„Wir wollen unseren Unmut kundtun, weil nicht alle Aspekte berücksichtigt wurden, sondern nur Zahlen und nicht die konkreten Gegebenheiten der Einsätze vor Ort in einem Ballungsraum mit überaus hohem Verkehrsaufkommen, bei dem die bodengebundenen Rettungskräfte schwer an den Einsatzort gelangen“, argumentieren die Petenten. „Wir sind häufig damit konfrontiert, dass der Rettungshubschrauber nachgefordert werden muss, weil die bodengebundenen Rettungskräfte nicht anfahren können“, sagte der Leonberger Feuerwehrkommandant Wolfgang Zimmermann.
Schlechtere Versorgung befürchtet
Um die Erreichbarkeit der Gebiete in den Kreisen Sigmaringen und Zollernalbkreis zu verbessern, werde in Kauf genommen, dass die Versorgung der Landkreise mit viel Bevölkerung, viel Verkehr und hoher Notarzteinsatzzahl deutlich verschlechtert wird, heißt es in der Petition. Zudem sei das Gutachten aus dem Jahr 2018 veraltet. Die vom Gutachten gesehene Versorgungslücke im Bereich der südlichen Schwäbischen Alb entstehe lediglich durch unrealistische Annahmen der Fluggeschwindigkeit und ohne „Voralarm“ eines Rettungshubschraubers, monieren die Petenten.
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Der „Voralarm“ ist eine seit 1. April gültige neue Form der Alarmierung, die mit dem Christoph 43 am Standort Rheinmünster getestet wurde. Dies führt zu einer deutlich schnelleren Ausrückzeit und damit zu mehr Reichweite innerhalb des Zeitintervalls zwischen der Meldung bei der Leitstelle und dem Eintreffen bei den Patienten.
Einen weiteren Standort suchen
Leonbergs Oberbürgermeister Martin Georg Cohn (SPD) meinte: „Wir stellen das Gutachten nicht in Frage, aber es könnte mit neuen Aspekten optimiert werden.“ Die Stadt sei bereit, sich finanziell an einem zweiten Gutachten zu beteiligen, denn der Hubschrauber sei auch ein wichtiger Identitätsfaktor von Leonberg.
Der Rathauschef gab zu Bedenken, dass sich das Sicherheitsempfinden der Menschen geändert habe und die Politik angesichts globaler Entwicklungen künftig eine dezentrale Krankenversorgung anstrebe. Da habe der Rettungshubschrauber eine Schlüsselrolle. „Warum nicht Leonberg stärken und einen weiteren Standort suchen?“, schlägt er vor. Unterstützt wurde Cohn seitens des Gemeinderates von Jutta Metz (Feie Wähler) und Bernd Murschel (Grüne).
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Dass Wirtschaftlichkeit eine große Rolle spielt, ging aus der Antwort des Abteilungsleiters im Innenministerium, Hermann Schröder, hervor auf die Frage des Kommissionsvorsitzenden, warum man nicht zwei weitere Hubschrauber als Reserve beschaffe? Schröder: „Da ziehen die Krankenkassen finanziell nicht mit.“ Zur Zeitschiene für die Umsetzung befragt meinte er: „Mindestens fünf Jahre und plus.“
Unterschiedliche Positionen
Während die Kommissionsmitglieder Hans Dieter Scheerer aus Weil der Stadt, Erik Schweickert (beide FDP) und Miguel Klaus (AfD) sich unzufrieden mit den Erkenntnissen des Gutachters zeigten, legte sich Peter Seimer aus Aidlingen (Grüne) nicht fest. Dafür war seine Fraktionskollegin Andrea Schwarz (Bretten) vom Innenausschuss des Landtags ganz deutlich: „Das Gutachten ist hochwertig und ich vertraue ihm.“
Um das Land in der Fläche abzudecken und die Stunde bis zur Einlieferung ins Krankenhaus zu erreichen, brauche es zehn Hubschrauber, davon zwei neue Standorte in Osterburken und Lahr und unter anderem auch die Verlegung des Leonberg Hubschraubers. Die Argumente dafür lieferte Stephan Brückner vom Münchner Gutachterinstitut.
Wie geht es weiter?
Der Berichterstatter im Petitionsausschuss, Christian Jung (FDP), wird die Erkenntnisse der Anhörung dem Ausschuss vorstellen und einen Vorschlag zu einer Entscheidung machen, über die die Ausschussmitglieder dann beraten und abstimmen. Dies soll noch vor der Sommerpause des Landtags geschehen.
Eine bewegte Geschichte
Einsatzgebiet
Das Einsatzgebiet erstreckt sich über die Landkreise Böblingen, Stuttgart, Rems-Murr-Kreis, Schwäbisch Hall, Heilbronn, Göppingen und Ludwigsburg sowie Pforzheim, Calw, Tübingen, Reutlingen und Esslingen. Einsatzorte im Umkreis von 70 Kilometern erreicht der Hubschrauber innerhalb von durchschnittlich 20 Minuten.
Geschichte
Am 19. März 1973 wurde der erste Rettungshubschrauber der wenige Monate zuvor gegründeten Deutsche Rettungsflugwacht in Dienst gestellt. Damals hieß der Hubschrauber noch „Rotkreuz Baden-Württemberg 7“; 1986 erfolgte dann die Umbenennung in „Christoph 41“ und die Stationierung in Leonberg.