Da ein Gutachter den Zusammenstoß bei Renningen nicht eindeutig aufklären kann, spricht das Gericht die Fahrerin und den Vermieter des Fahrzeugs frei.

Renningen - Es war ein tragischer Unfall mit verheerenden Folgen, der sich an einem frühen Januarmorgen des vergangenen Jahres bei Renningen ereignet hatte: Als eine Lastwagenfahrerin von der B 464 auf die B 295 in Richtung Leonberg abbog, löste sich der Auflieger ihres Sattelzuges und krachte in das Auto eines entgegenkommenden 57-Jährigen. Der Wagen wurde von dem Auflieger gegen die Leitplanke gedrückt und eingeklemmt. Der Mann wurde lebensgefährlich verletzt und musste von der Feuerwehr aus dem Auto geborgen werden, die dazu die Fahrertür und das Dach aufschneiden musste. Der 57-Jährige erlitt bei dem Unfall ein offenes Schädel-Hirn-Trauma und mehrere Knochenbrüche. Er lebt heute in einem Pflegeheim und ist auf einen Betreuer angewiesen. Die strafrechtlichen Folgen dieses Unfalls wurden nun vor dem Amtsgericht Leonberg verhandelt.

 

Die Staatsanwaltschaft hatte die 54-jährige Lkw-Fahrerin und den Vermieter des Lastwagens wegen fahrlässiger Körperverletzung durch Unterlassen angeklagt. Nach ihren Ermittlungen hatte sich der Auflieger gelöst, weil die 54-Jährige vor der Fahrt nicht überprüft hatte, ob die Kupplung ordnungsgemäß verriegelt war. Dem 33-jährigen Vermieter des Fahrzeugs warf die Anklagebehörde vor, die Wartung nicht ordnungsgemäß gemacht zu haben, da die Kupplung nicht gefettet und stark verrostet war.

Auch die Angeklagten leiden unter den Folgen des Unfalls

Die beiden Angeklagten litten auch mehr als ein Jahr nach dem Unfall sichtbar unter den Folgen: Der 33-Jährige sah erschöpft und übernächtigt aus, die Frau kämpfte während des Prozesses immer wieder mit den Tränen. Zum Vorwurf wollten sich beide nicht ausführlich äußern. Der Vermieter erklärte lediglich, der Lastwagen sei seit 2016 an die Frau überlassen gewesen, mit dem Mietvertrag habe sie auch die Wartungspflicht übernommen. Zudem sei im November 2017 noch eine Wartung vorgenommen worden, bei dem die Kupplung geschmiert worden sei. Die 54-Jährige erklärte, sie sei seit zehn Jahren Berufskraftfahrerin und habe in dieser Zeit nur einen einzigen leichten Abbiegeunfall gehabt, obwohl sie pro Tag im Schnitt rund 600 Kilometer unterwegs gewesen sei. Sie wisse nicht, von was sie und ihre zwei Kinder leben sollten, da sie seit dem Unfall keinen Führerschein mehr habe.

Da ein Beamter der Verkehrspolizeidirektion Ludwigsburg im Zeugenstand auch nur sagen konnte, dass Anhängerkupplungen normalerweise nicht rostbraun seien, sondern „vor Fett triefen“ würden, kam es für das Urteil entscheidend auf das Gutachten eines Dekra-Sachverständigen an. Dieser war zu dem Ergebnis gekommen, dass die Fahrerin es unterlassen hatte, die Kupplung vor der Fahrt zu prüfen, denn dann hätte ihr auffallen müssen, dass ein Verschlusshaken nicht eingerastet war.

„Das Gutachten war unterirdisch schlecht“

Der Verteidiger der Lastwagenfahrerin brachte den Sachverständigen jedoch in Bedrängnis, als er auf die Kurz-Bedienungsanleitung des Kupplungsherstellers verwies. Dort war von einem roten Sicherungsstift die Rede, der den Fahrern als Kontrolle diene. „In der Bedienungsanleitung, die allen Fahrern ausgehändigt wird, heißt es, dass diese sicher sein können, dass die Kupplung eingerastet ist, wenn man den roten Sicherungsstift nicht mehr sieht“, erklärte der Anwalt. Es sei nicht nachweisbar, dass die 54-Jährige diese Prüfung vor der Fahrt nicht durchgeführt habe.

Da der Sachverständige zu dem roten Sicherungsstift in seinem Gutachten keine Stellung genommen hatte und auch in der Verhandlung am Amtsgericht keine Antwort geben konnte, sprach Richter Thomas Krüger die Fahrerin vom Vorwurf der fahrlässigen Körperverletzung durch Unterlassen frei und entsprach damit den Anträgen von Staatsanwaltschaft und Verteidigung. „Das Gutachten war unterirdisch schlecht und wies Widersprüche auf, sodass sich darauf keine Verurteilung stützen lässt“, fand Thomas Krüger deutliche Worte.

Noch im Gerichtssaal bekam die Frau ihren Führerschein zurück. Das Verfahren gegen den 33-Jährigen war schon kurz zuvor eingestellt worden, da ihm wegen der Wartung kein konkretes Fehlverhalten nachgewiesen werden konnte. „Seine Verantwortlichkeit bewegt sich am äußersten Rand dieses tragischen Ereignisses“, hatte sein Anwalt betont.