Griesbach, in deren Nähe einer der Dealer eine Marihuana-Plantage angebaut hatte“, erzählte der Kommissar. Anfangs sei der 36-Jährige nur Abnehmer eines anderen Dealers gewesen, später habe er ebenfalls als Zwischenhändler direkt beim Drogenanbauer bestellt. „Er wurde von Kollegen als zuverlässiger Kurier bezeichnet, alle anderen seien Hosenscheißer“, zitierte der Kommissar aus der Handyüberwachung. Allerdings sei seine Kommunikation ziemlich laienhaft gewesen, andere seien sehr viel professioneller gewesen und hätten verschlüsselt kommuniziert.

Der Staatsanwalt sah keine Möglichkeit für eine Bewährung und forderte eine Haftstrafe von zwei Jahren und drei Monaten. „Drogenhandel im mittelgroßen Stil muss Folgen haben, da war erhebliche kriminelle Energie im Spiel“, erklärte er, auch wenn das Geständnis und der neue Lebenswandel des Angeklagten strafmildernd wirkten.

Um Milde bat ein Verteidiger im Schlussplädoyer: Eine bessere Sozialprognose als beim Angeklagten, der sein Innerstes nach außen gekehrt habe, sei nicht möglich. „Natürlich hat er Mist gebaut, aber eine Bewährungsstrafe sollte möglich sein.“ Sein Kollege verwies darauf, dass die Gefahr eines Rückfalls bei einer Gefängnisstrafe statistisch sehr hoch sei.

Nach eingehender Beratung verurteilte das Schöffengericht den 36-Jährigen letztlich zur höchstmöglichen Bewährungsstrafe von zwei Jahren und 120 Stunden gemeinnütziger Arbeit. Es müsse zwar offen bleiben, ob tatsächlich nur der eigene Suchtdruck zum Handel im Kilogramm-Bereich geführt habe, sagte Richterin Sandra De Falco. Und es sei erstaunlich, wie man als Drogenkonsument 18 Jahre unter dem Radar bleiben konnte. „Aber das Urteil ist eine Chance für Sie, Ihr Leben in eine andere Richtung zu lenken“, gab sie dem 36-Jährigen mit auf den Weg.