Das Naturtheater feiert Premiere mit „Das kalte Herz“. Das Publikum ist begeistert.

Renningen - Mehr Stars hat wohl keine einzige Uraufführung der ganzen Welt wie die Premiere der Bühnenadaption des Hauffschen Märchens „Das kalte Herz“ am Samstag im Naturtheater in Renningen: Ohnehin selten im Großraum Stuttgart blinken Millionen von Sternlein am Nachthimmel, als sich die überglücklichen Darsteller wieder und wieder vor dem begeistert applaudierenden Publikum verneigen. Denn es ist geglückt und sehr gut aufgenommen worden, das gewagte Experiment, ein Kunstmärchen mit hohem moralischem Anspruch als Volkstheater auf die stimmungsvolle Naturbühne mitten im Wald zu bringen. Regisseur Jürgen von Bülow hat die Grundthese des schwäbischen Dichters Wilhelm Hauff aufgegriffen, nach der Geld allein nicht glücklich macht, den Stoff ein wenig aktualisiert und dramatisiert.

 

Der Kohlenpeter hat schlechte Karten

Finanzgewalt versus Mittelstand versus Armut, der Kohlenpeter hat ganz schlechte Karten gegen die reichen Holzhändler – ein Problem, das er mithilfe voller Geldtaschen zu lösen gedenkt. Noch schlechtere Aussichten hat er, die schöne Lisbeth zu heiraten. Obwohl man sich gegenseitig liebt, wird ihr Vater sie kaum dem bitterelenden Köhler überantworten, lieber soll sie einen alten reichen Sack heiraten. Die Konflikte sind vorprogrammiert.

Peter ist noch nicht reif genug, als er den Glasmann, einen guten Waldgeist, aufsucht. Er wünscht sich das Falsche, nämlich materiellen Wohlstand, und gerät auf Abwege. Hier soll jetzt ein weiterer Waldgeist helfen, der Holländer Michl, der allerdings das Böse verkörpert. Doch fügt Bülow ihm noch grazile Waldelfen und eine gewisse Sinnhaftigkeit hinzu, nämlich den vordergründigen Wunsch, den Wald zu retten. Als Gegenleistung für sein immerwährendes Vermögen zahlt Peter mit seinem Herzen, das gegen einen Stein ausgetauscht wird. Anders als in der Vorlage bleiben aber doch Spuren von Gefühl in dem jungen Mann, die nur dann erglühen, wenn seine Liebste in der Nähe ist.

Die Hochzeitsnacht wird zum Fiasko

Sie kann er nun endlich heiraten, doch die Hochzeitsnacht wird zum Fiasko, in der ein volltrunkener Bräutigam seine Braut erschlägt. Die folgenden Szenen ziehen sich ein wenig in die Länge, der Wunsch, hier zu dramatisieren, ist nicht völlig gelungen. Richtig gut kommen beim Publikum dagegen die Szenen an, die ein wenig an den Komödienstadl erinnern, wenn Lisbeths Freundinnen schauergeschichtlichem Tratsch aufsitzen oder Peter und der Tanzbodenkönig um die Meisterschaft „battlen“. Der Glasmann richtet zum Schluss alles wieder: Lisbeth, die angeblich seine Enkelin sein soll, kehrt zu den Lebenden und zu ihrem Mann zurück. Peter erhält endlich nicht nur Verstand, sondern auch wieder sein warmes Herz. Und wenn sie nicht gestorben sind, so köhlern sie noch heute.

Das Naturtheater mitten im Wald ist ein wunderschöner Ort für ein sozialromantisches Märchen, das nicht nur mit ausgezeichneten Darstellern punktet. Beeindruckend sind die herrlichen handgeschneiderten Kostüme, fantasievoll und stilgerecht. Choreografie und Bühnenbild konnten ebenso überzeugen wie die sanfte begleitende Hintergrundmusik. Im Premierenpublikum geben sich nicht nur Bürgermeister und Stadträte die Ehre, sondern auch Prominente wie die Familie Ehrmann, die den Theaterverein unterstützt. Manch einer ist gar in Badeschlappen erschienen, denn hier oben ist alles erlaubt – neben der großen Liebe auch ganz viel Vergnügen.