Bei Gebersheim sind die Getreidefelder von Blühstreifen umringt. Das Projekt Blütenkorn vereint Ackeranbau und Naturschutz, steigert die Qualität und stärkt die lokalen Anbieter.

Leonberg - Mancher Radler oder Wanderer, der die Natur rund um Leonberg genießt, wird sich wundern: Es summt und brummt, und irgendwie sehen die Felder anders aus. Tatsächlich sind die Getreideflächen bei Gebersheim von Wildblumen umringt. Und selbst mitten im Korn gibt es bunte Blumeninseln.

 

Die ungewohnte Kombination ist die Leonberger Variante des landesweiten Projektes Blütenkorn. Auf zehn Hektar des Landwirts Hans-Georg Schwarz wachsen zu 95 Prozent Getreide. Fünf Prozent sind als Blühfläche angelegt. Ein Paradies für Bienen und Hummeln. Sie sind auf möglichst viele Blütenwiesen angewiesen, kann doch manche Wildbiene maximal 50 Meter weit fliegen.

Natur- und Pflanzenschutz vor Ort

„Damit wollen wir einerseits eine naturnahe und regionale Getreideproduktion sichern, aus der Mehl und Backwaren hergestellt werden. Andererseits wollen wir etwas für Natur- und Pflanzenschutz tun“, erklärt Gerd Schonder, der Geschäftsführer der Betriebsgemeinschaft Neuhof in Schöntal. Dieser Zusammenschluss von mehreren Bauern im Hohenlohekreis hat sich auf die Fahne geschrieben, Landwirtschaft und Naturschutz zu versöhnen.

Zum Beispiel mit dem Blütenkorn-Projekt. Dafür suchen Schonder und seine Mitstreiter Partner vor Ort. Im Altkreis Leonberg wurden sie fündig bei der Mönsheimer Mühle und beim Bäckermeister Rainer Zachert, der schon lange sein Mehl aus Mönsheim bezieht. „Mir war es wichtig, dass wir für diese tolle Projekt einen lokalen Landwirt finden“, sagt er.

Der Milchbauer Hans-Georg Schwarz, der für das Futter seiner 450 Kühe Mais und Wintergerste anbaut, war schnell begeistert. Und nicht nur er: Auch der Oberbürgermeister unterstützt das Projekt nicht nur, er will es sogar zum Aushängeschild der ganzen Stadt machen.

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„Nicht zuletzt die Corona-Krise hat gezeigt, wie wichtig es ist, regionale Produkte zu kaufen“, erklärt Martin Georg Cohn als er von Schonder, Zachert sowie Rolf Blöckle und Markus Mönch von der Mönsheimer Mühle durch die Felder geführt wird. Solche Vorhaben, sagt der OB, rücken die lokalen Anbieter stärker ins öffentliche Bewusstsein: „Durch die Dumpingpreise der Discounter leidet nicht nur die Qualität. Auch unsere heimischen Produzenten geraten unter Druck.“ Eine Einschätzung, die Gerd Schonder unterstreicht: „Die Discounter haben einen großen Anteil an der Misere“, sagt der Chef der Betriebsgemeinschaft Neuhof. „Die Produzenten werden ausgequetscht bis zum letzten Blutstropfen. Da wieder herauszukommen, ist sehr schwer.“

In diesem Spannungsfeld sind nicht nur handwerkliches Können, sondern auch unternehmerischer Mut gefragt: Bäckermeister Zachert kauft das hochwertige Mehl aus Blütenkorn teurer ein. Entsprechend werden die Backwaren für die Endverbraucher etwas teurer werden. Doch das, so versichert der Leonberger Bäcker, der mehrere Filialen in der Region betreibt, liegt im Cent-Bereich.

Entscheidend sind jetzt die Kunden

„Um naturnah und hochwertig anzubauen, verzichten die Beteiligten auf Ackerfläche und damit auf Einnahmen“, lobt der Oberbürgermeister das Vorhaben vor der eigenen Haustür. „Jetzt ist es entscheidend, dass die Kunden das an der Ladentheke honorieren.“

Die Stadt will ihren Beitrag dazu leisten. „Wir können Führungen durch die Felder anbieten, bei denen die naturnahe und ressourcenschonende Landwirtschaft greifbar wird“, schwebt Cohn vor. „Es ist doch ein tolles Erlebnis, das alles zu sehen und zu hören. Das müssen die Kunden dann beim Einkauf vor Augen haben.“

Die Citymanagerin Nadja Reichert will nun prüfen, wie Exkursionen in die Felder, auch per Rad, in das Leonberger Führungsprogramm integriert werden können. „Wir stehen für diese besondere Seite unserer Stadt“, versichert der OB. „Gemeinsam mit unseren Bäckern und Landwirten werden wir die regionalen Produktion und die damit verbundene Qualität und den Genuss ins Blickfeld rücken.“

Auch der OGVW sitzt im Boot

Ein wichtiger Akteur in dieser Nachhaltigkeitsstrategie ist der örtliche Obst-, Garten- und Weinbauverein, der schon lange mit Rundgängen durch Streuobstwiesen und Weinberge oder praktischen Anbau-Kursen die vielfältige Natur in Leonberg in den Mittelpunkt stellt.

Ausgerechnet im Jahr des 100. Geburtstages hat Corona sämtliche Aktionen verhindert. Umso mehr freut sich der Vorsitzende Albert Kaspari über Initiativen wie das Blütenkorn-Projekt, das auch durch seinen Verein unterstützt wird.

Versteht sich von selbst, dass wenn dann im kommenden Jahr der runde Geburtstag hoffentlich nachgefeiert werden kann, die Produkte aus hiesigen Feldern und Höfen aus die Festtafel kommen.