Kabarettist Peter Grohmann und Jurist Klaus Beer sprechen über das Erstarken des Rechtsextremismus.

Leonberg - „Arrangieren mit dem Rechtsextremismus?“ – Moderatorin Marei Drassdo macht im Haus der Begegnung der evangelischen Kirchengemeinde gleich zu Beginn deutlich, dass der Titel der Diskussionsrunde eigentlich falsch gewählt ist: „Das ist natürlich eine rhetorische Frage.“ Die Antwort laute angesichts brandaktueller Ereignisse wie dem Mord am Kasseler Regierungspräsidenten Walter Lübcke: „Natürlich nicht!“.

 

Wiedererstarken rechter Strömungen

Die Fragen, die an diesem Abend auf Einladung der KZ-Gedenkstätteninitiative verhandelt werden, sind also andere: Die nach den Gründen des Wiedererstarken nationalistischer und rechter Strömungen, die nach der grundsätzlichen Abwehrbereitschaft des Staates, die nach dem Versagen der bürgerlichen Eliten – und, zuletzt, die nach den Möglichkeiten jedes Einzelnen, dem Rechtsextremismus die Stirn zu bieten. Eingeladen waren die Referenten Peter Grohmann, Kabarettist und Kopf der Stuttgarter Initiative Anstifter, sowie der Leonberger Richter im Ruhestand, Klaus Beer.

Zwei, die sich gut ergänzen: Während Grohmann nicht müde wird, auf die Selbstheilungskräfte einer engagierten Zivilgesellschaft zu setzen, gibt Beer vor allem zu verstehen, dass man sich, geht es um Rechts, nicht auf die Politik verlassen sollte. Warum gebe es verfassungswidrige Parteien aus dem rechten Spektrum, fragt der Jurist Beer, wenn das Grundgesetz ausdrücklich die Möglichkeit eröffne, diese verbieten zu lassen?

Aufklärung über rechte Netzwerke behindert?

Ein Hinweis, den die rund 50 Zuhörer im Haus der Begegnung der evangelischen Gemeinde mit Blick auf das gescheiterte NPD-Verbotsverfahren aufgreifen: „Wie kommt es, dass in der Vergangenheit linksradikale Parteien verboten wurden, rechte aber nicht?“, fragt eine Zuhörerin. Beer geht noch weiter: Er ist sich mit Blick auf die Aufarbeitung des NSU-Terrorismus sicher, dass die Aufklärung über die Gefahren, die aus rechten Netzwerken entstehen, „von den politischen Instanzen behindert“ wird – und das nicht nur im Land, sondern auch vor Ort.

Politisches oder gesellschaftliches Versagen? Oder doch beides? Warum, fragt Grohmann, verliere die deutsche Aufklärungskultur an Wirkung? Wo wurden Fehler gemacht? Zurecht verweist der 82-Jährige auf ein europäisches Phänomen der Hinwendung zur Nation. Weshalb deutlich werde, „dass wir es nicht vermocht haben, ein humanistisches Bild von Europa zu erschaffen“, so der Kabarettist. Daraus ergibt sich einer seiner Kernvorwürfe: „Es fehlt an einer bürgerlichen Elite, die aufsteht.“

Soziale Medien werden unterschätzt

In diesem Zusammenhang fällt immer wieder auch das Stichwort „soziale Medien“, die der Verbreitung rechtsextremistischer Ansichten Vorschub leisten würden: „Die Macht der sozialen Medien wird unterschätzt“, ist sich ein Zuhörer sicher. Ein anderer wird konkreter: Das Problem sei nicht das Internet selbst, sondern die Algorithmen, die dafür sorgten, dass man von einer Verschwörungstheorie zur nächsten geleitet werde.

Auch hier sieht Beer Staatsversagen am Werk: „Es gibt ein Bedürfnis, aus dem Internet die strafbaren Inhalte zu entfernen“, sagt Beer. Der Bundestag habe aber die Behörden selbst entmachtet und die Aufgabe an die Internetunternehmen übertragen, die diesem Auftrag jedoch nicht nachkommen.

Die Jugend ist der Hoffnungsschimmer

Ist der „Kampf gegen rechts“ also im Grunde verloren? Tatsächlich seien immer noch 79 Prozent aller Bundesbürger der Ansicht, dass der Rechtsextremismus die Demokratie gefährde, sagt Grohmann. Viel wichtiger aber sei: „Mit ‚Fridays for Future’ weht wieder ein Hauch von ´68“. Und die Bewegung, glaubt er, werde nicht beim Thema Klima stehen bleiben.

Für Grohmann ist die Jugend ein Hoffnungsschimmer für die „beschädigte Demokratie“. Und so will der „Anstifter“ auch dem Pessimismus nicht das Wort reden. Im Gegenteil: Für ihn steht und fällt der Widerstand gegen rechts mit dem Wiedererstarken der Zivilgesellschaft: „Wir müssen uns gegenseitig Mut machen.“ Bei aller Toleranz gegenüber den Ansichten anderer „braucht es auch Intoleranz gegen die Feinde der Demokratie“.