Wo heute gewohnt wird, sah es lange anders aus: Aus einer Mühle mit ländlichem Charme wurde erst ein moderner Betrieb, dann ein psychosoziales Heim.

Weissach - Mühlen brauchen einen Antrieb. Dass diesen die Natur liefern kann, entdeckten bereits die alten Römer, die ihre Mühlwerke mit Wasserkraft antrieben. Seit dem Mittelalter wurde auch Windkraft eingesetzt, der Bau von Mühlen orientierte sich trotzdem weiterhin am Landschaftsbild: Mühlen lagen häufig am Wasser.

 

Erst Säge- und Hanfreibe-, dann Ölmühle

An einem solchen Wasserlauf, dem Strudelbach, entstand 1846 auch die heutige Ölmühle, damals noch als Säge- und Hanfreibemühle. Sie wurde erbaut von Christoph Friedrich Häcker, Löwenwirt aus Weissach. Dieser wanderte wenig später nach Amerika aus, verkaufte Anteile der Mühle an mehrere Verwandte, die ihre Anteile wiederum weiterverkauften – „Chaos“, erklärt Ölmühlen-Inhaber Hansulrich Benz heute.

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1862 ging die Mühle dann schließlich an Gottlieb Friedrich Weller über – einen Vorfahr von Architekt Benz. Weller begann, in der Mühle auch Öl zu produzieren. Aus dieser Zeit sind noch einige Gegenstände erhalten: Im Dachgeschoss des Hauptgebäudes, heute Konferenzraum, hat Hansulrich Benz einige alte Maschinenteile sowie Leinensäcke ausgestellt, auf denen der Name seines Vorfahren prangt. Auf den Holzbalken im Raum haben sich ehemalige Mitarbeiter oder Bewohner verewigt: „Aber liebster Friedrich“, ist dort etwa in das Holz geritzt. „Bleib bei mir.“

Geschwistermühle liegt in Ditzingen

In den folgenden Jahrzehnten ging die Ölmühle erst an die Kinder und Enkelkinder Wellers über. 1906 wurden die zwei existierenden Mühlräder durch ein neues, rund acht Meter großes Wasserrad ersetzt, das auch heute noch erhalten ist. Die Produktion spezialisierte sich auf Öl. 1939 kaufte Wellers Sohn Gottlieb Störzbach seinem Sohn Albert die Ölmühle in Ditzingen. Beide Mühlen arbeiteten eng zusammen, in Ditzingen wird auch heute noch Öl hergestellt. Ende der 1950er-Jahre wurde die Mühle großflächig modernisiert. „Meine Vorfahren haben baulich um sich geschlagen“, beschreibt es Hansulrich Benz. Der Hof wurde zubetoniert und zur Wirtschaftsfläche. „Damit auch große Lkws reinfahren konnten“, erklärt Benz.

Seit fünf Generationen im Besitz der Familie

1974 wurde die Ölproduktion der Mühle schließlich aufgegeben – kein Nachfahre wollte den Betrieb weiterführen. Weil auch niemand die Mühle kaufen wollte, verpachtete man den Gebäudekomplex schließlich an das Rudolf-Sophien-Stift aus Stuttgart, welches die Räume der Ölmühle als psychosoziales Heim nutzte. Bis 1994 Hansulrich Benz die Mühle von seiner Großtante übernahm – und die Anlage damit in die fünfte Generation übergeben wurde.