Eine Bürgerinitiative schlägt einen Schnellzug von Stuttgart nach Calw vor und will verhindern, dass die Nordschwarzwald-Linie von Stuttgart 21 abgehängt wird. Leonbergs OB ist begeistert.

Leonberg - Esslinger, die mit dem Zug nach Stuttgart wollen, haben zwei Möglichkeiten. Entweder nehmen sie die S-Bahn, die zwar oft kommt, dafür aber 17 Minuten braucht. Oder sie steigen in einen Regionalzug, der zwar seltener fährt, dafür aber schon in neun Minuten in Stuttgart ist. Überall in der Region hat man die Auswahl zwischen einem schnellen Zug und der S-Bahn, die überall hält – in Böblingen, Esslingen, Waiblingen und Ludwigsburg etwa.

 

Fast überall. Die Strecke der früheren Schwarzwaldbahn Richtung Weil der Stadt ist die einzige Stuttgarter Linie, auf der ausschließlich die S-Bahn verkehrt. Eine Gruppe von privaten Bahnexperten um den Leonberger Hans-Joachim Knupfer und den Holzgerlinger Reinhard Hackl will das ändern und schlägt vor, dass künftig auch hier ein Regionalexpress fährt – und perspektivisch weiter nach Calw, um den Nordschwarzwäldern eine schnelle und direkte Anbindung nach Stuttgart zu ermöglichen. Die Weichen dafür müssten jetzt gestellt werden, sagen die Mitglieder der „Bürgeraktion Unsere Schwarzwaldbahn“ (Baus).

Tiefbahnhofs Stuttgart 21 macht Probleme

Knackpunkt: Mit der Eröffnung des Tiefbahnhofs Stuttgart 21 werde die Nordschwarzwaldbahn vom eigentlichen Eisenbahnnetz abgehängt, sagen sie. Dann könne hier nur noch die S-Bahn fahren, und das Nachrüsten auf den schnellen Regionalexpress wäre verbaut. Einen sachlichen Grund für diese Entwicklung gebe es nicht, erklärt Erwin Eisenhardt, der ebenfalls Mitglied bei Baus ist und als Renninger seit mehr als 40 Jahren die Nordschwarzwaldbahn kennt und benutzt: „Die Planer und Politiker haben uns schlicht vergessen – und bisher hat es keiner gemerkt“, schimpft Eisenhardt. Es gehe nicht an, dass ausgerechnet diese Hauptbahn schlechter behandelt wird als alle anderen, und das schon seit Jahrzehnten. „Da muss neben den Anliegerstädten auch der Kreis Böblingen aufwachen – der Altkreis Leonberg ist kein Aschenputtel.“ Denn die Bahnverbindung verbinde als einzige sogar zwei Landkreise mit Stuttgart, nämlich Böblingen und Calw.

Im Verkehrsministerium weist man auf Nachfrage unserer Zeitung diese Anschuldigungen zurück. „Es war im ursprünglichen Verkehrskonzept von Stuttgart 21 nie vorgesehen, dass die S-Bahn von Leonberg in den Tiefbahnhof geführt wird“, sagt Julia Pieper, die Sprecherin von Verkehrsminister Winfried Hermann (Grüne). „Insofern kann man nicht von einem Abhängen sprechen.“ Es werde zwar künftig eine Weiche geben zwischen der Nordschwarzwaldbahn und dem künftigen Tiefbahnhof. „Diese ist für mögliche Störfälle vorgesehen“, erklärt Pieper. Der Bereich Feuerbach aber ist ein Nadelöhr, eine reguläre Zugverbindung zwischen Calw, Leonberg und dem Tiefbahnhof sei daher kaum möglich.

Leonbergs Oberbürgermeister ist bislang am begeistertsten

Dazu müsste man also Gleise bauen und Tunnels erweitern – was viel Geld kostet. Die Baus-Mitglieder fordern, dass sich örtliche Politiker genau dafür einsetzen. Unsere Zeitung hat sich bei den Politikern umgehört. Leonbergs Oberbürgermeister Martin Georg Cohn (SPD) ist bislang am begeistertsten von der Idee eines Regionalexpress, der unter anderem in Leonberg halten würde. „Das würde das Mobilitätsangebot der gesamten Region deutlich verbessern“, sagt er. Der OB kündigt an, die Forderung aufzunehmen und eine politische Initiative zu starten. „Wir werden Kontakt zum Land und zum Verband Region Stuttgart aufnehmen.“ Darauf habe er sich auch schon mit mit dem Gemeinderat verständigt.

Andere Politiker sind dagegen noch skeptischer. Natürlich wolle er, dass alle Teile des Kreisgebietes mit gleichwertigen Verbindungen erschlossen sind, erklärt Böblingens Landrat Roland Bernhard. „Für gleichwertige Verbindungen braucht man nicht zwingend identische Angebote.“ Die Hermann-Hesse-Bahn und die Express-S-Bahn seien zwei „große und wichtige Schritte für eine attraktive Anbindung an Stuttgart“.

Die Express-S-Bahn soll von Ende 2021 an fahren, ebenfalls Haltestellen auslassen und deshalb schneller sein als die S 6. Allerdings endet sie in Zuffenhausen, später in Feuerbach – auf jeden Fall nicht in Stuttgart, wo viele hinwollen. Der Böblinger Landrat findet es zwar richtig, die Option auf eine Anbindung an den neuen Tiefbahnhof offenzuhalten. „Ziel muss es bleiben, wie unter allen Beteiligten vereinbart, eine S-Bahn-Verlängerung bis nach Calw mit attraktiven Reisezeiten zu erreichen“, wiederholt Roland Bernhard seinen bisherigen Standpunkt.

Calw unterstützt die Initiative

Die Calwer wären Hauptgewinner eines direkten und umsteigefreien Regionalzugs nach Stuttgart. Aber auch der dortige Landrat Helmut Riegger (CDU) zeigt sich nicht so euphorisch wie die Baus-Mitglieder. „Ich bin froh darüber, dass die Bürgeraktion sich schon jetzt über die mittel- und langfristige Anbindung an den Tiefbahnhof in Stuttgart Gedanken macht“, sagt Riegger. Jetzt müsse man aber erst die Hesse-Bahn umsetzen und dann weiterdiskutieren. „Alle Konzepte sind im Rennen“, sagt der Landrat. Deshalb sei es wichtig, „keine noch besseren Lösungen zu verhindern“ und dafür Infrastrukturen, die in Stuttgart vorhanden oder notwendig sind, zu realisieren.

Im Landtag beobachtet die Leonberger Abgeordnete Sabine Kurtz (CDU) die Diskussion interessiert, ist aber erst einmal froh, dass die quälenden Diskussionen um die Hesse-Bahn gelöst sind. Wichtig sei aus ihrer Sicht, dass viele Orte gute Bahnverbindungen haben: „Mit der S-Bahn sehe ich dies am besten erfüllt.“ Aber auch Kurtz zeigt sich offen für künftige, andere Lösungen. Ebenso Weil der Stadts Bürgermeister. „Grundsätzlich ist eine attraktive Anbindung über die Schiene in beide Richtungen für Weil der Stadt sicher wünschenswert“, sagt Christian Walter.