Im Sommer soll Baubeginns sein: Der Landesverband für Obstbau, Garten und Landschaft zieht auf den Malersbuckel in Weil der Stadt.

Weil der Stadt - Der Vor-Ort-Termin auf dem Malersbuckel in Weil der Stadt ist stürmisch und nass. „Wind bringt Veränderung, und der Regen ist gut. Wir brauchen mal wieder dringend Wasser für unsere Natur, zuletzt war es viel zu trocken“, sagt Friedlinde Gurr-Hirsch, Staatssekretärin im Ministerium für Ländlichen Raum und Verbraucherschutz, während ihr der Wind kräftig und nass um die Ohren bläst. Bekleidet mit nicht gerade wetterfesten Schuhen marschiert sie hurtig durch das hohe Gras. Nur noch wenige Tage ist sie im Landtag tätig, dann verabschiedet sich die fast 68-Jährige, Tochter eines Landwirts und Weingärtners, in den (Un-) Ruhestand.

 

Der Dachverband zieht von Stuttgart nach Weil der Stadt

Kandidieren wollte die CDU-Politikerin, die aus Untergruppenbach stammt, nicht mehr. Einer ihrer letzten offiziellen Termine ist für Gurr-Hirsch, die in ihrer Heimat seit mehr als 40 Jahren Mitglied im Obst- und Gartenbauverein ist und künftig ihre kleine Streuobstwiese sowie ein Hochbeet intensiver pflegen möchte, eine schöne Pflicht. Nach Weil der Stadt hatte nämlich Rolf Heinzelmann geladen, der Geschäftsführer des Landesverbandes für Obstbau, Garten und Landschaft, in Kurzform „Logl“ genannt.

Der Dachverband, der 103 000 Mitglieder in 1000 Ortsverbänden zählt, wird seine Zelte in Stuttgart abbrechen und auf dem Malersbuckel, direkt oberhalb der Landesakademie für Jugendbildung, seine neue Geschäftsstelle für rund eine Million Euro bauen. Der Gemeinderat Weil der Stadt hat Ende 2020 die Baugenehmigung für dieses neue Bildungszentrum erteilt, obwohl die beiden geplanten Gebäude in einem Landschaftsschutzgebiet stehen werden. Der plausible Grund für die Sondergenehmigung: die beiden wichtigen Leitsätze, die die Arbeit des Verbandes begleitet und auch in der Satzung verankert sind. Der „Logl“ fördert Gartenkultur und bewahrt Landschaft. „Wir nehmen Landschafts- und Naturschutz ernst, und auch wenn ich nicht am Prozess dieses Projektes beteiligt war, freue ich mich auf die Zusammenarbeit mit dem ,Logl’“, sagt Weil der Stadts Bürgermeister Christian Walter, der dieses Thema damit im Sinne seines Vorgängers fortführt.

In Stuttgart wurde es zu eng

Der Grund für den Wegzug aus Stuttgart ist die dortige räumliche Enge. Schon seit vielen Jahren suchte der „Logl“ einen neuen Standort. Für Weil der Stadt sprachen unter anderem die gute Verkehrsanbindung, die Lage im Großraum Stuttgart und die Nähe zu Baden. Durch seine Bildungsarbeit möchte der „Logl“ das Bewusstsein in der Bevölkerung zu den Themen Obstwiesenpflege und naturnahe Gartengestaltung weiter stärken. „Beim Thema Gartenkultur beschäftigt uns derzeit beispielsweise auch der Trend zu Schottergärten, dem wir mit positiven Beispielen entgegentreten möchten“, sagt Rolf Heinzelmann. Wer Artenvielfalt fördern will, braucht vielfältige Lebensräume wie Hecken, Sträucher, Bäume, Stauden, Blühmischungen, Steinhügel, Reisighaufen oder Nisthilfen. „Einige dieser Maßnahmen können wir auch hier in Weil der Stadt theoretisch vermitteln, aber auch fachlich umsetzen“, sagt Heinzelmann.

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So wird der „Logl“ vor den neuen Gebäuden hangaufwärts – wo derzeit hauptsächlich der Hahnenfuß und die Gartenmelde wächst – unter anderem eine Streuobstwiese anlegen. Auch unter dem Aspekt der Erhaltung alter Obstsorten. „Am neuen Standort werden wir Schulungen und Fortbildungen durchführen, auch können wir dem Landkreis das Angebot machen, die Streuobstpädagogenausbildung mit zu begleiten“, sagt Heinzelmann.

Die Staatssekretärin ist sichtlich begeistert von diesem Projekt auf dem Malersbuckel. Und davon, dass der „Logl“ hier unter den besten Bedingungen künftig Obst- und Gartenfachwarte ausbilden kann. „Die mit der Säge am Arm sind die Effektivsten. Wenn wir 5000 Fachwarte ausgebildet haben, sind das die Experten, die ausschwirren und dazu beitragen, die Landschaft zu bewahren.“ Im vergangenen Jahr habe sie mit Freude festgestellt, dass es die Menschen – auch weil sie wegen Corona nicht reisen durften – wieder raus in die Natur zieht. Die Verbundenheit zur Heimat ist wieder gewachsen.

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Wachsende Begeisterung für die Natur, das beobachtet auch der Architekt Holger Lohrmann bei seinen jungen Mitarbeitern im Stuttgarter Büro. „Sie finden das Projekt richtig cool“, sagt er. Lohrmann hat die beiden solitären Holzbauten geplant und konzipiert. „Dieses große Klassenzimmer so zu gestalten, dass es sich in die Streuobstwiese einfügt, das war unsere Aufgabe.“ Rein optisch sieht das Null-Emissions-Haus wie eine landwirtschaftliche Scheune aus. Ein unspektakulärer, aber zeitgenössischer Holzbau. Verarbeitet werden in der filigranen Fassade heimische Nadelhölzer wie Douglasie, Weißtanne oder Lärche. Im Innern werden die Qualitäten von verschiedenen Laub- und Obstbäumen aufgezeigt.

Bau soll im Sommer oder Spätsommer beginnen

Die natürlich belassenen Oberflächen vermitteln Bescheidenheit und Wertigkeit zugleich. Ein wichtiger Aspekt in Lohrmanns Arbeit. Für seine „unspektakulär“ konzipierte und behutsame Sanierung der denkmalgeschützten ehemaligen Kelterei in Kirchheim am Neckar bekam Lohrmann 2020 eine Anerkennung von der Landesinitiative Baukultur Baden-Württemberg.

Die auf Holzkisten ausliegenden Zeichnungen und Visualisierungen des Architekten sind glücklicherweise in Folie eingeschweißt, sie halten dem widrigen Wetter an diesem Nachmittag stand. „Den Entwurf habe ich bei der Streuobstwiese begonnen“, zeigt Holger Lohrmann auf das erste Blatt. In die Wiese hat er nahtlos die beiden Gebäude integriert, die sich an ländlichen Typologien orientieren. Der Baubeginn ist im Sommer oder gar Spätsommer geplant. „Das hängt davon ab, wie wir die Handwerker beauftragen und das heimische Holz beschaffen können“, sagt Rolf Heinzelmann.