Eine Nachbarin sorgt sich um die Standfestigkeit ihres Fachwerkhauses und wendet sich an den Petitionsausschuss. Zankapfel ist die Bebauung auf dem angrenzenden Grundstück.

An der Flachter Ortsdurchfahrt an der Ecke von Weissacher Straße und Bergstraße sollte ein Mehrfamilienwohnhaus in die Höhe wachsen. Doch über das Untergeschoss ist der Bau aus verschiedenen Gründen noch nicht hinausgekommen. Dabei ist es schon mehr als vier Jahre her, seit sich die Gemeinde Weissach zum ersten Mal mit dem geplanten Neubau beschäftigt hatte. 2018 stimmten der Technische Ausschuss und später auch der Gemeinderat gegen das Vorhaben des privaten Bauträgers. Es sei zu groß und füge sich nicht in die umgebende Bebauung ein, war das Hauptargument der Räte. Einen Bebauungsplan, der Vorgaben für neue Gebäude macht, gibt es für diesen Bereich übrigens nicht.

 

Ganz anders sah damals der Weissacher Bürgermeister Daniel Töpfer die Pläne: Er hielt die Beschlüsse für rechtswidrig und wandte sich an das Landratsamt Böblingen, das wider den Gemeinderatsbeschluss den Bau genehmigte. Nachdem der Investor seine Baupläne überdies reduziert hatte, stimmte dann doch auch der Gemeinderat zu. Doch der Baubeginn verzögerte sich, nicht zuletzt wegen der Straßensanierungen an der Flachter Ortsdurchfahrt und der Bergstraße. Die Baustelle selbst ruht seit geraumer Zeit.

Ortstermin auf der Flachter Baustelle

Von diesem Zustand machten sich jetzt die Landtagsabgeordneten Peter Seimer (Grüne), der den Wahlkreis Leonberg-Herrenberg vertritt, und Andreas Kenner (SPD) aus Nürtingen, der stellvertretender Vorsitzender des Petitionsausschusses des Landtags ist, vor Ort ein Bild. Sie hatten zu einer Sitzung ins Weissacher Rathaus eingeladen, weil die direkte Nachbarin der Baustelle sich mit einer Petition an den Ausschuss gewandt hatte. Sie fürchtet in erster Linie um die Standfestigkeit des 280 Jahre alten Fachwerkhauses. Dieses sei auf einem schwimmenden Fundament gebaut, erklärte sie. Es benötige einen feuchten Untergrund, um dauerhaft weiter stabil zu bleiben.

Durch die Versiegelung des benachbarten Grundstücks, das früher ihrer Familie gehörte, sieht sie die Gefahr, dass ihrem Haus „das Wasser abgegraben wird“, wie sie im Ausschuss sagte. „Ich fände es schade, wenn unser Haus rigoros eingemauert wird“, so Inge Berndt, die sich damit in erster Linie auf eine vom Bauherren angedachte Mauer samt Fundament bezog, mit der die unterschiedlichen Höhen zwischen den Grundstücken abgefangen werden soll. Dadurch würde weniger Sickerwasser auf ihr Gelände gelangen, das sie für die Standfestigkeit des Hauses brauche.

Landratsamt widerspricht der Anwohnerin

Als weitere Argumente gegen das Bauvorhaben führte sie die zunehmende Gefahr von Überflutungen an, stehe ihr Haus doch an der tiefsten Stelle von Flacht. Und auch den Vorwurf, das Gebäude sei in Bezug auf die Umgebungsbebauung zu groß, bekräftigte und erneuerte sie. Dem widersprachen die Vertreterinnen und Vertreter des Landratsamtes. Neue Berechnungen hätten gezeigt, dass der Strudelbach, der verdolt unterirdisch direkt an dem Fachwerkhaus vorbeiführt, ein hundertjähriges Hochwasserereignis aufnehmen könne.

Regenwasser müsse auf jedem Grundstück separat über die Kanalisation entsorgt werden, das gelte auch für den Neubau. Die Leiterin des Amtes für Bauen und Umwelt beim Landratsamt, Bettina Wagner, sagte, man gehe nicht davon aus, dass hier eine zwei Meter hohe Mauer gebaut werde. Das sei bei der Ausführungsplanung durchaus noch ein offenes Thema, bei dem auch der Nachbarschutz eine Rolle spiele. Den Vorwurf, der Neubau sei zu groß dimensioniert, wies sie zurück. „Das war kein schwieriger Fall. Es war klar, dass sich das Gebäude in die Umgebung einfügt. Es gibt dort schon eine mehrreihige, größere Bebauung.“

Ergebnis: der Bau ist zu genehmigen – die Petentin reagiert

Feyzi Aydin, einer der Geschäftsführer der A+0 Wohnbau GmbH und Co KG, sagte, man mache nur das, was in den behördlichen Auflagen vorgeschrieben werde. Die Baugenehmigung sei in mehreren Verfahren intensiv geprüft worden. „Wir wollen den Nachbarn nicht schaden und sind bereit, uns in alle Richtungen abzusprechen“, betonte der Investor.

Peter Seimer fasste schließlich die umfangreichen Argumente der verschiedenen Parteien zusammen mit der Erkenntnis, dass es zur Lösung der Konflikte direkte Gespräche der Beteiligten geben sollte. „Ich glaube, dass man auf der persönlichen Ebene zu einem Miteinander kommen muss“, sagte er und bot sich als Vermittler an. Andreas Kenner ergänzte, dass er die Petentin verstehe, aber es sei auch deutlich geworden, dass der Neubau genehmigungsfähig sei.

Einen gemeinsamen Termin gibt es zwar noch nicht, weil man die fehlende Ausführungsplanung zur Außengestaltung abwarten wolle, sagte Inge Berndt auf Nachfrage. Doch sie fühle sich jetzt deutlich besser. „Das Ohnmachtsgefühl ist einem genommen. Wenn ich meine Meinung äußern darf, ist ein großes Stück erreicht“, sagte sie.

Was ist der Petitionsausschuss?

Petitionsrecht
 Jeder Bürger hat das Recht, sich bei Unzufriedenheit mit Entscheidungen von Ämtern und Behörden an den Petitionsausschuss des baden-württembergischen Landtags zu wenden. Eine Petition einreichen kann jeder – egal, ob Einzelperson oder Gruppe, Betroffener oder Dritter.

Antrag
Nach Eingabe einer Petition prüft der Petitionsausschuss den Fall. Behördliche Entscheidungen kann der Ausschuss zwar nicht revidieren, aber darum bitten, diese noch einmal zu überprüfen oder zugunsten des Petenten zu entscheiden. Etwa jede fünfte Petition ist erfolgreich.