Böblingen ist das einzige Landratsamt in der Region Stuttgart, wo Landwirtschaft und Naturschutz in einer Hand liegen. Ist das für die neue Amtsleiterin Yvonne Bäuerle Widerspruch oder Chance?

Böblingen - Rund 600 landwirtschaftliche Betriebe im Haupt- und Nebenerwerb gibt es im Kreis Böblingen. Sie bewirtschaften etwa 22 000 Hektar Nutzfläche. Daneben gibt es eine herrliche Natur im Landkreis. Für beide Aufgaben – Landwirtschaft und Naturschutz – sind nicht die Städte und Gemeinden, sondern das Landratsamt zuständig. Yvonne Bäuerle ist die neue Amtsleiterin.

 

Frau Bäuerle, haben Sie schon viele Bauernhöfe im Kreis besucht?

Allzu viel Zeit habe ich natürlich nicht, um von Hof zu Hof zu reisen. Aber bei verschiedenen Gelegenheiten begegne ich den Landwirten hier im Kreis. Ich will mir auch die Zeit nehmen, die Landwirte kennenzulernen, aber auch die Vertreter der verschiedenen Naturschutzverbände.

Naturschutz und Landwirtschaft – hier im Böblinger Landratsamt sind Sie für beides zuständig. Ist das ein Widerspruch oder eine Chance?

Nein, darin sehe ich eine große Chance, denn Landwirtschaft und Naturschutz haben sehr viele Berührungspunkte. Man darf nicht vergessen, dass ein großer Teil unserer heutigen Naturschutzflächen aus landwirtschaftlichen Flächen hervorgegangen sind – und auch nur durch landwirtschaftliche Nutzung erhalten werden können.

Zum Beispiel?

Ich denke an unsere Mähwiesen, die die Landwirte mähen – und die uns im Sommer mit ihren Blumen erfreuen. Nur wenn man die Rahmenbedingungen des jeweils anderen kennt und für die andere Position Verständnis hat, können wir nachhaltig erfolgreich sein. Hier im Amt in Böblingen haben wir kurze Wege und einen persönlichen Kontakt der Mitarbeiter untereinander.

Dennoch haben Landwirtschaft und Naturschutz teilweise gegensätzliche Interessen. Wie wollen Sie das austarieren?

Am Ende vertrete ich den Landkreis Böblingen. Auch wenn die Ämter getrennt wären, könnten wir nach außen hin nicht mit zwei Positionen auftreten, sondern wären gezwungen, uns zu einigen. Und hier in Böblingen müssen wir die Kompromisse eben schon innerhalb des Amts finden. Ich weiß um diese Besonderheit, bin aber guter Dinge, dass das klappen wird. Denn gerade in einem industriell geprägten Ballungsraum wie dem Landkreis Böblingen, wo Fläche knapp ist, müssen wir zusammenfinden.

Ein Beispiel ist Glyphosat. Der Naturschutz mag das Mittel überhaupt nicht, die Landwirtschaft dagegen sagt: Wir brauchen es. Wie stehen Sie dazu?

In Deutschland sind glyphosathaltige Pflanzenschutzmittel vorerst bis zum 15. Dezember 2019 zugelassen und dürfen entsprechend den Zulassungsbedingungen angewendet werden. Daran orientieren wir uns.

Die Grünen in Weil der Stadt hatten gefordert, es auf städtischen Flächen zu verbieten, was der Gemeinderat am Ende abgelehnt hat. Gibt es entsprechende Überlegungen auf Kreisebene?

Die Frage stellt sich nicht, weil der Landkreis auf seinen eigenen Flächen keine glyphosathaltigen Mittel einsetzt. Weder der Straßenbau, noch das Gebäudemanagement verwendet es.

Kommen wir zu einem Ihrer Aufgabengebiete. Was macht die Landwirtschaft im Kreis Böblingen aus?

Die Landwirtschaft hier ist von bäuerlichen Familien geprägt. Eine Besonderheit hier ist, dass wir stark von der Industrie geprägt sind. Der Broterwerb außerhalb der Landwirtschaft ist hier sehr attraktiv, deshalb gibt es sehr viele Nebenerwerbsbetriebe im Kreis Böblingen. Landwirte sind begehrte Arbeitnehmer, weil sie zuverlässig, fleißig und praktisch veranlagt sind.

Wirkt sich das im Nachwuchsmangel aus?

Das kommt sicherlich vor. Insbesondere auf Höfen, die Vieh halten, haben Sie eine Sieben-Tage-Woche, und das das ganze Jahr hindurch. Das sind natürlich nicht gerade attraktive Arbeitszeiten. Dazu kommen mäßige und schwankende Erzeugerpreise. Und was ich in letzter Zeit immer häufiger beobachte, ist die geringe Wertschätzung in der Gesellschaft, die dem Berufsstand der Landwirtschaft mittlerweile entgegengebracht wird. Da sagen dann viele Hofnachfolger: Die viele Arbeit und dann noch das schlechte Image – darauf können wir verzichten.

Wie kann man diese Wertschätzung ausdrücken?

Da gibt es viele Beispiele. Nicht jeder Landwirt, der Gülle ausfährt, ist ein Umweltverschmutzer. Gülle ist schließlich ein wertvoller Dünger und es gibt Jahreszeiten, da gehört das zum normalen Wirtschaften einfach dazu. Es ist sinnvoll, sich mit den Fakten zu beschäftigen, bevor man lauthals schimpft. Ich empfehle auch, den Kontakt zu den Landwirten zu suchen. In der Regel sind sie gerne dazu bereit, Auskunft über ihre Arbeit zu geben.

Ihr anderes Aufgabenfeld ist der Naturschutz. Wie haben Sie die Natur im Kreis bisher wahrgenommen?

Der Kreis Böblingen hat eine vielfältige Kulturlandschaft aufzuweisen. Wir haben die Heckenlandschaften, dann das Obere Gäu mit den ausgedehnten Ackerflächen, die Streuobstwiesen und die Waldgebiete im Schönbuch und im Glemswald. Eine Besonderheit sind die Naturschutzgebiete. Denken Sie an den Venusberg in Aidlingen, das mit 115 Hektar größte Naturschutzgebiet im Kreis. Dafür, dass wir ein Ballungsraum sind, haben wir eine vielfältige und wertvolle Kulturlandschaft.

Was wollen Sie zu dessen Schutz tun?

Wir wollen uns in diesem Jahr verstärkt um die Flachlandmähwiesen kümmern. Wir schauen, in welchem Zustand diese Wiesen sind und begutachten zunächst einmal den Bestand. Ein zweites Projekt, das wir in diesem Jahr initiieren, ist eine Aktion zu Steinkrebsen. Dazu wollen wir im Kreis zunächst einmal den Bestand erfassen und dann nach Maßnahmen zur Sicherung und Entwicklung der Steinkrebse suchen.

Und wie kann Ihr Amt die Landwirte unterstützen?

Die Rahmenbedingungen für die Landwirte sind in einem stetigen Wandel. Da möchte ich mit meinen Mitarbeitern dazu beitragen, dass unsere bäuerlichen Familienbetriebe die Herausforderungen meistern können. Der Landkreis bietet dafür zum Beispiel eine kostenlose und unabhängige Beratung zum Pflanzenschutz und zur Düngung, aber auch zur Betriebsentwicklung an. Dazu bieten wir immer wieder Fortbildungen an. Und dann haben wir eine landwirtschaftliche Fachschule in Herrenberg, wo man die Ausbildung zum Landwirtschaftsmeister absolvieren kann.