Das Amtsgericht verurteilt einen Mann zu einer Haftstrafe. Zeugen tischen reihenweise Lügen auf.

Weil der Stadt - Mit Drogengeschäften in einer Sozialunterkunft in Weil der Stadt hat sich das Amtsgericht Leonberg beschäftigen müssen. Angeklagt war ein 36-jähriger Bewohner des Heimes aus Gambia, der dort einen regen Handel mit Marihuana betrieben haben soll. Bei einer Durchsuchung seiner Wohnung im Februar dieses Jahres fand die Polizei knapp 77 Gramm Marihuana bei ihm. Über seinen Verteidiger ließ der 36-Jährige erklären, er habe 50 Gramm des Rauschgifts gekauft und den Rest dazu geschenkt bekommen. Es sei aber nur für seinen eigenen Konsum gedacht gewesen.

 

Auf die Spur des Angeklagten war die Polizei über einen anderen, 20 Jahre alten Asylbewerber gekommen, der ebenfalls in der Unterkunft lebte. Dieser erklärte im Zeugenstand, er habe zwischen März 2018 und Januar dieses Jahres im Schnitt zweimal pro Monat jeweils ein Gramm zum Preis von je zehn Euro beim Angeklagten erworben. Zur Anzeige habe er sich entschlossen, weil dieser ihm bei einem Geschäft fünf Euro zu wenig herausgegeben habe.

Angst vor Abschiebung

Polizei und Staatsanwaltschaft hielten den 20-Jährigen für glaubhaft. „Er ist sicher kein Unschuldslamm, aber er hatte Detailwissen“, erklärte ein Polizist vor Gericht. So wusste der 20-Jährige unter anderem zu berichten, dass der Angeklagte nicht nur sein eigenes Zimmer für Drogengeschäfte nutzte, sondern auch ein zweites in einem anderen Stockwerk, in dem ein Bett frei war. „Er hat dort auch geschlafen, weil er Angst hatte, abgeschoben zu werden“, sagte der 20-Jährige.

Vier weitere Zeugen, die der 20-Jährige ebenfalls als Käufer des Angeklagten benannt hatte, bestritten dies jedoch vor Gericht allesamt. Sie behaupteten, selbst keine Drogen zu nehmen und mit dem Angeklagten nur gekocht oder sich von ihm Gewürze ausgeliehen zu haben. Der 20-Jährige wolle dem Angeklagten nur eins auswischen. Sehr schnell wurde jedoch klar, dass das Quartett die Unwahrheit sagte: Der Angeklagte hatte bei der Polizei selbst angegeben, mit ihnen geraucht zu haben. Zudem war einer der Zeugen sogar wegen eines Rauschgiftdelikts vorbestraft.

Der Staatsanwalt hielt die Aussage des 20-Jährigen für wahr. „Er ist ein schlichtes Gemüt, aber nicht dumm“, erklärte er in seinem Schlussplädoyer. Wenn man jemanden zu Unrecht belaste, gehe man anders vor und belaste sich mit seiner Aussage nicht selbst. Für nicht glaubhaft hielt er die Einlassung des Angeklagten, die 77 Gramm Marihuana seien komplett für den Eigengebrauch gewesen. „Solche Mengen kauft niemand für sich allein, der Stoff wird trocken“, meinte der Anklagevertreter. Zudem kenne er keinen Dealer, der einem beim Kauf von 50 Gramm Stoff noch einmal mehr als die Hälfte dazugebe. Darüber hinaus habe er die 77 Gramm Marihuana ohne Drogengeschäfte gar nicht finanzieren können, da er nach eigenen Angaben als Asylbewerber nur 390 Euro pro Monat bekommen habe.

Der Staatsanwalt forderte eine Haftstrafe von zweieinhalb Jahren für den Angeklagten, da er unter Bewährung stand und vorbestraft sei. „Er ist erst im März vergangenen Jahres aus der Untersuchungshaft entlassen worden und hat nichts Besseres zu tun, als gleich wieder in seinen Business einzusteigen“, erklärte der Staatsanwalt.

„Es gibt keine objektiven Beweise“

Der Verteidiger war der Ansicht, dass dem 36-Jährigen keine Drogengeschäfte nachzuweisen seien. „Es gibt keine objektiven Beweise wie Verpackungsmaterial oder eine Waage, es bleibt alles im trüben Nebel“, sagte der Anwalt. Der 20-jährige Mitbewohner wolle seinem Mandanten „eine reinwürgen“, weil es zwischen ihnen zum Streit wegen eines Fahrrads gekommen sei. Der 20-Jährige habe sich bei seiner Vernehmung zudem mehrfach widersprochen und keine Details benennen können. Er plädierte für eine kurze Bewährungsstrafe von weniger als sechs Monaten wegen Drogenbesitzes.

Amtsrichterin Sandra De Falco und ihre Schöffen schlossen sich dem Antrag des Staatsanwalts an und verurteilten den Gambier zu zweieinhalb Jahren Haft. Auch sie hielten eine Menge von 77 Gramm Marihuana für zu viel für den reinen Eigenkonsum. „Und dass Ihnen ein Dealer Mengenrabatt gibt, ist ebenso abwegig“, sagte De Falco. Zudem habe er sich diese Menge nicht von seinem Geld als Asylbewerber kaufen können. Den 20-Jährigen hielt das Gericht für glaubhaft, da er keinen Vorteil davon habe, wenn er den Angeklagten zu Unrecht belasten würde.

Da das Gericht die Bewährung widerrief, muss der Angeklagte zu den zweieinhalb Jahren auch noch die Strafe von einem Jahr und drei Monaten aus seinem ersten Urteil absitzen. Und auf die vier Kunden von ihm, die als Zeugen falsch ausgesagt hatten, warten Strafverfahren wegen uneidlicher Falschaussage.