Ein 39-jähriger Mann wird vom Amtsgericht Leonberg wegen Drogenhandels verurteilt.

Leonberg - Corona hat schon für einige unliebsame Überraschungen gesorgt. Einen 39-jährigen psychisch labilen Mann hat die Angst vor den Folgen der Pandemie auf die Anklagebank des Leonberger Amtsgerichts gebracht. Corona wurde hier zu Kommissar Zufall.

 

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Eigentlich wurde die Polizei im April vergangenen Jahres nur wegen eines randalierenden Mieters nach Merklingen gerufen. Doch als die Polizei dessen Wohnung durchsuchte, stieß sie auf insgesamt 116 Gramm Marihuana, das zum Teil in Zip-Tütchen vorportioniert war, eine Feinwaage und 215 Euro Bargeld in szenetypischer Stückelung, das offenbar aus dem Verkauf von Drogen stammte. Da die gefundene Menge umgerechnet für mehr als 1250 Konsumeinheiten Marihuana reichte, wurde der 39-Jährige wegen unerlaubten Handels mit Rauschgift in nicht geringer Menge angeklagt.

Er will seine Vermieterin töten

Vor Gericht räumte er den Besitz der Drogen ein. Was genau an dem Tag im April 2020 vorgefallen war, daran konnte er sich jedoch nicht mehr erinnern. „Ich weiß nur noch, dass ich zu Beginn der Coronapandemie große Angst vor einem Dritten Weltkrieg hatte. Die Bilder von den Krankenwagen in den USA im Fernsehen haben mich fast verrückt gemacht“, sagt der 39-Jährige.

Sehr gut konnten sich die Vermieterin und mehrere Polizisten noch erinnern, was an besagtem Apriltag vorgefallen war. „Ich kenne den Angeklagten seit Kindertagen, er hat ein Jahr lang bei mir gewohnt“, berichtete die Vermieterin. An jenem Tag habe der 39-Jährige mehrfach die Fenster zugeschlagen, in der Wohnung Dinge umgeworfen und geschrien, dass alle mit Corona infiziert seien. „Auf einmal stand er bei uns im Wohnzimmer und sagte, dass er uns umbringen wolle, weil wir ihn mit Corona infizieren wollen“, so die Vermieterin, die die Polizei alarmierte.

„Er war nicht mehr Herr seiner Sinne“

Als die Beamten mit zwei Streifenwagen ankamen, lief der 39-Jährige ihnen entgegen und wiederholte seinen Vorwurf gegenüber seiner Vermieterin. „Er ließ sich widerstandslos festnehmen“, berichtete ein Polizist. Nachdem man in seiner Wohnung die Drogen gefunden habe, habe man entschieden, den Mann ins Zentrum für Psychiatrie nach Hirsau zu bringen. „Er war in einem psychischen Ausnahmezustand und nicht Herr seiner Sinne.“

Die Vermieterin erklärte, einige Wochen später sei der Mann in seine Wohnung gekommen, dort aber allein nicht mehr zurechtgekommen. „Er war dann mit seiner Mutter in der Türkei, von dort ist er deutlich ruhiger zurückgekommen.“

„Das war keine Hau-Ruck-Aktion“

Obwohl der Angeklagte am Tag seiner Festnahme in einem Ausnahmezustand war, hielt die Staatsanwältin ihn für schuldfähig. „Er hat sich Drogen in enormem Umfang besorgt, diese abgewogen und portioniert, das war keine Hau-Ruck-Aktion, sondern zeugt von planvollem Handeln“, erklärte sie und forderte eine Bewährungsstrafe von eineinhalb Jahren. Gegen ihn sprächen zwar seine beiden Vorstrafen und die große Menge Marihuana. Diese sei aber nicht in den Verkauf gelangt. Zudem sei der Angeklagte selbst drogenabhängig gewesen und habe ein Geständnis abgelegt.

Diesem Antrag schloss sich der Verteidiger an. „Er hat sich inzwischen stabilisiert, eine Gefängnisstrafe würde diese positive Entwicklung konterkarieren“, erläuterte der Rechtsanwalt, der zudem darauf hinwies, dass sein Mandant eine schwere Kindheit mit kriminellen Brüdern gehabt habe und die Jugendhilfe regelmäßig in der Familie eingreifen musste.

Zurück ins geregelte Leben

Das Gericht verurteilte den Mann zu einer Bewährungsstrafe von einem Jahr und sechs Monaten. Zudem muss der 39-Jährige sechs Termine bei der Suchtberatung wahrnehmen, drei negative Drogenscreenings in diesem Jahr vorlegen und 30 Stunden gemeinnützige Arbeit leisten. „Mit diesen Auflagen wollen wir Ihnen helfen, wieder in ein geregeltes Leben zurückzufinden“, sagte die Richterin.