Auch CDU und AfD wollen eine schnelle und lückenlose Aufklärung.

Kreis Böblingen - „Wenn sich die Zustände im Schlachthof in Gärtringen so bestätigen, wie es im uns zugespielten Video zu sehen ist, handelt es sich um geradezu grauenvolle, das Tierwohl verachtende Vorgänge.“ Mit diesen deutlichen Worten hat der Fraktionsvorsitzende der Grünen im Böblinger Kreistag die vorübergehende Schließung des Gärtringer Schlachthofs gefordert, nachdem die Tierrechtsorganisation Soko Tierschutz am Wochenende ein kurzes Video veröffentlicht hatte, das Misshandlungen von Tieren in dem Betrieb zeigt. Die Verantwortlichen müssten sofort abgezogen werden, fordert Mundle weiter.

 

Weiterbetrieb erst, wenn Tierwohl gesichert

Roland Mundle, Grünen-Kreistagsfraktion Foto: privat
„Falls es sich bestätigt, dass solche Vorgänge auch noch in Anwesenheit der Veterinäre des Landratsamtes stattfanden, haben diese sich für diese Tätigkeit disqualifiziert“, sagt der Grünen-Fraktionschef. Den Landkreis nimmt er auch an andere Stelle in die Pflicht: „Uns Kreisräten und Kreisrätinnen wurde in einer Kreistagsvorlage im Dezember 2018 noch folgender Sachverhalt dargestellt: Kurze Transportwege, schonender Umgang mit dem Schlachtvieh, nachvollziehbare regionale Herkunft und die Versorgung der Metzger mit absolut frischer Ware sind wichtige Vorteile der regionalen genossenschaftlichen Ausrichtung“, zitiert Mundle. Darauf hätten sich auch die hiesigen Metzgereien verlassen. Einen Weiterbetrieb könne die grüne Fraktion erst mittragen, wenn sichergestellt sei, dass das Tierwohl wieder Vorrang hat.

CDU findet Schließung verfrüht Paul Nemeth, Sabine Kurtz und Marc Biadacz (v.l.). privat

Die CDU hingegen findet die Forderung der Grünen verfrüht. „Solche Schnellschüsse helfen im Augenblick nicht weiter. Zunächst muss lückenlos aufgeklärt werden, wo das Versagen lag. Dann kann man die notwendigen Konsequenzen ziehen. Dabei müssen auch personelle Konsequenzen in Betracht gezogen werden“, schreiben die Landtagsabgeordneten Sabine Kurtz und Paul Nemeth sowie der Bundestagsabgeordnete Marc Biadacz in einer gemeinsamen Pressemitteilung. Die Videoaufnahmen zeigten „schockierende und beschämende Bilder“. Auch die Unionspolitiker fordern eine lückenlose Aufklärung. „Grundsätzlich halten wir regionale Schlachthöfe für eine sinnvolle Einrichtung“, schreiben Kurtz, Nemeth und Biadacz. Der schonende Umgang mit den Tieren müsse jedoch Vorrang haben, was „auf den uns vorliegenden Videoaufnahmen ganz offensichtlich nicht der Fall ist. Die Aufklärung dieses Vorganges sollte Anlass und Grundlage sein, um, wo nötig, entsprechende Verbesserungen für den Tierschutz in Schlachtbetrieben vorzunehmen“.

AfD kritisiert Missbrauch des Kundenvertrauens

Markus Frohnmaier, AfD-Bundestagsabgeordneter aus Weil der Stadt. Foto: dpa
Auch die AfD forderte eine schnelle und lückenlose Aufklärung der im Video gezeigten Vorfälle, auch um Schritte gegen die Verantwortlichen einzuleiten. „In diesem Falle muss auch geprüft werden, weshalb Amtstierärzte weder eingeschritten sind noch die im Schlachtbetrieb herrschenden Missstände bei den zuständigen Behörden angezeigt haben“, sagt der Bundestagsabgeordnete Markus Frohnmaier aus Weil der Stadt.

Der Herrenberger Kreisrat Peter Keßler, AfD-Landtagskandidat im Wahlkreis Leonberg – Weil der Stadt – Herrenberg, kritisiert nicht nur das rücksichtslose Verhalten gegenüber den Schlachttieren, sondern auch den Missbrauch des Vertrauens von Kunden und Lieferanten. „Bauern pflegen ihre Tiere mit viel Hingabe und erwarten auch einen verantwortungsvollen Umgang mit ihren Tieren während der Schlachtung. Die Kundenbetriebe vertrauten auf Fleisch aus der Region, das unter Einhaltung aller gesetzlichen Vorgaben und möglichst stressfrei hergestellt werden sollte. Auch wenn die Tiere zum Verzehr geschlachtet werden, möchte niemand seine Tiere unnötigen Qualen aussetzen.“

Walker: Mehr Tierwohl durch Einsatz von KI

Thekla Walker, Grünen-Landtagsabgeordnete. Foto: dpa
Einen Vorschlag, wie das Tierwohl beim Schlachten besser geschützt werden kann, hat die Grünen-Landtagsabgeordnete Thekla Walker. Die tierschutzpolitische Sprecherin der Landtagsfraktion, die den Wahlkreis Böblingen vertritt, bringt dabei künstliche Intelligenz ins Spiel. „Sensoren, zum Beispiel Videokameras, zeichnen demnach die Schlachtung an einem oder mehreren Punkten auf, zum Beispiel beim Abladen, Betäuben und bei der Entblutung oder in den Warteställen und Treibgängen. Das Datenmaterial wird automatisch ausgewertet. Dabei erkannte mögliche Verstöße gegen das Tierwohl werden zur Überprüfung an Veterinäre weitergeleitet“, erklärt sie. Die Landtagsfraktion finanziere dazu gerade eine Studie. Ein erster Zwischenbericht sei vielversprechend. Die Fälle aus Gärtringen und zuvor Tauberbischofsheim zeigten, dass systemische Ursachen vorlägen. Walker kritisierte, dass diese durch Tierschützer und nicht die eigentlich zuständigen Veterinärämter aufgedeckt worden sind.

„Künstliche Intelligenz bietet aus unserer Sicht gute Möglichkeiten, Missstände schnell und lückenlos aufzudecken und ihnen dadurch Einhalt zu gebieten“, meint Walker. Sie forderten Landwirtschaftsminister Peter Hauk (CDU) auf zu prüfen, wie KI-Lösungen zur Dokumentation und Verhinderung von Tierschutzverstößen im Schlachtvorgang flächendeckend eingesetzt werden könnten.