Heimsheim lässt ein Ökokonto erstellen, um einen Überblick über sein „Punktekonto“ zu bekommen.

Heimsheim - Eine Streuobstwiese bringt etwa doppelt so viele „Ökopunkte“ wie eine normale Wiese. Naturbelassene Waldrefugien bringen pro Quadratmeter vier Ökopunkte mehr als ein normaler Wald. Was es damit auf sich hat?

 

Hinter dem etwas unhandlichen Begriff „Ökopunkte“ verbirgt sich ein wichtiges System, wenn es um den Schutz und Erhalt von Natur und Umwelt in den Kommunen geht. Denn wenn irgendwo eine Fläche versiegelt wird, wie für ein neues Baugebiet, muss dafür ein Ausgleich geschaffen werden. Da die Flächen jeder Kommune begrenzt sind, geht es vor allem um die Aufwertung von bereits vorhandenen Flächen, zum Beispiel mit dem Anlegen neuer Streuobstwiesen, Flussrenaturierungen, hochwertigeren Waldflächen und Ähnlichem.

Je nach Größe eines Projekts braucht es eine bestimmte Zahl an Ökopunkten. Viele Kommunen lassen deshalb für sich ein extra Ökokonto anlegen, um einen genauen Überblick über die eigenen Ökopunkte zu bekommen und zu sehen, wo es auf den gemeindeeigenen Flächen noch Potenzial für Ausgleichsmaßnahmen gibt. Heimsheim hatte so ein Konto bislang nicht. Das soll sich jetzt ändern.

„In den letzten Jahren waren wir immer unsicher, wenn es um dieses Thema ging“, berichtete der Bürgermeister Jürgen Troll im Gemeinderat. „Für Lailberg II brauchten wir plötzlich zwei Millionen Ökopunkte, die wir nicht hatten.“ Um in diesem Punkt mehr Gewissheit zu bekommen, lässt die Stadt nun ein Ökokonto anlegen. Christof Helbig vom Büro Schmidt/Treiber/Partner (STP) in Leonberg stellte im Gemeinderat den Status Quo der Kommune vor und gab einen Überblick über das Potenzial der Stadt.

Von Streuobstwiese bis Buntbrache

Demnach gibt es in Heimsheim noch einige Möglichkeiten, Flächen in der Natur aufzuwerten. Zum Beispiel besteht eine 0,5 Hektar große Fläche am Kreisverkehr der Pforzheimer Straße derzeit aus Grünland, Grünland-Einsaat auf einem Acker und Graswegen. Eine „Umrüstung“ auf einen Streuobstbestand auf artenreicher Wiese bedeutet am Ende mehr als doppelt so viele Ökopunkte: fast 100 000 im Unterschied zu etwas mehr als im Moment 45 000. Weitere Verbesserungen brächten noch mal mehr als 10 000 Punkte zusätzlich. Die Kosten für die Umsetzung schätzte Helbig zunächst auf knapp 50 000 Euro.

Weitere Chancen sieht Christof Helbig in der Umwandlung eines Ackers nahe des Naturschutzgebiets Silberberg in eine sogenannte Buntbrache, also eine Wiese mit vielen Wildkräutern. Eine solche wird normalerweise auf Flächen mit Dauerkulturen angelegt und können sich mindestens zwei und maximal acht Jahre am selben Standort befinden. Feldhecken im Gebiet Innerer Dickenberg östlich der Mönsheimer Straße sowie eine Überschwemmungsfläche des Kotzenbachs könnten ebenfalls noch aufgewertet werden.

Gleiches gilt für Heimsheimer Waldflächen. Drei Prozent des Heimsheimer Waldes gelten bereits als Waldrefugium. Ein Waldrefugium ist ein kleines Waldstück, auf dem jegliche Form der Bewirtschaftung verboten ist, sodass es sich ungestört und ganz von selbst zu einem neuen Urwald entwickeln kann. Bei größeren Waldflächen spricht man von Bannwäldern oder Nationalparks. Christof Helbig schlug vor, weitere fünf Prozent Heimsheimer Wald entsprechend umzuwandeln. Mehr als 760 000 Ökopunkte ließen sich damit erreichen.

Landwirtschaft soll einbezogen werden

Der Gemeinderat stand dem Plan der Stadt, ein Ökokonto anzulegen, sehr positiv gegenüber und zeigte sich auch gegenüber den vorgeschlagenen Ideen in großen Teilen aufgeschlossen. „Es geht hier um unsere Lebensqualität und um die Zukunft“, fand Gaby Wulff (Bürger für Heimsheim). „Alles, was sich davon kurzfristig umsetzen lässt, sollte man daher bitte auch anleiern.“

Mehr Skepsis zeigten Vertreter der Freien Wählervereinigung und CDU in manchen Punkten. Von vielen der vorgeschlagenen Maßnahmen wären nämlich landwirtschaftliche Flächen betroffen. „Ich kann hier nur zustimmen, wenn es eine Ergänzung gibt, dass Gemeinderat und Landwirte in die entsprechenden Pläne einbezogen werden“, stellte Ralf Rüth (CDU) klar. Auch mit der Einbeziehung des Status als „pestizidfreie Kommune“ in das Ökokonto wollten die beiden Fraktionen noch abwarten. Rund um das Thema hatten sich in der Vergangenheit hitzige Diskussionen entsponnen, da einige Landwirte sich bei diesem Beschluss und der Umsetzung übergangen gefühlt hatten. Als pestizidfreie Kommune dürfen auf kommunalen Flächen, wie der Name sagt, keinerlei Pestizide zum Einsatz kommen.

Der Gemeinderat gab dennoch ein positives Votum ab, da es zunächst nur um die Erstellung des Ökokontos geht, nicht um konkrete Maßnahmen. Nachdem der Plan fertig ausgearbeitet ist, ist der nächste Schritt, sich mit Behörden wie der Naturschutz- und Forstbehörde und den jeweils Betroffenen, sprich: den Landwirten, zusammenzusetzen. Erst danach geht es an die Umsetzung einzelner Maßnahmen. Insgesamt wäre mit diesen ein Gewinn von rund 1,4 Millionen Ökopunkten möglich. Die Gesamtkosten gab Christof Helbig mit rund 420 000 Euro an.