Kathleen Reinicke ist die neue Pfarrerin von Rutesheim und Perouse. In ihrer neuen Gemeinde will sie richtig ankommen und etwas langfristig aufbauen.

Rutesheim - Der erste Berufswunsch war noch ein ganz anderer. „Ärztin.“ Das wollte Kathleen Reinicke von Kindesbeinen an werden. Geboren und aufgewachsen ist die 44-Jährige in Stralsund. „In der Kirche habe ich mich schon immer wohl gefühlt, das war wie ein zweites Zuhause für mich“, erzählt die neue Pfarrerin von Rutesheim und Perouse. Nach dem Abitur ging sie zunächst nach Taizé in Frankreich zum europäischen Jugendtreffen. In Taizé ermöglicht die gleichnamige ökumenische Bruderschaft jungen Menschen Begegnungen zwischen Konfessionen und Nationalitäten. „Das wollte ich erleben.“ Die Spiritualität, die Offenheit, die Friedlichkeit und das Miteinander haben sie begeistert. „Und auf einmal wusste ich felsenfest, dass ich Theologie studieren will.“

 

„Wo ich gebraucht werde, bin ich da“

Doch der Studienbeginn war ernüchternd. „Das stupide Erlernen von Latein und Hebräisch hatte wenig mit meiner Vorstellung vom Theologiestudium zu tun“, erzählt Reinicke und lacht. Doch sie ist hineingewachsen, hat in Greifswald, Marburg und Tübingen studiert, ist dabei unterschiedlichen Richtungen und Meinungen begegnet und hat gelernt, sich ihr eigenes Bild zu machen.

„Ich bin seelsorgerisch geprägt“, sagt die Theologin über sich selbst, „ich bin gerne der ‚gute Hirte‘ und begleite die Gemeindemitglieder bei allem, was sie bewegt. Wo ich gebraucht werde, bin ich da.“

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In ihrer berufliche Laufbahn hat sie, der Familie wegen, viele kleinere Dienstaufträge übernommen, zuletzt war sie in Ditzingen und Heimerdingen tätig. „Die vielen Stationen waren spannend und abwechslungsreich. Aber es hat immer auch weh getan, eine Gemeinde wieder zu verlassen und geschlossene Freundschaften ein Stück weit zurücklassen“, zieht sie ein Resümee. „Umso mehr freue ich mich, jetzt in einer Gemeinde anzukommen und etwas aufbauen zu können“, und damit sind nicht nur persönliche Beziehungen gemeint, sondern auch Strukturen in der Gemeinschaft.

Kathleen Reinicke bringt neben viel Engagement auch neue Ideen mit: „Ich merke, dass die Kirche zu vielerlei gesellschaftlichen Fragen nicht mehr angesprochen wird. Aber ich finde es wichtig, die christliche Kultur am Leben zu halten. Wir haben etwas zu sagen und zu geben“, ist ihre Überzeugung. Sie wolle dazu beitragen, Kirche wieder präsenter zu machen: „Ich sehe oft auch Desinteresse gegenüber der Kirche. Das finde ich unglaublich schade, denn wir sind für alle Menschen in allen Lebenslagen da. Unsere Tür ist nie zu, auch nach einem Kirchenaustritt kann jeder mit seinen Sorgen zu uns kommen und wird nicht allein gelassen. Das müssen wir mehr kommunizieren.“

„Wichtig ist, dass du da bist“

Doch zunächst will die Theologin ihre neue Gemeinde kennenlernen. Sie ist dankbar für die Unterstützung von Kirchengemeinderat und Kirchenpfleger, denn zum Pfarrberuf gehört auch viel Verwaltungsarbeit. „Auch das ist ein bisschen ernüchternd. Man muss schauen, wie man sich organisiert und die Zeit einteilt.“ Sie nennt ein Beispiel und schmunzelt: „Es ist im wirklichen Leben eben nicht so, dass jede Predigt auf Knopfdruck aus der Feder fließt. Und ich kann nicht warten, bis der Heilige Geist über mich kommt und mir dabei hilft.“ In diesen Situationen erinnert sie sich daran, was einer ihrer Mentoren ihr mitgegeben hat: „Wichtig ist nicht unbedingt, was du sagst. Wichtig ist, dass du da bist.“

Sie ist überzeugt: „Ein Pfarrer muss erreichbar und vertraut sein. Die nötige Straffung der kirchlichen Strukturen muss mit Augenmaß geschehen, ein Gemeindeaufbau muss möglich sein. Die Gemeinden müssen gestärkt werden, und es müssen Wege für die Menschen hin zur Kirche gefunden werden.“

Irgendwann geht es zurück ans Meer

Kathleen Reinicke lebt mit ihrem Mann und den drei Kindern schon seit einigen Jahren in Heimsheim. Doch irgendwann, „wenn ich alt und betagt bin“, will sie zurück ans Meer: „Ich fühle mich hier sehr wohl, aber ich vermisse trotzdem meine Heimat, die Spaziergänge am Strand und den weiten Blick über die See.“ Bis dahin erkundet die naturverbundene Familie das Heckengäu auf Spaziergängen und mit dem Rad. Wenn Zeit bleibt, puzzelt die Theologin gerne, macht Handarbeiten und hat sich kürzlich mit ihrer Nähmaschine angefreundet: „Es ist praktisch, Hosen selbst kürzen zu können.“