Das Landgericht Stuttgart hat die beiden Haupttäter einer Firma aus Weil der Stadt nach einem fast einjährigen Prozess zu mehr als sechs Jahren Gefängnis verurteilt. Es geht um Gold und Silber im Wert von rund 65 Millionen Euro.

Es war in vielerlei Hinsicht ein Prozess der Superlative, den die sechste Große Strafkammer am Landgericht Stuttgart nach zehneinhalb Monaten Verhandlung und 44 Sitzungstagen nunmehr abgeschlossen hat.

 

Wegen des Schmuggels von knapp zweieinhalb Tonnen Gold und Silber im Wert von rund 65 Millionen Euro verurteilte das Gericht den Geschäftsführer eines Schmuckgroßhändlers aus Weil der Stadt zu sechs Jahren und drei Monaten Gefängnis, den Geschäftsführer einer Firma aus Liechtenstein zu sechseinhalb Jahren Haft. Ein Mitgeschäftsführer der Weil der Städter Firma soll nach dem Willen des Gerichts für drei Jahre und neun Monate ins Gefängnis.

Mit einer elfmonatigen Bewährungsstrafe wegen Beihilfe zur Steuerhinterziehung wurde ein 41-jähriger Österreicher belegt, der beim Schmuggel über die grüne Grenze als Späher tätig war. Gegen den ursprünglichen fünften Angeklagten, den ehemaligen Vertriebsleiter und Prokuristen der Weil der Städter Firma, war der Prozess zwischenzeitlich gegen die Zahlung von 50 000 Euro eingestellt worden.

Dem Finanzamt sollen elf Millionen Euro entgangen sein

Das Gericht sah es als erwiesen an, dass der Geschäftsführer der Liechtensteiner Firma zwischen Februar 2020 und März 2021 in mehr als 80 Fällen Gold, Silber und Platin, das er über italienische Kontaktmänner aufgekauft hatte, von Liechtenstein nach Deutschland einführte, ohne dafür Umsatzsteuer zu bezahlen. Das Gericht ging von einem Schaden für den Fiskus in Höhe von knapp elf Millionen Euro aus. Um die Geschäfte zu verschleiern, ließ sich der Mann mit Bargeld bezahlen, das er ebenso ohne Anmeldung über die Grenze nach Liechtenstein brachte.

„Er war der umsatzstärkste Kunde der Firma in Weil der Stadt, im Jahr 2020 betrug der Umsatz rund 100 Millionen Euro“, sagte der Vorsitzende Richter Günter Necker über den 41-jährigen Geschäftsführer der Liechtensteiner Firma. Er sei zehn bis 16 Stunden pro Tag für die Weil der Städter Firma tätig gewesen, die die Edelmetalle angekauft, geschmolzen, geschieden und dann an verschiedene Scheideanstalten weiterverkauft habe.

Gold und Silber im Rucksack transportiert

Nach Ansicht des Gerichts fuhr der 41-Jährige teilweise morgens um 4 Uhr in Liechtenstein los, um die Edelmetalle über die Grenze in die EU zu bringen. Das Gold und Silber, in der Regel 15 bis 20 Kilogramm, transportierte er meist in einem Rucksack. Teilweise habe er auf dem Rückweg 800 000 Euro Bargeld dabeigehabt. In der Firma sei der 55-jährige Mitgeschäftsführer dafür verantwortlich gewesen, dass regionale Banken bis zu 3,2 Millionen Euro Bargeld pro Woche zur Verfügung stellten. „Für uns ist schwer nachvollziehbar, dass Banken so etwas tun – nur unter Verweis auf die Tatsache, das Bargeld im Edelmetall-Geschäft üblich sei“, wies Necker den Banken eine gewisse Mitschuld zu. Das Risiko der Geldwäsche sei auf der Hand gelegen.

Necker bezeichnete den 55-jährigen Mitgeschäftsführer, der wegen seiner grundsätzlichen Korrektheit häufig in Konflikt mit dem 76-jährigen Geschäftsführer des Familienunternehmens geraten war, als „tragische Figur“ in der ganzen Geschichte. Er habe nicht direkt gewusst, dass die Edelmetalle aus Liechtenstein stammten, habe aber mehrere Indizien – wie zum Beispiel fehlende Steuernummern – ignoriert. „Der Verdacht des Goldschmuggels hätte sich für ihn aufdrängen müssen, er hat es in Kauf genommen“, meinte Necker.

Rund 8500 Telefongespräche wurden überwacht

Bei der Strafzumessung seien bei allen Angeklagten negativ der hohe Schaden von fast elf Millionen Euro, der lange Zeitraum und die systematische Tatbegehung ins Gewicht gefallen. Auf die Spur der Angeklagten waren Zoll-, Steuerfahndung und Staatsanwaltschaft nach Auskunft des Ersten Staatsanwalts Marcus Höschele durch mehrere Rechtshilfeersuchen aus dem Ausland gekommen. Die Ermittlungen hätten fast zwei Jahre gedauert. In dem Prozess wurden 37 Zeugen gehört und mehr als 2000 Urkunden ausgewertet, darunter allein 600 Protokolle von Telefonüberwachungen von rund 8500 Gesprächen.

Während der zweieinhalbstündigen Urteilsverkündung übte Necker auch massive Kritik an der Verteidigung des 76-jährigen Hauptangeklagten. Die Anwälte hätten den Prozess durch wiederholte Hinweise auf eine angebliche Demenzerkrankung des Mannes in die Länge gezogen, für die es keine Anhaltspunkte gegeben habe. „Das Ganze nahm zeitweise querulatorische Ausmaße an“, monierte Necker.

Bisweilen habe die Kammer Bedenken gehabt, ob die Anwälte ihre Rolle als Organ der Rechtspflege nicht überschreiten. „Es gab teilweise unverschämte persönliche Angriffe auf die gerichtlich bestellte Sachverständige, die dem Gericht durch ihre jahrelange Tätigkeit als hochqualifiziert bekannt ist“, kritisierte Necker. Ein solches Niveau habe er noch selten erlebt und hoffe es auch nie wieder zu erleben.