Ein 48-Jähriger steht wegen Insolvenzverschleppung und Bankrott vor Gericht.

Leonberg - Wirtschaftsstrafdelikte landen wegen ihrer Komplexität üblicherweise vor dem Landgericht. Die strafrechtlichen Folgen der Insolvenz eines kleinen Anzeigenverlages in Leonberg, bei dem ein Gesamtschaden von rund 130 000 Euro entstanden ist, wurden jedoch an zwei Tagen vor dem Amtsgericht Leonberg verhandelt. Am Ende wurde ein 48-jähriger Angeklagter wegen Insolvenzverschleppung, Bankrotts, Betruges und Untreue zu einer Bewährungsstrafe von einem Jahr und zehn Monaten verurteilt.

 

Der 48-Jährige war angeklagt, sich in den Jahren 2012 und 2013 als Geschäftsführer eines kleinen Anzeigenverlags in einer Kreisstadt ausgegeben zu haben, in dem er in Wahrheit nur Gesellschafter war. Er habe 63 000 Euro aus der Firma abgezogen und auf Konten einer von ihm gegründeten Firma umgeleitet. Zudem habe er eine Anwaltsrechnung über 8700 Euro nicht bezahlt und das Vermögen einer Bank in Höhe von 60 000 Euro durch einen Kredit in Gefahr gebracht. Die Anklage umfasste 95 Punkte, zur Verlesung benötigte der Staatsanwalt mehr als eine halbe Stunde.

„Ich wollte nur helfen“

„Das hört sich alles sehr bösartig an, aber in Wirklichkeit wollte ich nur helfen“, sagte der 48-Jährige zu Beginn des Prozesses. Eine Bekannte habe ihn im Jahr 2012 gefragt, ob er ihrer Firma mit einem Darlehen aushelfen könne, es gebe dort finanzielle Probleme. Als er rund 20 000 Euro für Krankenkassenbeiträge vorgestreckt habe, sei kurz darauf der Geschäftsführer des Verlages auf ihn zugekommen und habe ihm angeboten, Mitgesellschafter zu werden. Er sei daraufhin in die Gesellschaft eingestiegen, habe aber Mitte 2012 wissen wollen, wie es um die Firma stehe, um sein finanzielles Risiko einschätzen zu können. „Ich habe keine Auskunft bekommen, da ich mit weniger als 50 Prozent am Verlag beteiligt war“, erklärte der Angeklagte.

Als wenig später der Geschäftsführer seinen Posten niederlegte, habe er die Chance gesehen, seinen Anteil aufzustocken. Damit sein Geld nicht von Gläubigern abgezogen werde, habe er eine eigene Firma gegründet und am Abend eines jeden Tages das verfügbare Geld von den Konten des Verlages in seine Firma übertragen.

Da er selbst nicht Geschäftsführer werden durfte, habe er nach einem Strohmann gesucht. Er habe schließlich die Mutter einer Bekannten eingestellt, die er über das Internet kennengelernt hatte. Die habe er zur Büroleiterin gemacht, als die Vorgängerin länger ausfiel. Weiterhin habe er eine Steuerberatungskanzlei beauftragt, die wirtschaftliche Situation des Verlags und eine andere Firma, die Buchhaltung zu prüfen. Zudem habe er mit einer Unternehmensberatung einen Businessplan für den Verlag aufgestellt. „Mein Plan war, als Gesellschafter Geld für den Verlag aufzutreiben“, erklärte der Angeklagte.

Die Lage sei „nicht so schlimm“

Im November 2012 habe er einen groben Überblick über die wirtschaftliche Situation des Verlages gehabt und die Lage als „nicht so schlimm“ eingestuft. „Dann kamen aber Anfang 2013 mehrere Vollstreckungsbescheide ins Haus, die ich nicht vorhersehen konnte, da Unterlagen gefehlt haben“, erläuterte der Angeklagte. Ein Rechtsanwalt einer Stuttgarter Kanzlei habe ihm auf Anfrage den Rat gegeben, für den Verlag Insolvenz anzumelden. Dies habe er nicht umsetzen können, da sich die Geschäftsführerin geweigert habe, den Antrag zu unterschreiben. Ein Insolvenzverfahren wurde im März 2013 dann auf Antrag einer Krankenkasse eröffnet, da der Verlag mit Beträgen von mehr als 8000 Euro in Rückstand war.

Der Angeklagte räumte weiterhin ein, eine zweite Firma gegründet zu haben, um ein Haus zu kaufen, in der seine Internet-Bekanntschaft und ihre Eltern wohnen sollten. „Ich habe 125 000 Euro dafür angezahlt, aber das Geschäft ist geplatzt und das Geld war weg“, berichtete der Angeklagte. Zudem habe er 2013 auch seinen Arbeitsplatz bei einem Automobilkonzern verloren, da seine Vorgesetzten seinen Nebenjob beim Verlag nicht geduldet hätten. Die Internetbekanntschaft des Angeklagten bestätigte vor Gericht, dass er sich bemüht habe, die Firma zu retten. Sie sei dem Angeklagten dankbar, dass er ihr als Alleinerziehenden ohne Ausbildung im Verlag eine Chance gegeben habe. Bitter sei gewesen, dass der Hauskauf nicht geklappt habe.

Weitere Beteiligte im Visier

Um die Verhandlung nicht noch mit weiteren Zeugenaussagen in die Länge zu ziehen, räumte der Angeklagte am zweiten Prozesstag die Vorwürfe ein. Dafür hatte ihm das Gericht eine Bewährungsstrafe in Aussicht gestellt. Wie vom Staatsanwaltschaft beantragt, wurde der Mann zu der Bewährungsstrafe von einem Jahr und zehn Monaten verurteilt, Zudem muss er eine Geldbuße von 6000 Euro zahlen. Für ihn sprechen sein Geständnis und die Tatsache, dass die Taten schon lange zurückliegen. Zu seinen Ungunsten sei jedoch zu berücksichtigen, dass er fast 100 Einzeltaten begangen habe und der Schaden mit 130 000 Euro hoch sei.

Für den Angeklagten ist der Fall abgeschlossen. Laut Auskunft von Heiner Römhild, Pressesprecher der Staatsanwaltschaft Stuttgart, laufen jedoch weitere Ermittlungsverfahren gegen andere ehemalige Mitarbeiter und Beteiligte am Verlag.