Ein Ehepaar muss sich vor dem Amtsgericht Leonberg wegen des Anbaus einer kleinen Cannabis-Plantage im Keller verantworten.

Die Frau auf der Anklagebank des Leonberger Amtsgerichts ist erkennbar schwer krank. Sie kann nur mühsam laufen, ihre Haut ist gerötet, die Haut an den Händen ist derart verletzt, dass sie weiße Handschuhe darüber trägt. Lupus erythematodes heißt die Autoimmunkrankheit, die die Frau im Jahr 2009 ereilt hat. Die 41-Jährige leidet unter Fieber und Gelenkschmerzen, die Sonne meidet sie, so gut es geht. „Meine Gesichtshaut verbrennt sonst total“, gibt die Frau aus dem Altkreis der Vorsitzenden Richterin Sandra De Falco und den beiden Schöffen Einblick in ihre Leidensgeschichte.

 

Arbeiten kann die dreifache Mutter schon seit vielen Jahren nicht mehr, sie lebt von einer Erwerbsunfähigkeitsrente. Ihr Mann pflegt sie rund um die Uhr. Diesem Ehepaar warf die Staatsanwaltschaft Drogenhandel in größerem Stil vor. Bei einer Hausdurchsuchung im Mai vergangenen Jahres fanden die Beamten im Keller drei sogenannte Growboxen, in denen Marihuana gezüchtet wurde. Rund 270 Gramm des Rauschgifts beschlagnahmten die Beamten, das Landeskriminalamt stellte im Labor einen vergleichsweise hohen Wirkstoffgehalt zwischen sieben und 19 Prozent THC fest.

Cannabis als Medizin

Unumwunden gaben die beiden Angeklagten den Anbau von Marihuana in ihrem Keller zu. „Wegen der Krankheit wurde unter ärztlicher Aufsicht mit vielen Medikamenten herumexperimentiert. Irgendwann probierten beide Marihuana aus, wie viele andere kranke Menschen auch“, erklärte Rechtsanwältin Kristina Brandt. Es habe im Körper Bereiche gegeben, die gut auf die Cannabinoide ansprächen. Da Marihuana schwer zu besorgen sei, hätten sie für den Eigenbedarf die Pflanzen im Keller angebaut. „Ich habe zwei Minuten im Internet recherchieren müssen, um mehrere Samenhersteller zu finden“, erklärte der 43-jährige Ehemann.

Er habe mit einer Pflanze angefangen, nach mehreren Rückschlägen habe es immer besser geklappt. „Meine Frau braucht circa 30 Gramm pro Monat, die mit einem Vaporisateur verdampft werden. Diese Menge habe ich immer vorrätig zu halten versucht“, erklärte der Mann, der einräumte, dass er die gesamte Aufzucht und Pflege übernommen habe, da seine Frau ihre Händen nicht in Erde stecken könne. Die drei Kinder hätten von allem nichts gewusst, der Keller sei stets abgeschlossen gewesen. Zum Trocknen habe man die Cannabisblüten in Kartons gelegt, die im Schlafzimmer versteckt gewesen seien. Beide bestritten jedoch vehement, mit dem Marihuana Handel getrieben zu haben.

Freundinnen der Tochter erzählten Polizei von Cannabis-Plantage

Auf welch kuriose Weise die Polizei dem Ehepaar auf die Spur kam, schilderte ein Kriminalbeamter. Zwei Klassenkameradinnen der Tochter seien wegen Ladendiebstahls auf dem Polizeirevier gewesen und hätten beiläufig erwähnt, dass die Tochter von einer Cannabis-Plantage in ihrem Keller erzählt habe. Da sie das nicht glauben wollten, hätte diese ihnen über das soziale Netzwerk Snapchat sogar ein Beweisfoto geschickt. Er habe dann den Stromverbrauch in der Wohnung des Ehepaares überprüft und dabei festgestellt, dass dieser deutlich über dem normalen Durchschnitt einer fünfköpfigen Familie liege. „Weil das Ganze dann plausibel schien, haben wir im Mai vergangenen Jahres eine Hausdurchsuchung veranlasst, bei der die Plantage im Keller gefunden wurde“, berichtete der Beamte. Staatsanwalt Marco Pattis ließ in seinem Schlussplädoyer den Vorwurf des Drogenhandels fallen und plädierte auf Bewährungsstrafen von acht Monaten für die Frau und zehn Monaten für den Mann wegen unerlaubten Besitzes von Rauschgift in nicht geringer Menge.

Die Verteidiger des Ehepaares hielten nur vier Monate für angemessen. „Meine Mandantin leidet unter einem desolaten Gesundheitszustand ohne Aussicht auf Besserung und hat eine ziemliche Odyssee bei teilweise ratlosen Ärzten hinter sich“, sagte Rechtsanwältin Brandt. Rechtsanwalt Martin Blume erklärte, moralisch habe er sogar Verständnis für die Tat.

Leidensgeschichte spricht für sich

Am Ende verurteilte das Schöffengericht den Mann zu einer achtmonatigen Bewährungsstrafe, die Frau zu sechs Monaten Haft auf Bewährung, sah ansonsten aber von Geld- oder Arbeitsauflagen ab. „Ihre Geständnisse und Ihre Leidensgeschichte sprechen für Sie“, meinte die Vorsitzende Richterin Sandra De Falco. Allerdings sei der Weg in die Illegalität selbst gewählt gewesen. Beiden stellte sie jedoch eine positive Sozialprognose aus – vor allem, weil die Frau nunmehr knapp 20 Gramm Marihuana monatlich von ihrem Hausarzt verschrieben bekommt.