Eine Kommission des Landtags hört sich die Argumente für den Verbleib des Rettungshubschraubers in Leonberg an und befragt Fachleute. Ein Gutachten schlägt dessen Verlegung auf die südliche Schwäbische Alb vor

Das ins Feld geführte Argument ist hehr – eine flächendecken Patientenversorgung im ganzen Land. Doch dann wird es doch auch deutlich, dass es nur um eins geht, ums Geld. Und zwar von denen, die jeden Monat von fast allen Erwachsenen dieser Republik bezahlt werden – den Krankenkassen.

 

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Vor-Ort-Termin in der Leonberger Stadthalle. Eine Kommission des Petitionsausschusses des baden-württembergischen Landtags unter dem Vorsitz des FDP-Abgeordneten Christian Jung (Wahlkreis Bretten) hat eingeladen, um die Argumente der Initiatoren der Petition „Der Rettungshubschrauber Christoph 41 muss in Leonberg bleiben!“ zu hören. „Weil das viele Menschen in der Stadt und in der Region beschäftigt“, sagte Jung.

Blaulichtorganisationen sind unzufrieden

Die Petition hat der THW-Ortsbeauftragte Matthias Schultheiß als Sprachrohr der „Blaulichtorganisationen“ in Leonberg ins Leben gerufen und über eine Online-Plattform 27 854 Unterstützer gefunden. Sie richtet sich ans Innenministerium. Das will nach einem von der Landesregierung in Auftrag gegebenen Gutachten „Strukturanalyse Luftrettung Baden-Württemberg“ beim Münchner Institut für Notfallmedizin und Medizinmanagement unter anderem den Standort des Rettungshubschraubers Christoph 41, der seit 1986 am Leonberger Krankenhaus stationiert ist, diesen auf eine Achse zwischen Tübingen und Reutlingen verlegen.

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„Wir wollen unseren Unmut kundtun, weil nicht alle Aspekte berücksichtigt wurden, sondern nur Zahlen und nicht die konkreten Gegebenheiten der Einsätze vor Ort in einem Ballungsraum mit überaus hohem Verkehrsaufkommen, bei dem die bodengebundenen Rettungskräfte schwer an den Einsatzort gelangen“, argumentieren die Petenten. „Wir sind häufig damit konfrontiert, dass der Rettungshubschrauber nachgefordert werden muss, weil die bodengebundenen Rettungskräfte nicht anfahren können“, sagte der Leonberger Feuerwehrkommandant Wolfgang Zimmermann.

Schlechtere Versorgung befürchtet

Um die Erreichbarkeit der Gebiete in den Kreisen Sigmaringen und Zollernalbkreis zu verbessern, werde in Kauf genommen, dass die Versorgung der Landkreise mit viel Bevölkerung, viel Verkehr und hoher Notarzteinsatzzahl deutlich verschlechtert wird, heißt es in der Petition. Zudem sei das Gutachten aus dem Jahr 2018 veraltet. Die vom Gutachten gesehene Versorgungslücke im Bereich der südlichen Schwäbischen Alb entstehe lediglich durch unrealistische Annahmen der Fluggeschwindigkeit und ohne „Voralarm“ eines Rettungshubschraubers, monieren die Petenten.

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Der „Voralarm“ ist eine seit 1. April gültige neue Form der Alarmierung, die mit dem Christoph 43 am Standort Rheinmünster getestet wurde. Dies führt zu einer deutlich schnelleren Ausrückzeit und damit zu mehr Reichweite innerhalb des Zeitintervalls zwischen der Meldung bei der Leitstelle und dem Eintreffen bei den Patienten.

Einen weiteren Standort suchen

Leonbergs Oberbürgermeister Martin Georg Cohn (SPD) meinte: „Wir stellen das Gutachten nicht in Frage, aber es könnte mit neuen Aspekten optimiert werden.“ Die Stadt sei bereit, sich finanziell an einem zweiten Gutachten zu beteiligen, denn der Hubschrauber sei auch ein wichtiger Identitätsfaktor von Leonberg.

Der Rathauschef gab zu Bedenken, dass sich das Sicherheitsempfinden der Menschen geändert habe und die Politik angesichts globaler Entwicklungen künftig eine dezentrale Krankenversorgung anstrebe. Da habe der Rettungshubschrauber eine Schlüsselrolle. „Warum nicht Leonberg stärken und einen weiteren Standort suchen?“, schlägt er vor. Unterstützt wurde Cohn seitens des Gemeinderates von Jutta Metz (Feie Wähler) und Bernd Murschel (Grüne).

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Dass Wirtschaftlichkeit eine große Rolle spielt, ging aus der Antwort des Abteilungsleiters im Innenministerium, Hermann Schröder, hervor auf die Frage des Kommissionsvorsitzenden, warum man nicht zwei weitere Hubschrauber als Reserve beschaffe? Schröder: „Da ziehen die Krankenkassen finanziell nicht mit.“ Zur Zeitschiene für die Umsetzung befragt meinte er: „Mindestens fünf Jahre und plus.“

Unterschiedliche Positionen

Während die Kommissionsmitglieder Hans Dieter Scheerer aus Weil der Stadt, Erik Schweickert (beide FDP) und Miguel Klaus (AfD) sich unzufrieden mit den Erkenntnissen des Gutachters zeigten, legte sich Peter Seimer aus Aidlingen (Grüne) nicht fest. Dafür war seine Fraktionskollegin Andrea Schwarz (Bretten) vom Innenausschuss des Landtags ganz deutlich: „Das Gutachten ist hochwertig und ich vertraue ihm.“

Um das Land in der Fläche abzudecken und die Stunde bis zur Einlieferung ins Krankenhaus zu erreichen, brauche es zehn Hubschrauber, davon zwei neue Standorte in Osterburken und Lahr und unter anderem auch die Verlegung des Leonberg Hubschraubers. Die Argumente dafür lieferte Stephan Brückner vom Münchner Gutachterinstitut.

Wie geht es weiter?

Der Berichterstatter im Petitionsausschuss, Christian Jung (FDP), wird die Erkenntnisse der Anhörung dem Ausschuss vorstellen und einen Vorschlag zu einer Entscheidung machen, über die die Ausschussmitglieder dann beraten und abstimmen. Dies soll noch vor der Sommerpause des Landtags geschehen.

Eine bewegte Geschichte

Einsatzgebiet
 Das Einsatzgebiet erstreckt sich über die Landkreise Böblingen, Stuttgart, Rems-Murr-Kreis, Schwäbisch Hall, Heilbronn, Göppingen und Ludwigsburg sowie Pforzheim, Calw, Tübingen, Reutlingen und Esslingen. Einsatzorte im Umkreis von 70 Kilometern erreicht der Hubschrauber innerhalb von durchschnittlich 20 Minuten.

Geschichte
  Am 19. März 1973 wurde der erste Rettungshubschrauber der wenige Monate zuvor gegründeten Deutsche Rettungsflugwacht in Dienst gestellt. Damals hieß der Hubschrauber noch „Rotkreuz Baden-Württemberg 7“; 1986 erfolgte dann die Umbenennung in „Christoph 41“ und die Stationierung in Leonberg.