Ein 23-Jähriger muss sich wegen versuchten Totschlags verantworten.

Leonberg - Es ist eine Welle der Gewalt, die in der Nacht zum 30. November vergangenen Jahres gegen 3.15 Uhr über das 56-jährige Opfer hereingeschwappt ist: Laut Anklage soll ein 23-jähriger Leonberger dem Mann nach einem Streit in der Europa Bar in der Klosterstraße mit der Faust ins Gesicht geschlagen haben, ihn zu Boden gebracht und dort mit Händen und Füßen traktiert haben. Danach soll er Tische und Stühle auf ihn geworfen und ihn anschließend die Treppe zum Ausgang hinuntergeworfen haben.

 

Doch der Gewaltexzess habe auch dort noch kein Ende gefunden, heißt es in der Anklage weiter. Auch im Freien soll der 23-Jährige dem wehrlosen Opfer weitere Tritte und Schläge gegen den Kopf versetzt haben und diesen sogar mit den Händen auf den Boden geschlagen haben. Als der Wirt den 56-Jährigen weggezogen habe, um ihn in Sicherheit zu bringen, soll der Angeklagte dem wehrlosen Mann sechs Stiche mit einem Klappmesser in den Rücken versetzt haben. Das Opfer habe mehrere Knochenbrüche und lebensgefährliche Verletzungen erlitten und sei nur durch eine Notoperation gerettet worden, hieß es abschließend in der Anklageschrift.

Drogen, Alkohol und abgebrochene Ausbildungen

Beim Prozessauftakt am Montag vor dem Landgericht Stuttgart, wo sich der 23-Jährige wegen versuchten Totschlags und gefährlicher Körperverletzung verantworten muss, erklärte der junge Mann, er könne sich an die Tat nicht erinnern. „Das Letzte, was ich noch weiß, ist, dass jemand ein Taxi rufen wollte“, erklärte er. Dann könne er sich erst wieder daran erinnern, gegen 9.30 Uhr in einer Zelle aufgewacht zu sein.

Mit stockenden Worten erzählte der junge Mann mit den zum Zopf geflochtenen Dreadlocks und auffälligen Ohrringen, dass sein Leben von Drogen, Alkohol und abgebrochenen Berufsausbildungen geprägt gewesen sei. Bereits mit elf oder zwölf Jahren ist er mit Cannabis und Alkohol in Kontakt gekommen. „Mit 16 oder 17 habe ich unter der Woche Bier und Wein getrunken, am Wochenende Tequila und Wodka“, berichtete er. Kokain habe er erstmals mit 14 ausprobiert, zwei Jahre später habe er auch Speed, Ecstasy und LSD konsumiert. „Anfangs war es einfach Spaß, später bin ich nicht mehr von dem Zeug weggekommen“, erzählte er.

Nach dem Hauptschulabschluss habe er eine Lehre zum Industriemechaniker ebenso abgebrochen wie eine zum Koch. „Während ich arbeitslos war, habe ich immer wieder gefeiert und Party gemacht“, erklärte der 23-Jährige weiter. Mit 16 Jahren sei er dann zu seinem Onkel nach Frankreich gegangen, um dort in dessen Malerbetrieb auszuhelfen. „Ich wollte Abstand von meinem Freundeskreis und dem Drogenkonsum“, erklärte er. Doch er sei wieder nach Deutschland zurückgekommen, um hier eine Ausbildung als Maler zu machen. Diese habe er aber ebenfalls abbrechen müssen, da er zunächst an Gürtelrose und dann an einer Lungenentzündung erkrankt sei.

Das Opfer kann sich kaum erinnern

Am Tattag habe er tagsüber Bier und Wein getrunken und abends in einer Pizzeria Bier und Grappa. Er sei schon auf dem Heimweg gewesen, als ihm ein Kumpel vorgeschlagen habe, noch ein Bier in der Europa Bar zu trinken. „Ich fühlte mich angetrunken“, erklärte er auf Frage des Vorsitzenden Richters nach seinem Zustand. In der Bar habe er den 56-Jährigen getroffen, und mit ihm ein Bier getrunken. Dann habe er einen Filmriss gehabt.

Genaue Erinnerungen an die Tatnacht hat auch das Opfer nicht mehr. „Ich war nachts spazieren und bin noch in die Europa Bar, um dort Zigaretten zu kaufen“, sagte er vor dem Landgericht. Dann habe ihn der Angeklagte, den er an diesem Abend zum ersten Mal gesehen habe, angesprochen, ob er ihm nicht ein Bier ausgebe, was er getan habe. Als er gehen wollte, habe er festgestellt, dass seine Zigaretten weg gewesen seien. „Ich wollte dann zum Ausgang, als mich der Angeklagte in einen Nebenraum gezogen hat und mir ein oder zwei Messerstiche versetzt hat“, gab der 56-Jährige vor Gericht an. Danach sei ihm heiß geworden und er habe das Bewusstsein verloren. Am nächsten Morgen sei er im Krankenhaus wieder zu sich gekommen.

Der Prozess am Landgericht Stuttgart wird am 10. Juli fortgesetzt. Das Urteil soll nach derzeitiger Planung am Donnerstag, 19. Juli, verkündet werden.