Der Ex-Bürgermeisterkandidat soll wegen mehrfacher gefährlicher Körperverletzung und falscher Verdächtigung in Haft. Er kündigt noch im Gerichtssaal Berufung an.

Leonberg - Nach einem knapp einmonatigen Prozess und sieben zum Teil emotionalen Verhandlungstagen mit mehreren Befangenheitsanträgen hat Amtsrichter Thomas Krüger am Freitag das Urteil gegen Helmut Epple gesprochen: Der 61-Jährige, der sich bei den Bürgermeisterwahlen in Weissach, Renningen und Rutesheim zur Wahl gestellt hatte, soll für zwei Jahre und acht Monate ins Gefängnis. Der Angeklagte sei in hohem Maße unbelehrbar und wegen ähnlicher Taten schon vorbestraft, sodass eine Geldstrafe nicht mehr in Betracht komme.

 

Mit seinem Urteil ging Amtsrichter Krüger sogar über die Forderung der Staatsanwältin hinaus, die zwei Jahre und zwei Monate Haft gefordert hatte. Epples Verteidiger Bernd Kiefer hatte keinen konkreten Antrag gestellt, sah aber viele Sachverhalte als nicht ausreichend aufgeklärt an oder den Angeklagten in einer Notwehrlage. Epple selbst hatte in seinem Schlusswort Freispruch in allen 16 Anklagepunkten gefordert und noch im Gerichtssaal Berufung gegen das Urteil angekündigt.

16 Anklagepunkte, 50 Zeugen

Von den ursprünglich 16 Anklagepunkten sah Krüger nach der Vernehmung von exakt 50 Zeugen 13 als erwiesen an, in drei Punkten sprach er Epple frei. Ausgangspunkt mehrerer Taten, die sich alle zwischen Oktober 2015 und Oktober 2016 ereigneten, war, dass der 61-Jährige mit seinem Smartphone Fotos von – seiner Meinung nach – rechtswidrigem Verhalten gemacht hatte. Als sich die Betroffenen dagegen wehrten, kam es zu Handgreiflichkeiten, bei denen Epple in vier Fällen Pfefferspray einsetzte. Unter anderem war der 61-Jährige gegen einen Hundehalter vorgegangen, weil dieser seine Vierbeiner in einem dafür vorgesehenen Bereich nicht angeleint hatte.

Gleich zweimal hatte Epple vermeintliche Ordnungswidrigkeiten am Bahnhof Leonberg fotografisch festgehalten: einmal als ein Jugendlicher mit dem Fahrrad dort fuhr und einmal als eine Mutter mit ihrem Kind auf einem Elektro-Scooter unterwegs war. Beide Male fühlte er sich von den Fotografierten bedroht, als diese ihn aufforderten, die Bilder zu löschen. Im ersten Fall setzte er Pfefferspray ein, im zweiten schlug er der Mutter auf die Nase. Zudem versprühte er einmal Pfefferspray in einem Linienbus, als er sich von einem angetrunkenen 33-Jährigen beleidigt und bedroht gefühlt hatte.

„Kiffer wie ihr“

Als Beleidigung stufte Krüger den Satz Epples zu mehreren Konfirmanden ein, als dieser beim Austragen von Gemeindebriefen zu ihnen sagte, sie sollten nach der Konfirmation lieber zur katholischen Kirche wechseln, „die Evangelischen sind alles Kiffer wie ihr“. Das Urteil lautete auf gefährliche Körperverletzung in vier Fällen, fünffache falsche Verdächtigung, Missbrauch von Notrufen in zwei Fällen, einfache Körperverletzung und Beleidigung.

Krüger sagte, Epples Schuldfähigkeit sei in keinem Fall ausgeschlossen oder vermindert gewesen. Die Tatvorwürfe seien alle durch Zeugen belegt, die sich widerspruchsfrei geäußert hätten und keine Belastungstendenzen haben erkennen lassen. „In keinem Fall hat der Angeklagte in Notwehr gehandelt, er hatte die Situationen jeweils provoziert, indem er die Menschen unangemessen angesprochen oder fotografiert hat“, sagte der Richter. Für den Angeklagten spreche, dass die Taten schon einige Zeit zurücklagen und eine „Persönlichkeitsakzentuierung“ Epples. Gegen ihn spreche jedoch, dass ihm zwei vorangegangene Urteile nicht zur Warnung gereicht hätten, dass es viele Taten in einem kurzen Zeitraum gewesen seien und dass eine hohe Wiederholungsgefahr bestehe.

Heftige, unangemessene Reaktionen

Der renommierte Stuttgarter Strafverteidiger Bernd Kiefer hatte in seinem gut halbstündigen Schlussplädoyer bemängelt, dass er während des Verfahrens ein Klima verspürt habe, dass Helmut Epple „nervig und lästig“ sei und man ihm zeigen wolle, dass „die selbst ernannte Hoffnungsinstanz“ mit seinen Aktionen aufhören müsse. „Er hat zwar Leute bei Bagatellverstößen fotografiert, doch die Reaktionen darauf waren heftig und unangemessen“, erklärte Kiefer.

Die Anklage habe grobe Fehler enthalten, die dem Verfahren eine Schlagseite gegeben hätten. So habe die Staatsanwaltschaft Epple ursprünglich in der Psychiatrie unterbringen wollen, ohne dass zuvor ein Gutachten erstellt worden sei. „Bei solchen Maßnahmen ist ein Mensch über Jahre etikettiert, da wurde mit Kanonen auf Spatzen geschossen“, so Kiefer.