Ein alkoholkranker Mann beleidigt Polizisten und Ärzte, weil im Krankenhaus sein Pullover zerschnitten wird.

Leonberg - Es ist der typische Lebenslauf eines alkoholkranken Straftäters, den der 34-jährige Mann auf der Anklagebank des Leonberger Amtsgerichts schildert. Der Vater verließ die Familie als er zwei Jahre alt war, und da auch die Mutter große Probleme mit sich selbst hatte, landete er schon in jungen Jahren in einem Kinderheim in Bayern. Mit 14 ging er aus eigenem Antrieb zum Jugendamt. „Ich dachte, dann wird es besser. Doch das Gegenteil war der Fall, ich lernte Alkohol und Drogen kennen“, sagte der schlanke Mann mit dem Kapuzenpulli. Mit 21 Jahren kam er das erste Mal ins Gefängnis. Als er wieder rauskam verfiel er mit 24 Jahren vollends dem Alkohol. Nicht weniger als 23 Vorstrafen stehen seitdem in seiner Akte.

 

Die 24. droht ihm bei Amtsrichterin Jasmin Steinhart, vor der er sich wegen Vortäuschens einer Straftat, mehrfacher Beleidigung und Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte verantworten muss. Es geht um zwei Tatkomplexe: Zum einen soll er im Dezember 2017 bei der Polizei in Leonberg angerufen und erzählt haben, er sei Opfer einer Messerattacke geworden. Tatsächlich habe er sich aber selbst dabei verletzt, als er in einem Obdachlosenheim eine Schranktür mit dem Fuß eingetreten habe. Zum anderen soll er bei einer Behandlung im Leonberger Krankenhaus im Januar vergangenen Jahres ausgerastet sein, als die Ärzte seinen Pullover zerschnitten hätten. Es sollen Beleidigungen wie „Bullenschweine“ und „Hurensöhne“ gegenüber Ärzten und Polizisten gefallen sein, die den Blut spuckenden Angeklagten zu Boden drücken und mit Handschellen fesseln mussten, um ihn unter Kontrolle zu halten.

Ihm fehlt die Erinnerung

Der Angeklagte will gerne reinen Tisch machen, doch an viel erinnert er sich nicht. „Ich habe keine Ahnung, warum ich bei der Polizei angerufen habe, nachdem ich den Schrank zertrümmert hatte“, sagte der 34-Jährige, der sich dafür einen Tag später bei der Polizei entschuldigt hatte. Ein Polizeibeamter erklärte, die Streife, die man nach dem Anruf ins Obdachlosenheim geschickt hatte, habe auf Anhieb gesehen, dass es keinen Messerangriff gegeben haben könne, da das Schnittbild der Verletzungen nicht dazu gepasst habe.

Auch an die Vorfälle im Krankenhaus hat der Angeklagte nur lückenhafte Erinnerungen. „Ich weiß, dass ich nicht damit einverstanden war, dass mein Pulli zerschnitten wird, weil das ein Geburtstagsgeschenk meiner Mutter war“, erzählte er. Dafür kann einer der beteiligten Polizisten die Geschehnisse ziemlich gut erhellen: Ein Kollege und er hätten den Mann mit blutender Nase und Schnittwunden an der Lippe in einem Gebüsch gefunden, ein Rettungswagen sei schon vor Ort gestanden. „Der Angeklagte stand erkennbar unter Alkohol und Cannabis, er schlug im Rettungswagen gegen Geräte und musste fixiert werden“, berichtete der Polizist.

Im Krankenhaus habe er bei einer Computertomografie seine Brille und eine Bleischürze weggeworfen und Ärzte und Polizisten beleidigt. Richtig aggressiv sei er geworden, als man seinen Pullover zerschnitten habe, um nach Verletzungen an seinem Oberkörper zu schauen. Er habe mit Handschellen an einer Trage fixiert werden müssen und einen Spuckschutz bekommen, da er blutigen Speichel nach allen Seiten gespuckt habe und den Ärzten vorgeworfen habe, sie würden „seine Nase vergewaltigen“. „Er hatte sich nicht mehr unter Kontrolle, aber wir kannten ihn, da wir schon öfter mit ihm zu tun hatten“, erklärte der Polizist, der bei den Auseinandersetzungen selbst Hautabschürfungen erlitten hatte.

Seit Herbst ist der 34-Jährige trocken

Richterin Steinhart verurteilte den 34-Jährigen wegen Vortäuschens einer Straftat, mehrfacher Beleidigung und Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte zu einer sechsmonatigen Gefängnisstrafe, wie von der Staatsanwaltschaft beantragt. Der Verteidiger hatte auf eine Bewährungsstrafe gehofft. „Der Angeklagte steht heute anders da als zur Tatzeit, seine Bemühungen um Besserung würden nicht gewürdigt“, erklärte er. Eine Bewährungsstrafe kam jedoch nicht in Betracht, da der Angeklagte noch unter Bewährung stand und noch ein weiteres Verfahren vor dem Amtsgericht Heilbronn wegen Körperverletzung bevorstand. Dennoch gibt es für ihn möglicherweise Licht am Ende des Tunnels: Im Herbst vergangenen Jahres hat der 34-Jährige eine Alkoholtherapie abgeschlossen und ist seitdem trocken. Zudem hat er von seinem Onkel eine Wohnung in Bietigheim geerbt, in die er mit seiner Lebenspartnerin ziehen will, wenn er aus dem Gefängnis entlassen wird.