Das Naturtheater Renningen inszeniert das Märchen „Tischlein deck dich“ auf der Bühne am Längenbühl – neu erzählt von Regissieurin Janne Wagler.

Renningen - Schneider Zwirn hätschelt und verwöhnt seine Ziege. Seine drei Kinder dagegen taugen für ihn nur, um diese auf die Weide zu führen. Doch das hinterhältige Tier entzweit Vater und Kinder, und erbost jagt Schneider Zwirn seine Kinder nacheinander aus dem Haus. Guiseppe, Franca und Carlos ziehen in die weite Welt hinaus, um eine Ausbildung zu beginnen.

 

Launig und mit Wortwitz

Die Geschichte wird von einer weisen Frau, die die Schicksalsfäden spinnt, und ihren zwei faunischen Helfern erzählt. Manchmal müssen diese drei eingreifen, um den Verlauf der Geschichte in die richtige Bahn zu lenken. Launig und mit Wortwitz spinnt die solcherart beschäftigte Hexe den Schicksalsfaden fort.

Guiseppe wird Schreiner und bekommt zum Abschied ein wundersames Tischlein geschenkt. Ja, auch die Kleinsten im Publikum kennen den Zauberspruch: „Tischlein deck dich!“ Plötzlich, nachdem sich das Tischlein gedeckt hat, piepst es aus der vorderen Reihe: „Ich hab auch Hunger!“ Doch so freizügig ist Guiseppe mit den Gaben des Tisches nicht, er tröstet mit der Pause und leckeren Snacks. Solch feine Sachen, wie es das Tischlein spendet, gibt es im Naturtheater zu Corona-Zeiten leider nicht.

Tochter Franca wird Müllerin, und die Meisterin schenkt ihr zum Abschied einen ganz besonderen Esel, der seinem Besitzer haufenweise Goldmünzen bescheren kann. Doch beide Geschwister werden auf dem Weg nach Hause von einem gierigen Ehepaar in deren Trattoria um ihre wahrlich wundervollen Geschenke betrogen. Als der jüngste Bruder Carlos dort haltmacht, ist er gewarnt. Zum Abschied von seiner Meisterin, die ihn das Drechseln gelehrt hat, hat er einen streitbaren Knüppel in einem Leinensack bekommen. Und wie lautet der Zauberspruch dafür? „Knüppel aus dem Sack“, schreit das Publikum begeistert und immer lauter, und siehe da, der Knüppel fährt auf wundersame Weise auf die Wirtsleute ein, sodass sie die gestohlenen Zauberdinge wieder herausgeben.

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Irrungen, Wirrungen, Wendungen – doch was wäre ein märchenhafter Theaterabend ohne Happy-End? Schließlich darf der geläuterte Vater seine Kinder wieder in die Arme schließen. Deren glückliche Heimkehr feiert er mit dem ganzen Dorf.

Das kurzweilige Stück strotzt vor liebevoll eingestreuten Bezügen zur Gegenwart. Regisseurin und Choreografin Janne Wagler hat das Märchen, das in Deutschland seit dem frühen 19. Jahrhundert erzählt wird, sprachlich modernisiert und räumlich zum Ursprung geführt. Die Geschichte stammt tatsächlich aus Italien und wurde wohl im frühen 17. Jahrhundert zum ersten Mal in neapolitanischer Sprache veröffentlicht.

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Vor allem die Choreografie hat Kopfzerbrechen bereitet: Vieles musste aufgrund der Corona-Verordnungen umgestaltet werden. Dem Stück ist das nicht anzumerken, alles greift ausgewogen ineinander, und die Schauspieler sind sichtlich mit Herzblut dabei. Obwohl sie lange Zeit nur digital üben konnten und wenig Zeit für Präsenzproben hatten. „Virtuelles Arbeiten ersetzt nicht die Präsenz“, sagt Dietmar Eger, erster Vorsitzender des Vereins Naturtheater Renningen.

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Erst Ende Mai konnten Proben auf der Bühne stattfinden, die Premiere wurde nach hinten verschoben. Doch das Naturtheater wäre nicht das Naturtheater, würden vor und hinter der Bühne nicht alle mit Hochdruck ihr Bestes geben. Jetzt stemmt das Ensemble in einem Monat jede Menge Vorstellungen des Familienstücks und zehn des Erwachsenenstücks „Sherlock Holmes im Nebel“.

„Mit dieser Planung sind wir ein Risiko eingegangen, das war uns sehr bewusst“, sagt Egert, der weiß, dass viele Freilichtbühnen auch für dieses Jahr alle Vorstellungen gestrichen haben. Doch der mutige Entschluss hat sich gelohnt.