Am neuen Leonberger Entwicklungszentrum des Elektronikkonzerns soll die Poststraße zu einem beruhigten Raum für alle Verkehrsteilnehmer werden: ein Shared Space. Doch reicht das, um die Sicherheit insbesondere der Radfahrer zu gewährleisten?

Shared Space ist eines dieser anglizistischen Modewörter in der modernen Stadtplanung. Übersetzt heißt das geteilter Raum. In der Praxis bedeutet es, dass auf einer Straße Fußgänger, Radler und Autofahrer gleichberechtigt sind. Was gut klingt, kann zu Verwerfungen führen, wie eine aktuelle Diskussion in Leonberg zeigt.

 

Darum geht es Mitten in der Leonberger Innenstadt baut der Weltkonzern Bosch sein internationales Entwicklungszentrum für autonomes Fahren. Hier werden Wege gesucht, um den Mensch als Chauffeur weitgehend überflüssig zu machen. Der Computer soll es richten.

Ein boomendes Zukunftsgeschäft. Die alten Bosch-Gebäude waren längst viel zu klein geworden für die Tüftler aus der ganzen Welt, die in der Poststraße an den Fahrassistenten arbeiten. Zum Glück waren in der Nachbarschaft einige Grundstücke zu haben. Also hatte sich das Bosch-Management entschieden, großflächig zu erweitern: Gegenüber der alten Gebäude entsteht ein terrassenförmiger Neubau, der nicht nur den Bosch-Leuten dienen, sondern als Campus ein neues Stadtviertel werden soll. In direkter Nachbarschaft sind weitere Bauten vorgesehen, darunter ein großer Veranstaltungssaal: Bosch-City in Leo-Downtown.

Die Verkehrslage in der Poststraße Eine normale Straße passt in diese Visionen nicht wirklich. Den Bosch-Planern schwebt eine Durchfahrt mit Platzcharakter vor, die allerdings nicht gesperrt werden kann. In der Nachbarschaft sind gleich mehrere Großbetriebe und Warenhäuser mit viel Zulieferverkehr. Auch Bosch selbst muss ja erreichbar sein. Was liegt also näher als Shared Space?

Eine Idee, mit der sich die Leonberger Stadtspitze schnell anfreunden konnte. Zumal Oberbürgermeister Martin Georg Cohn (SPD) an seiner früheren Wirkungsstätte für ein Shared-Space-Konzept einen Preis gewonnen hatte. In Rudersberg nahe Schorndorf war die Ortsdurchfahrt umgestaltet worden. Um die Details einer beruhigten Poststraße in Leonberg sollte sich das Planungsbüro „faktorgrün“ kümmern. Als aber jetzt dessen Chef Jürgen Pfaff Einzelheiten für den Bereich zwischen der Römerstraße und der Brennerstraße im städtischen Planungsausschuss vorgestellt hatte, kamen Fragen auf.

Die Kritik der Politik Dabei klingt das Vorhaben erst einmal gut. Große Transporter, die zu den Firmen Geze oder Brückner wollen, werden durch die Maybachstraße geleitet. Dafür wird am Anfang die Achse der Poststraße nach Norden geschoben, um so neuen Raum zu schaffen: für Bäume und Beete, um den platzartigen Charakter zu unterstreichen. Hinter der Maybachstraße soll Tempo 20 gelten.

So weit, so gut. Doch Wolfgang Schaal von den Freien Wählern stellte während der Präsentation die entscheidende Frage: „Was ist mit den Radfahrern?“ Ein Hinweis, den Bernd Murschel von den Grünen direkt aufgriff: „Ich finde Mischflächen immer schlecht.“ Die Sicherheit für Radler sei einfach nicht gewährleistet, insbesondere am Obi-Kreisverkehr an der Römerstraße.

Die beiden standen mit ihrer Kritik nicht allein. Nur Christa Weiß (SPD) und Dieter Maurmaier (FDP) hielten nichts davon, sämtliche Entwürfe zugunsten einer Neuplanung mit Extra-Radweg über den Haufen zu werden.

So geht es weiter „Wir haben die Variante mit Radweg geprüft“, erklärte Stephan Kerner vom städtischen Referat für Mobilität. Die wäre aber nicht gut gewesen, deshalb habe man sie verworfen. Eine Antwort, die den Unmut der Fraktionen nur noch verstärkte. „Sie hätten die Pläne dem Fachgremium wenigstens vorstellen müssen“, kritisierte Schaal. Und Murschel verlangte einen neuen Beschluss für eine gesonderte Radverbindung.

Wie es jetzt weitergeht, ist unklar. Womöglich muss der Gemeinderat in den Ferien eine Sondersitzung machen. Denn eines ist klar: Die Pläne müssen im Herbst beim Land eingereicht werden. Sonst ist eine Förderung von 57 Prozent futsch.