Ein Ex-Unternehmer macht im Alkoholrausch mehreren Polizisten zu schaffen, die ihm nur helfen wollen.

Leonberg - Der Mann mit dem kahlrasierten Schädel auf der Anklagebank des Amtsgerichts strahlt Seriosität aus mit seinem Sakko und der modischen Brille. Und tatsächlich ging es im Leben des 47-Jährigen auch lange Zeit steil bergauf.

 

Der gelernte Schlosser und Industriemechaniker floh 1989 aus der ehemaligen DDR und verdingte sich zunächst als Fahrer, ehe er 1992 in die USA ging und Maschinenbau studierte. Zehn Jahre später kam er nach Deutschland zurück und arbeitete bei verschiedenen Firmen überwiegend im Personalbereich.

2009 gründete er mit seiner Frau eine eigene Firma, ehe es ihn 2013 knüppeldick erwischte: Zunächst starb seine Mutter nur vier Monate, nachdem sie in den Westen gekommen war. Wenige Monate später musste er mit seiner Firma Insolvenz anmelden, wiederum ein Jahr später starb sein Vater und seine Frau ließ sich von ihm scheiden. „Das war eine sehr schwierige Zeit“, sagte der Angeklagte, der damals auch Trost im Alkohol suchte, den er bis 2012 komplett gemieden hatte. Aus der Insolvenz hat er bis heute Schulden in sechsstelliger Höhe.

Aggressiv gegenüber der Polizei

Vielleicht war es dieser schwierigen persönlichen Situation geschuldet, dass der 47-Jährige beim letztjährigen Pferdemarktsdienstag erneut sehr tief ins Glas schaute. Am Nachmittag bekam die Leonberger Polizei einen Anruf vom DRK, auf dem Marktplatz sei ein Mann so betrunken, dass er ohne Hilfe nicht mehr stehen könne. Als die Polizei mit mehreren Beamten anrückte – so die Anklage – habe der 47-Jährige diese weggestoßen und noch am Boden liegend sich geweigert, Handschellen anlegen zu lassen, indem er die Hände unter dem Bauch versteckte. Insgesamt vier Polizisten seien nötig gewesen, um den Mann zu einem Auto zu bringen, ihn auf der Motorhaube zu fixieren und schließlich auf den Rücksitz zu verfrachten.

Immer wieder habe er die Beamten mit derben Kraftausdrücken und Aussagen wie „Mit meinen Steuern zahle ich eure Gehälter“ beleidigt. Auch auf dem Polizeirevier, wo die Polizisten dem Angeklagten zum eigenen Schutz Brille, Uhr und Schnürsenkel abnehmen wollten, habe er immer wieder um sich geschlagen und sich bedrohlich aufgebaut. Ein Polizist sei bei dem Handgemenge leicht verletzt worden.

„Nach der Aktion war ich schweißgebadet“

Der Angeklagte erklärte vor Gericht, er habe an den Tag keinerlei Erinnerung, es tue ihm aber leid, was passiert sei. Umso mehr erinnerten sich die beteiligten Polizisten an den Vorfall. „Ich bin nicht gerade unsportlich, aber nach der Aktion war ich schweißgebadet“, erklärte ein 28-jähriger Polizeioberkommissar dem Richter, der den Angeklagten wegen Angriffs auf Vollstreckungsbeamte, Körperverletzung und Beleidigung für schuldig sprach.

Darüber hinaus verurteilte ihn Richter Thomas Krüger auch wegen vorsätzlicher Trunkenheit im Verkehr. Er sah es als erwiesen an, dass der 47-Jährige im April vergangenen Jahres mit einem Blutalkoholwert von 1,6 Promille Auto gefahren sei. Dies hatte der Angeklagte bestritten: Nach seiner Aussage sei er mit dem Auto in der Garage gestanden und habe dort fünf bis sechs Dosen Jackie Cola getrunken. In der Wohnung habe er das nicht machen können, da die Schwiegermutter seiner Lebensgefährtin es missbillige, wenn er trinke. Da ein Nachbar jedoch bezeugte, dass der Angeklagte nur 15 Minuten in der Garage war, kam Richter Krüger zu dem Schluss, dass der Angeklagte in dieser Zeit nicht auf einen Blutalkoholwert von 1,6 Promille gekommen sein könne.

Inzwischen lebt er abstinent

Für beide Taten verurteilte Krüger den 47-Jährigen zu einer viermonatigen Bewährungsstrafe und entsprach damit dem Antrag des Staatsanwalts. Der Richter bewertete es positiv, dass der Mann nicht einschlägig vorbestraft ist und in einer schwierigen persönlichen Situation gesteckt habe. Allerdings sei die Gewalt gegen die Polizisten massiv gewesen, die eigentlich nur zu seinem Schutz gehandelt hätten.

Für den Mann, der inzwischen mit einer neuen Lebenspartnerin in Balingen lebt, spreche zudem, dass er ein Abstinenz-Programm beim Tüv Südwest und eine verkehrstherapeutische Intensivberatung in Angriff genommen habe.